„Fuck you Germany“: Hinter Happy Heidi grinst immer noch das SED-Gesicht

  • Im Video oben: „Symbol für den Niedergang“: Fleischhauer kontert Linke-Star Reichinnek

Wo liegt die politische Mitte? Wo beginnt sie, wo endet sie?

Glaubt man der Moderatorin Anne Will, dann fängt die Mitte bei der Linkspartei-Ikone Heidi Reichinnek an und endet irgendwo bei Carsten Linnemann von der CDU. Das ist die Ortsbestimmung, die sie in dem Podcast, in dem sie mit von ihr favorisierten Hauptstadtjournalisten die Lage erörtert, vornahm.

Zu Gast war in diesem Fall die „Zeit“-Redakteurin Mariam Lau. „Zählst du die Linkspartei inzwischen zur politischen Mitte?“, lautete die Frage, worauf Lau ausführte, weshalb sich die Welt nicht mehr in links und rechts teile. Die Trennlinie laufe vielmehr zwischen Kräften, die das System sprengen wollten, und solchen, die es für verteidigungswürdig hielten. 

Es folgte der obligatorische Hinweis auf Heidi Reichinnek als Stimme der Vernunft, so als hätten sich alle Einwände damit erledigt.

Gehört „Die Linke“ zur politischen Mitte?

Ich schätze Mariam Lau, wirklich. Sie gehört für mich zu den Politjournalisten, die es sich nicht zu leicht machen. Aber ich glaube, hier liegt sie komplett falsch. Ich kann mir den milden Blick nur so erklären, dass sie zu oft auf den politischen Sommerfesten in Berlin war, wo man sich alle Differenzen schöntrinkt. Außer natürlich die zur AfD. Da hilft auch der härteste Fusel nichts.

Gehört „Die Linke“ zur politischen Mitte? Seit Langem hat kein Satz mehr solche Empörung hervorgerufen wie die Einschätzung des neuen Kulturstaatsministers Wolfram Weimer, dass es wünschenswert wäre, wenn man AfD und Linkspartei von der Macht fernhielte. 

Aus meiner Sicht hat er eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen. Eine Regierung ohne Extremisten ist besser als eine Regierung mit Extremisten. Aber die Tatsache, dass er beide Parteien in einem Atemzug nannte, reichte aus, um ihn zum Teufel zu wünschen.

Eine Welt, in der die Linkspartei das Sagen hätte

Meine Timeline explodierte geradezu vor empörten Tweets. Die größte Gefahr für die Demokratie seien Konservative wie Weimer, erklärte die Linkspartei-Vorsitzende Ines Schwerdtner unter Beifall. 

Mir würden noch ein paar Dinge einfallen, die mindestens so gefährlich für die Demokratie sind wie eine Interviewäußerung des deutschen Kulturstaatsministers. Ein Durchbruch der Russen auf Nato-Gebiet zum Beispiel oder vier Dürresommer in Folge. Aber ich bin ja auch Kolumnist und nicht Politiker.

Ich habe eine ungefähre Vorstellung, wie eine Welt aussähe, in der die Linkspartei das Sagen hätte. Eigentum wäre in dieser Welt grundsätzlich verdächtig, weshalb es mit so vielen Steuern und Auflagen belegt wäre, dass man sich am Ende wünschte, man hätte nie etwas besessen.

Es ist den Linkspartei-Kadern todernst

Auch mit aufsässigen Geistern verfährt man dort eher unnachsichtig. Ich würde nicht so weit gehen wie mein Freund Ulf Poschardt, hinter der fröhlichen Gudrun-Ensslin-Fassade von Frau Reichinnek gleich den Gulag zu sehen. Aber dass Leute wie Poschardt und ich umgehend Berufsverbot erhielten, versteht sich von selbst. Wer Ungleichheit ablehnt, hat auch nicht viel für das freie Denken übrig. Intelligenz und Witz sind von Natur aus ungleich verteilt. Das reicht, um sie für einen Skandal zu halten.

Aus ihren wirtschaftspolitischen Absichten macht die Partei kein Hehl. „Wir müssen nicht mehr arbeiten, wir müssen mehr enteignen“, steht auf den Plakaten, mit der sie sich in Nordrhein-Westfalen zur Kommunalwahl empfiehlt. 

Die meisten denken, das sei lustig gemeint, ein Gag, den man halt reißt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber dass man allen, die mehr haben, das wegnimmt, was sie zu viel besitzen, ist den Linkspartei-Kadern todernst.

"Anarcho fand ich immer reizvoll": Fleischhauer sagt, warum er junge Linke verteidigt
fol/Sean Gallup/Getty Images

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Die SED existiert juristisch bis heute

Die Linkspartei hatte immer ein Talent, Politiker in die erste Reihe zu stellen, die nichts Bedrohliches an sich haben. Jahrelang hatte die Stelle der personifizierten Unschuld der leutselige Anwalt Gregor Gysi inne. Gysi wirkte so harmlos, dass ihn sogar der Bundesverband der Deutschen Industrie als Gastredner einlud, um sich dann an seinen Sottisen zu erfreuen. 

Dass es hinter dem lustigen Advokaten noch einen ganz anderen Gysi gab, den kommunistischen Strippenzieher, der peinlich genau darauf achtete, dass die Linkspartei nie wirklich den Bruch mit der SED vollzog, das wurde geflissentlich übersehen.

Was viele nicht wissen: Die SED existiert juristisch bis heute. Sie hat viele Häutungen vollzogen – mal hieß sie PDS, mal WASG. Aber sie hat alles überdauert, den Mauerfall, die Wiedervereinigung, die bleiernen Merkel-Jahre. Jetzt heißt sie eben „Die Linke“. 

Warum man nie mit dem DDR-Erbe gebrochen hat? Weil man die Vermögensbestände in die neue Zeit retten wollte. So viel vom Kapitalismus versteht man im Karl-Liebknecht-Haus dann doch.

Reiche gleich erschießen oder nur ins Umerziehungslager stecken?

Manchmal wird die alte Partei für einen Moment sichtbar. Dann wird darüber sinniert, ob man Reiche gleich erschießen oder nur ins Umerziehungslager stecken solle, um sie „nützlicher Arbeit“ zuzuführen. Das ist dann nicht mehr ganz so „mausig“ beziehungsweise herzig, wie das zentrale Wort in den Porträts über die Stimmungskanone Reichinnek lautet.

Man hat auch keine Berührungsängste zu den offenen Feinden der Republik. Im „Zeit“-Magazin fand sich vor zwei Wochen eine aufrüttelnde Reportage über den Alltag der Ermittlungsgruppe Nahost, die im linksradikalen Pro-Pali-Milieu von Berlin unterwegs ist. Welche Fahne weht regelmäßig über den Aufmärschen, in denen „Fuck you Germany“ skandiert wird? Neben der Palästinaflagge die Parteifahne der Linken.

Der „Zeit“-Reporter stand dabei, als ein Polizeibeamter in den Kreis der Demonstranten gezerrt und mit Tritten lebensgefährlich verletzt wurde. Gab es anschließend eine Erklärung der netten Frau Reichinnek? Hat man sich bei dem verletzten Beamten entschuldigt?

Total gemäßigt und garantiert verfassungsfromm

Selbstverständlich nicht. Wenn Polizisten bei Linkspartei-Demos zu Schaden kommen, gilt das als bedauerlicher Einzelfall. So wie es natürlich auch ein Ausrutscher ist, wenn die Bezirksgruppe Neukölln zum Sommerfest mit dem deutschen Hamas-Ableger einlädt, um den Befreiungskampf des palästinensischen Volkes zu feiern. Oder die Jugendorganisation Solid Judenwitze reißt, wonach nur ein toter Jude ein guter Jude sei.

Weshalb die Aufregung über Wolfram Weimer so groß ist? Weil ein Bündnis mit der Linkspartei nach Lage der Dinge die einzige Chance von Rot-Grün ist, noch einmal an die Macht zu kommen. Daher unternimmt man solche Verharmlosungsklimmzüge und versucht, den Leuten einzureden, dass die SED-Truppe im Grunde ja nur eine etwas linkere SPD sei, total gemäßigt und garantiert verfassungsfromm.

Der Unterschied zwischen Heidi Reichinnek und Gregor Gysi

Ich habe vor Jahr und Tag einmal dem Abgeordneten Gysi bei einem Besuch im Bundestag ein Exemplar meines Buches „Unter Linken“ mitgebracht, da war es gerade erschienen. „Für Gregor Gysi in der Hoffnung, dass er ein gutes Wort für den Autor einlegt, wenn die Proskriptionslisten wieder eröffnet werden“, hatte ich auf das Vorsatzblatt geschrieben. 

Ich erinnere mich noch gut, wie Gysi das Buch entgegennahm, den Blick über die Widmung gleiten ließ und es dann lächelnd wieder schloss.

Das ist der Unterschied zwischen Heidi Reichinnek und Gregor Gysi: Als alter Kommunist wusste er sofort, wovon die Rede war. Proskription bezeichnete im Römischen Reich die öffentliche Ächtung von Gegnern, die für vogelfrei erklärt wurden, weil sie der herrschenden Denkungsart widersprachen. Die Praxis hat sich in allen Diktaturen bis heute gehalten.