Vom Schandfleck zur „Grieserie“: Johannes Becher rettet 500 Jahre altes Haus - Nun hat er große Pläne

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Johannes Becher hat in Moosburg ein spätmittelalterliches Haus, das einsturzgefährdet war, denkmalschutzgerecht saniert. Nun will er das Gebäude für die Allgemeinheit zugänglich machen. © Fotos: Forster/privat

Ein 500 Jahre altes denkmalgeschütztes, einsturzgefährdetes Haus sanieren? Mancher hielt Johannes Becher für verrückt. Nun ist es geschafft. Und alle sollen profitieren.

Moosburg – Jemand, der die letzten drei Jahre auf Reisen war und nach Moosburg heimkehrt, der wird sich an der Leinbergerstraße 2 ungläubig die Augen reiben: Wie bloß wurde aus jener zugewucherten Bruchbude, die ein Gerüst und vielleicht auch der Efeu gerade noch so zusammengehalten haben, dieses hübsche Giebelhaus mit blütenweißer Fassade?

Der Mann, der das beantworten kann, sitzt drinnen im Erdgeschoß, in der Stube. Johannes Becher, 35, Stadtrat und Fraktionsvize der Grünen im Landtag, lächelt zufrieden. Denn er hat sich ein Lebensziel erfüllt: „In der komplett einsturzgefährdeten Ruine hab’ ich damals davon geträumt, dass es ungefähr so schön wird wie jetzt. Wobei, es ist eigentlich noch besser geworden.“

Räume in saniertem Haus in Moosburg
Im Dachgeschoß und Obergeschoß befinden sich auf 132 Quadratmetern Wohnräume, die nun vermietet werden. © Forster

Um ihn herum riecht es nach der frischen Wandfarbe und dem neuen Mobiliar, während Becher noch einmal zurückerinnert an die Anfänge. Als er das im Kern spätmittelalterliche „Hudler-Haus“ am Gries kaufen wollte, nachdem es zuvor 40 Jahre verfallen war und keiner sich getraut hatte, es herzurichten. „Mein erster Anruf war beim Landesamt für Denkmalpflege: Ich würde gerne ein Haus retten, würden Sie mir helfen?“ Es folgten noch unzählige Telefonate – und dann die Erkenntnis: „In der Regel sitzen da Menschen, die auch ein Interesse haben, dass es gut wird“, sagt Becher.

Penible Transparenz, böse Überraschungen

Dass sich jemand dieses Schandflecks annimmt, das wurde auch im örtlichen Stadtrat begrüßt. Dort stimmten parteiübergreifend alle dafür, das Projekt im Rahmen der Städtebauförderung mit 200.000 Euro zu unterstützen. Becher, selbst Teil des Gremiums, enthielt sich damals. Weil er das Haus zwar als Privatperson kaufte und sanierte, ihm als Politiker aber Transparenz wichtig war, hat er penibel alle weiteren Zuschüsse wie auch den gesamten Projektverlauf auf hausamgries.de veröffentlicht. „Alles ist nach Förderrichtlinien erfolgt, die jeder Ottonormalbürger nutzen kann. Der Jurist in mir hat aber sicher geholfen, an der ein oder anderen Stelle die Ruhe zu bewahren.“ Weil in Sachen Finanzierung, Förderung, Gutachten und Bürokratie einfach enorm viel gleichzeitig eingeprasselt sei.

Auf die Frage, ob es böse Überraschungen bei der Sanierung gegeben habe, zählt Becher ironisch auf: „Außer den Rissen im Haus, durch die wir ein paar Quadratmeter Mauer verloren haben? Außer, dass das Gewölbe fast eingefallen wär? Außer, dass wir zum Schluss noch ein bisschen Hausschwamm gehabt haben? Außer, dass sich die Kosten bei einzelnen Gewerken teilweise verdoppelt und verdreifacht haben?“ Am Ende werde ihn das Projekt zwei Millionen Euro kosten. Etwas über 700.000 Euro gebe es insgesamt an Zuschüssen. Becher: „Ohne die würde so ein Projekt nicht gehen.“

marode Balken und Wände in altem Haus in Moosburg
Die Bausubstanz in dem 500 Jahre alten Haus war eine Herausforderung für den Bauherrn. © privat

Gleichzeitig hatte der Bauherr auch Glück: etwa, weil Archäologen bei Probebohrungen keine großen Funde gemacht haben. Das hätte das Einbringen der 29 Mikropfähle, die das neue Fundament stützen, extrem in die Länge gezogen und verteuert. Und Johannes Becher hatte ein glückliches Händchen bei der Auswahl der an Planung und Bau beteiligten Firmen und Personen, die die Fülle an Herausforderungen gemeistert und gute Arbeit abgeliefert haben. Vieles im und am Haus, das nach pragmatischen Lösungen verlangt hat und nun zum Charme beiträgt, ist den strengen Vorgaben des Denkmalschutzes geschuldet – und war meist nicht billig. An anderer Stelle wurden ganz freiwillig „Fenster“ in die Vergangenheit eingebaut: Manche Wände sind bewusst nur zum Teil neu verputzt und gestrichen, daneben schimmern Farbreste der letzten 300 Jahre hervor.

Dass bei aller Historie dennoch auch die Zukunft Einzug hält, beweist neben der Wärmepumpe im Kriechkeller eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die erzielt zwar wegen ihres Ziegel-Farbtons einen nicht so ganz hohen Wirkungsgrad wie das übliche Schwarz, fügt sich dafür aber ins Erscheinungsbild ein – und laut Denkmalamt wurde sie bereits bei anderen Bauwerbern zum beliebten Fotoobjekt und somit zum möglichen Präzedenzfall.

Große Pläne zur Belebung des Hauses

Nun, da die Sanierung geschafft ist, bleibt die Frage: Was passiert im Inneren? Auch dafür hatte Becher von Anfang an Visionen.

Was davon nichts wurde, sind seine Pläne, im Ober- und Dachgeschoß selbst einzuziehen. Zum einen habe sich sein Leben und die Familiensituation verändert, sagt der 35-Jährige. „Zum anderen ist das Projekt sehr öffentlich, und nachdem im letzten Wahlkampf auch Morddrohungen gekommen sind, muss man sich inzwischen als Politiker überlegen, ob unbedingt jeder Mensch wissen soll, wo man wohnt.“ Daher will er die etwa 130 Quadratmeter im oberen Teil vermieten. An privat, oder vielleicht – und das wäre für den in Familien- und Sozialpolitik engagierten Abgeordneten noch das Sahnehäubchen – an eine Tagesmutter. „In der Wohnung darf man fünf Betreuungsplätze schaffen. Damit wäre das Projekt so richtig rund.“

Erst einmal fokussiert sich Becher jedoch auf den anderen Teil, der bereits konkrete Formen annimmt, und für den jetzt Unterstützer ins Boot geholt werden sollen: Im Erdgeschoß wird gerade unter dem Titel „Grieserie“ ein sozialer Treffpunkt für Jung und Alt etabliert. Die Stube und Teeküche möchte Becher auch Vereinen oder kleinen Gruppen als Ort der Zusammenkunft anbieten. Außerdem soll an den Wänden Platz für Kunstwerke geschaffen und das Parterre so zur Galerie werden. Dazu passend kann sich Becher im Garten zwischen Ahorn und Holler ruhige Veranstaltungen vorstellen, etwa Lesungen. Parallel ist ebenerdig auch noch Platz für eine Bürogemeinschaft, deren Mieter aus den Bereichen Mediation, Coaching und Beratung sowie Kommunikationsdesign bereits gefunden sind. Alles in allem soll die Grieserie „zu einem sozialeren, ökologischeren und humanitären Moosburg“ beitragen, so Johannes Bechers Wunsch.

Alte und neue Rückseite der Moosburger Grieserie
Links: Verwildert ging es bis 2021 auch auf der Rückseite des rund 40 Jahre leer stehenden Stadthauses zu. Rechts: Ein Balkon im Stil einer mittelalterlichen Altane prägt nun die Fassade in Richtung Moosburgs Stadtmauer. © privat/Forster

Den Treffpunkt betreibt künftig der erfolgreiche Sozialverein Tante Emma e.V., dessen Gründer und Vorsitzender Becher ist. „Die Räume dafür werden mietfrei überlassen“, erklärt der Hausherr. „Dieser Ort wird kein Café und keine Gastronomie mit Bewirtung oder Konsumzwang. Die Teeküche bietet Kaffee, Kuchen und Getränke. Die Refinanzierung läuft über Spenden.“

Jetzt werden Helfer für das Projekt gesucht

Bislang betreuen das Projekt noch federführend er und Renate Pongratz. „Es kann aber nur gelingen, wenn sich eine Gruppe Aktiver findet“, sagt Becher. Daher ist für Mittwoch, 21. Februar, um 19.30 Uhr ein erstes Aktiventreffen geplant. Für die Bewerbung der Veranstaltungen und den Betrieb der Begegnungsstätte werde Tante Emma ein Budget von 2000 Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Den Treffpunkt in Stube und Garten will man künftig montags und samstags von 14 bis 17 Uhr öffnen. „Es sind Kooperationen mit allen denkbar, die ein Miteinander möchten: vom Eine-Welt-Laden über das Jugendparlament, den Seniorenbeirat, Kirchen oder Vereine bis zu den Nachbarn am Gries. Vielleicht auch sogar mit der Stadt“, so Becher.

In Summe ist es also der Gegenentwurf von dem, was dem Moosburger hinter vorgehaltener Hand schon vorgeworfen wurde: „Ich hab’ gehört, dass ich mir mit dem Haus eine goldene Nase verdienen will. Wie das gehen soll, wenn man gut eine Million investiert und 18.000 Euro an gedeckelten Mieteinnahmen hat?“ Johannes Becher sitzt in der Stube seines Hauses und lacht: „Bislang hat’s mir noch nie jemand vorrechnen können.“

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