Nach Treffen mit Rechtsextremisten in Potsdam: AfD-Teilnehmer bekräftigen Geheimplan

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Die AfD-Führung bemüht sich, das Treffen ihrer Funktionäre und Abgeordneten mit Rechtsextremen herunterzuspielen. Dort ging es offenbar um Deportationen.

Berlin – Nach dem konspirativen Treffen einiger, teils hochrangiger, AfD-Mitglieder mit Rechtsextremen bemüht sich die in Teilen rechtsextreme Partei darum, die dort geschmiedeten Pläne zur Deportation von Millionen von Menschen herunterzuspielen. Parteichefin Alice Weidel ließ über einen Sprecher erklären, der im Landhaus Adlon bei Potsdam diskutierte Plan sei nicht das Parteiprogramm. Gehe es um die Frage, wer abgeschoben werde, so gelte dieses.

Im AfD-Parteiprogramm heißt es „Assimilation, ist die weitestgehende Form der Integration“, die man zwar nicht erzwingen könne, aber trotzdem anstrebe. Integration, im Sinne der AfD, bedeutet, dass sich ausschließlich der Zugewanderte anzupassen habe. Wer sich dem verweigere, dem sei „letztendlich“ das Aufenthaltsrecht zu entziehen.

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AfD-Chefin Alice Weidel jubelt mit Parteikollegen über Erfolge bei der Landtagswahl in Hessen. © Helmut Fricke/dpa

Von den von Alice Weidels Sprecher am Mittwoch betonten rechtsstaatlichen Regeln, die „vollständig im Einklang mit dem Grundgesetz“ sein sollen, steht dort nichts. Im Grundsatzprogramm wird offen die Abschaffung des individuellen Asylrechts auf Basis des Grundgesetzes und des geltenden Völkerrechts gefordert. Gleichzeitig fordert die AfD eine Rückkehr zum Staatsbürgerschaftsrecht nach Abstammungsprinzip. Deutscher war bis zum Jahr 2000 nur, wer einen deutschen Elternteil hatte.

Rechtsextremer Kampfbegriff mit dem Ziel einer „homogenen Volksgemeinschaft“

Am Mittwoch veröffentlichte das Investigativ-Portal Correctiv eine Recherche, die schilderte, wie teils hochrangige AfD-Mitglieder, Rechtsradikale und Unternehmer sich in einem Landhaus bei Brandenburg getroffen haben sollen. Sie diskutierten demnach Wege, den demokratischen Rechtsstaat mit seinen eigenen Mitteln auszuhöhlen, und was sie dann tun könnten: Der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner erklärte auf dem konspirativen Treffen in Potsdam mehreren AfD-Angehörigen, er wolle „Asylbewerber, Ausländer, mit Bleiberecht, nicht assimilierte Staatsbürger“ nach Nordafrika deportieren, schrieb Correctiv. Die demokratischen Kräfte im Land zeigten sich schockiert.

Sellner präsentierte all das, demnach unter dem Begriff „Remigration“. Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent erklärte gegenüber der ARD, dies sei „ein rechtsextremer Kampfbegriff“ mit dem Ziel der „massenhaften Deportation“ aller Menschen, „die nicht deutschstämmig sind“. Ziel dessen, so Quent: Eine „ethnisch homogene Volksgemeinschaft“.

Diese Pläne zur Deportation von Millionen Menschen diskutierte er demnach mit Roland Hartwig, engster Mitarbeiter von Parteichefin Weidel, der Bundestagsabgeordneten Gerrit Huy, dem Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, und Tim Krause, dem Vize-Chef des Potsdamer Kreisverbandes. Siegmund und Huy äußerten sich am Mittwoch und am Donnerstag zu den Vorwürfen.

Keiner der Beteiligten bekennt sich zur Unantastbarkeit des deutschen Passes

Huy schrieb am Donnerstag auf X, vormals Twitter, es sei „richtig“, dass die AfD sich für „Remigration“ einsetze. In ihrem Post bezog sie sich explizit auf „ausreisepflichtige Ausländer“. Die Pläne Sellners, auch „nicht assimilierte Staatsbürger“ zu deportieren, wies sie nicht zurück. Sie bezeichnete die Berichterstattung von Correctiv als „Schmutzkampagne“ einer „regierungsfinanzierten Organisation“. Siegmund behauptete, den „kroatischen Restaurantbetreiber“ mit deutschem Pass wegen seines „Beitrags zur Gesellschaft“ nicht deportieren zu wollen. Von der Unantastbarkeit einer deutschen Staatsbürgerschaft – einer zentralen Lehre aus dem Nationalsozialismus – spricht Siegmund in seinem am Donnerstag per X verbreiteten Video nicht.

Sachsen-Anhalts AfD-Co-Fraktionschef Ulrich Siegmund
AfD-Co-Landtagsfraktionschef Ulrich Siegmund. © Ronny Hartmann/dpa/Archivbild

Ähnlich sehen diverse andere Posts von Abgeordneten der Partei aus. Der brandenburgische Bundestagsabgeordnete René Springer schrieb auf X, die AfD werde „Ausländer millionenfach“ abschieben. Das sei ein „Versprechen (...) für Deutschland“. Er stellte ebenfalls nicht klar, wen er als Deutschen betrachtet. Der Verfassungsschutz attestiert weiten Teilen der AfD inzwischen ein verfassungsfeindliches „ethnisches Volksverständnis“. Selbiges gilt für die rechtsextreme Identitäre Bewegung. Sellner ist einer deren führender Köpfe. Laut einer Zeit-Recherche beschäftigte Springer 2018 eine Führungsfigur der Identitären.

Reaktion des AfD-Chefs im Landtag Sachsen-Anhalt: Hetze gegen Correctiv-Journalistinnen

Besonders ging Siegmund darauf ein, dass Correctiv mit versteckten Kameras recherchierte. Er warf den Journalistinnen und Journalisten von Correctiv vor, mit Methoden eines „Geheimdienstes“ zur arbeiten, die „hochkriminell“ seien. Tatsächlich ist es so, dass das deutsche Medienrecht selbstverständlich Aufnahmen mit versteckter Kamera erlaubt, wenn „großes öffentliche Informationsinteresse“ besteht. Dies ist seit Jahrzehnten auch bei Recherchen in der rechtsextremen Szene ein absolut gängiges Mittel des investigativen Journalismus. Gedeckt durch das verfassungsmäßig abgesicherte Grundrecht auf Pressefreiheit.

Die AfD versuche, mit dieser Art der Kommunikation „abzulenken“, erklärte Holger Marcks, Ko-Leiter der Forschungsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft „Gegen Hass im Netz“ dem ZDF. Das habe die Partei schon nach der Festnahme der Reichsbürgergruppe „Reuß“ im Dezember 2022 angewandt. Zwar sehe er in der AfD „keinen einheitlichen Plan“, was die Umsetzung solcher von Sellner geschilderter Pläne angeht. Der völkische Flügel um den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke gewinne aber zunehmend an Einfluss. Und der propagiere „seit jeher die Wiederherstellung eines ethnisch homogenen Staats“. Höcke, den man gerichtsfest einen Faschisten nennen darf, schrieb bereits vor fünf Jahren von „wohltemperierter Grausamkeit“, die auf dem Weg dorthin anzuwenden sei.

Teile der Jungen Alternativen fordern offenes Bekenntnis zu Sellners Deportationsplan

Maßgebliche Akteure der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) forderten in den letzten Tagen von der Parteiführung ein offenes Bekenntis zu Sellners Plänen ein, berichtete das ZDF. Dazu gehörten auch Landesvorstandsmitglieder. In mehreren Bundesländern ist die JA bereits als „gesichert rechtsextrem“ im Visier des Verfassungsschutzes. Nach den Landtagswahlen im Oktober wurden einige junge, besonders offen rechtsradikale Abgeordnete in die Parlamente gespült. Unter anderen gehört der bayerische Landtagsabgeordnete Daniel Halemba, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen läuft, zu ihnen. (kb)

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