„Es ist 5 nach 12": Diese Waffen hat Deutschland gegen Drohnen - und welche es braucht

  • Im Video oben: Mit Drohnen-Operationen verfolgt Russland drei Ziele - und will von etwas ablenken

In den letzten Monaten häufen sich in Deutschland die Sichtungen von Drohnen über militärischen Anlagen und kritischer Infrastruktur – zuletzt über dem Flughafen in München. Die Spannbreite möglicher Hintergründe ist groß: nicht nur harmlose Hobbypiloten, sondern auch „Low-Level-Agenten“ — also von ausländischen Diensten angeworbene Privatpersonen — oder gezielte Spionageaktionen mutmaßlicher russischer Herkunft werden diskutiert. Am Samstag hieß es in einem Geheimbericht gar, dass bei den Vorfällen am Airport militärische Aufklärungsdrohnen genutzt worden seien.

Rheinmetall-Chef : „Bei der Drohnenabwehr kommt es auf eine schnelle Reaktion an"

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) warnte kürzlich im „Spiegel“ vor einer gezielten Verunsicherung durch Russland: „Es ist klar, dass die Drohnenüberflüge in verschiedenen EU-Staaten, Deutschland und bei uns in Schleswig-Holstein in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem der Verunsicherung und Destabilisierung dienen sollen. Genauso wie Desinformationen im Internet, Spionage- und Sabotageversuche, sind sie das Mittel der hybriden Kriegsführung.“

Angesichts dieser Bedrohung wächst der Druck auf die Politik: Hersteller wie Rheinmetall pochen auf schnellere Beschaffungen von Abwehrsystemen und klare Einsatzregeln. „Bei der Drohnenabwehr kommt es auf eine schnelle Reaktion an. Ziele müssten schnell erkannt, bewertet und bekämpft werden – angepasst an zivile oder militärische Einsätze“, sagte Rheinmetall-Chef Armin Papperger der "Bild".

In Bayern forderte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bereits, Drohnen künftig abschießen zu lassen, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant laut Medienberichten ähnliche Befugnisse bundesweit. Die Debatte entzündet sich jedoch an einem Grundsatzproblem: Wie kann man Flugobjekte über dicht besiedelten Gebieten wirkungsvoll unschädlich machen? Und hat Deutschland überhaupt die Mittel dazu?

Welche Optionen zur Abwehr gibt es — und wie praktikabel sind sie?

Experten, Industrie und Militär nennen eine Palette technischer Mittel, die je nach Szenario sinnvoll oder problematisch sein können:

1. Erkennung (Radar, Kameras, Funksignale): 

Zuerst muss eine Drohne überhaupt erkannt werden. Systeme wie das am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (IKIE) entwickelte IDAS-PRO setzen Radar, optische Kameras und die Auswertung von Funksignalen ein, um Bedrohungen zu identifizieren.

Um die Drohne dann genauer einzuordnen, helfen Bilder und Künstliche Intelligenz weiter, erklärt Hans Peter Stuch vom Fraunhofer-Institut im „Deutschlandfunk“. So kann festgestellt werden, ob es sich zum Beispiel um eine harmlose Hobby-Drohne, oder um feindliche Geräte handelt. Und ob die Drohne noch zusätzliche Ladung transportiert, beispielsweise Sprengstoff.

2. Störsender (Jammer) und Spoofing:

Ist die Drohne erstmal erkannt, lassen sich ihre Funksignale durch sogenannte Jammer, also Störsender, unterbrechen. Dadurch wird sie zur Landung oder zum Absturz gezwungen. 

Mit dem sogenannten Spoofing kann man außerdem die Steuerung einer Drohne übernehmen. Beides funktioniert aber eher bei kleinen, einfachen Drohnen – und nicht bei militärischen Systemen. 

Laut „Bild“-Informationen besitzt die Bundeswehr bereits zahlreiche Störsender. Diese seien aber nicht großflächig im Einsatz. Der IT-Sicherheitsberater Manuel Atug forderte deswegen im „Deutschlandfunk“: „Wir bräuchten Jammer und auch Menschen, die das bedienen können, an allen Flughäfen, an allen kritischen Infrastrukturen in Deutschland und auch an allen Militärstützpunkten.“ 

3.Interceptor-Drohnen / Netz-Drohnen: 

Drohnen, die ein Netz über die Ziel-Drohne werfen und sie kontrolliert zu Boden bringen, gelten als vergleichsweise sichere Lösung — es entstehen keine unkontrollierten Trümmerteile. Die Bundeswehr hat laut „Bild“-Recherchen bereits zahlreiche solcher Netz-Drohnen bestellt.

4. Abfangdrohnen: 

Die Ukraine setzt bereits auf Abfangdrohnen, die vergleichsweise preiswert sind  und hohe Geschwindigkeiten (über 200 km/h ) erreichen. Rüstungsexperten kritisieren aber die derzeit begrenzte Produktionskapazität bei Herstellern kleiner Abfangsysteme. 

Eine Analyse der „Süddeutschen Zeitung“ deutet an, dass sich die großen deutschen Rüstungsunternehmen bislang vor allem auf Aufklärungs- und Kampfdrohnen konzentriert hätten. „Eigentlich bräuchten wir Massen an Abwehrdrohnen, die preislich auf dem gleichen Niveau liegen wie die Drohnen, die wir abschießen wollen“, so Rüstungsexperte für Luftfahrt und Verteidigung Michael Santo in der „Süddeutschen Zeitung“. 

Drohnen-Expertin Ulrike Franke empfiehlt gegenüber der „Deutschen Welle", sich die Ukraine zum Vorbild zu nehmen: „Es ist absolut klar, dass die Nato-Staaten auf die Ukraine schauen und von der Ukraine lernen müssen, was die Fähigkeit betrifft, Drohnen schnell einzusetzen, herzustellen und zu modifizieren." Das gleiche gelte für die Abwehr von Drohnen. 

Kinetische Abwehr (Abschuss): 

Das Abschießen per konventioneller Munition oder mit Raketen ist effektiv, aber riskant — fallende Trümmer können in bewohnten Gebieten Schaden anrichten. Zudem ist es teuer: Die Abfangraketen, die einF-35-Kampfjet verschießt, kosten hunderttausende Euro, plus Stundeneinsatz des Fliegers, so Rüstungsexperte Santo. Kaum sinnvoll, um eine Drohne auszuschalten, die nur ein paar 10.000 Euro kostet.

Als Alternative nennt Santo das Boden-Luft-System Skyranger. Dieses sei zwar „günstiger als die F-35-Lösung“, erfülle aber noch nicht die Kostenanforderungen, wenn man die benötigten Stückzahlen bedenke, so der Experte in der „SZ". Neunzehn Skyranger hat die Bundeswehr laut „Deutscher Welle“ bisher bestellt, die aber erst ab 2027 geliefert werden können.

Industrie fordert schnelles, koordiniertes Vorgehen 

Ein zentraler Engpass ist nicht nur die Technologie, sondern auch die rechtliche und organisatorische Basis. Industrieverbände und Hersteller fordern raschere Regelungen: „Es ist 5 nach 12: Die illegalen Drohnenüberflüge bedrohen zunehmend unsere nationale Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität“, warnte eine Sprecherin des Bundesverbands der Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). 

Sowohl BDLI als auch der Verband UAV DACH betonen, dass Unternehmen und Behörden bislang an rechtlicher Sicherheit für aktive Abwehrmaßnahmen fehlen — etwa für den Einsatz von Störsendern durch Betreiber, für das Aufspüren privater Drohnenbetreiber oder für Abschussregeln.