Der in Wolfratshausen festgenommene Ex-Soldat Julian V. hat nach Feststellung des Oberlandesgerichts eine terroristische Vereinigung unterstützt. Nun gibt‘s ein Urteil.
Wolfratshausen/München – Im Morgengrauen des 10. Oktober vergangenen Jahres klickten in der Wolfratshauser Altstadt die Handschellen. Spezialkräfte der bayerischen Polizei nahmen einen Ex-Soldaten fest. Der Vorwurf: Er soll als Mitglied einer terroristischen Vereinigung an der geplanten Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beteiligt gewesen sein (wir berichteten). Nun hat der 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München den 42-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.
„Kaiserreichsgruppe“ plante Umsturz in drei Phasen
Julian V. machte in Sozialen Netzwerken aus seiner rechtsextremen Gesinnung kein Geheimnis: „Meine Ehre heißt Treue“ sei sein Lieblingszitat, schwadronierte er auf seiner Facebookseite – der Wahlspruch der nationalsozialistischen „Schutzstaffel“ (SS). Die Verwendung dieser Losung ist in Deutschland verboten.
Der Strafsenat unter Vorsitz von Philipp Stoll kam nach der 21-tägigen Hauptverhandlung zu der Feststellung, dass der von der Generalstaatsanwaltschaft in München (Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus) angeklagte 42-Jährige die sogenannte Kaiserreichsgruppe unterstützt habe. Dies sei eine Gruppe von Menschen aus verschiedenen „sozialen Biotopen“ wie Prepper, Verschwörungsgläubige, sogenannte Reichsbürger und Corona-Leugner, die einen Umsturz geplant hätten, erläutert Dr. Laurent Lafleur, Leiter der Pressestelle für Strafsachen. Ziel der Vereinigung war ein Regierungssystem nach dem Vorbild des Deutschen Kaiserreichs von 1871.
Pläne waren „zugleich naiv und brandgefährlich“
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Die Pläne und Vorstellungen der Kaiserreichsgruppe seien „zugleich naiv und brandgefährlich“ gewesen. In einer „ersten Phase“ sollte Gesundheitsminister Lauterbach entführt werden. Anschließend habe eine „Reichsversammlung“ organisiert werden sollen („Phase 2“), bevor in einer „dritten Phase“ ein mindestens zweiwöchiger Blackout geplant gewesen sei. Der hätte schon nach wenigen Tagen zahlreiche Todesopfer gefordert. Lafleur: „Die Bevölkerung sollte auf sich selbst gestellt sein. Reaktions- und Verteidigungsmöglichkeit der Behörden der Bundesrepublik sollten eingeschränkt werden.“
Der in Wolfratshausen festgenommene Mann habe der Gruppierung gegenüber angegeben, dass er von einem Waffenlager in Ex-Jugoslawien wisse, in dem über zehn Tonnen Waffen und Munition gelagert seien. Er habe angeboten, nachzuschauen, ob sie sich noch dort befinden. Zudem habe Julian V. ein Treffen im Allgäu zur Rekrutierung weiterer Mitstreiter organisiert. Zuletzt habe er zugesagt, bei der Durchführung der „Phase 2“ unterstützend tätig zu werden.
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Umsetzung des Vorhabens hätte zu „nationaler Katastrophe“ geführt
Der Senat stützte seine Feststellungen auf die umfangreichen Angaben eines verdeckten Ermittlers sowie auf abgehörte Telefonate, zahlreiche Chats und insbesondere das Geständnis des Angeklagten. Der Vorsitzende Richter Stoll wies in dem Kontaxt darauf hin, dass das Vorhaben der Kaiserreichsgruppe von Anfang an unter polizeilicher Beobachtung gestanden habe. Juristisch wertete der Senat die Handlungen des Angeklagten als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
Bei der Strafzumessung berücksichtigte der Senat insbesondere, dass die Gruppierung nicht sehr professionell agiert habe. Zudem sei die konkrete Gefahr angesichts der polizeilichen Beobachtung und des Umstandes, dass die Gruppe keine Waffen, Sprengstoff und nur auch verhältnismäßig wenig Geld zur Verfügung gehabt habe, eher gering gewesen. Mittlerweile ist die Kaiserreichsgruppe zerschlagen. Zugleich hielt das Gericht aber fest, dass die Umsetzung des Vorhabens zu einer „nationalen Katastrophe“ geführt hätte. Entscheidend zugunsten des Angeklagten wirkte sich aus, dass er nicht nicht vorbestraft ist und geständig war..
42-Jähriger muss gemeinnützige Arbeit leisten
Vor diesem Hintergrund setzte der Senat die Strafe zur Bewährung aus. Die Bewährungsauflagen: Julian V. muss an einer ambulante Alkoholberatung oder Therapie teilnehmen, er muss sich um einen sozialversicherungspflichtigen Job bemühen und bis dahin gemeinnützige Arbeit leisten. Den gegen den 42-Jährigen bestehenden Haftbefehl hob der Senat nach fast einjähriger Untersuchungshaft auf.
Das Urteil ist nicht noch rechtskräftig. Die Verteidigung und die Generalstaatsanwaltschaft können Revision beim Bundesgerichtshof beantragen. cce