Wollen Irans Mullahs erst recht die Atombombe? Experte warnt vor Dominoeffekt

Die Angriffe Israels auf iranische Nuklearanlagen begründet die Regierung von Benjamin Netanjahu damit, dass Iran bald im Besitz der Atombombe sei. 

Nahost-Experte Cornelius Adebahr relativiert diese Bedrohung im Gespräch mit FOCUS online: "Ein US-Geheimdienstbericht vom März hatte den Schluss nahegelegt, dass die Iraner diese Entscheidung, eine Bombe zu bauen, noch nicht einmal getroffen hatten."

Vielmehr habe Teheran lediglich seine Optionen offengehalten – etwa durch Urananreicherung und Entwicklung von Trägersystemen. Die Bedrohung sei also nicht akut gewesen, so Adebahr. 

Auch Premierminister Netanjahu habe nur spekulativ von einem möglichen Bombenbesitz in "einigen Monaten oder vielleicht in einem Jahr" gesprochen. Der Angriff erfolgte damit deutlich "vor der realen oder akuten Bedrohung", so Adebahr. 

Ob der Iran eine Atombombe überhaupt einsetzen würde, sei zudem fraglich. "Bei Atomwaffen geht es in der Regel um Abschreckung", betonte Adebahr. 

Ein aktiver Einsatz widerspreche gängiger Nuklear-Doktrin. "Man müsste dem islamischen Regime unterstellen, dass sie die Bombe dann auch aktiv einsetzen würden – das kann man nie ausschließen, aber es wäre äußerst untypisch."

Iran und die Atombombe: Jetzt erst recht?

Gerade das Fehlen einer solchen Abschreckung könnte in Teheran nun zu einem Umdenken führen. "Das ist sicher ein Kalkül, was jetzt angestellt wird: Hätten wir diese Waffe gehabt, hätte Israel uns nicht angreifen können."

Ein solcher Schluss könnte Iran erst recht zum Bau der Bombe bewegen – und andere Staaten mitziehen. 

"Saudi-Arabien hat schon immer angekündigt, dass es die Bombe erwerben werde in dem Moment, wo Iran das tut. Die Türkei sagt Ähnliches."

Nahost-Experte befürchtet Dominoeffekt

Auch wenn Anlagen wie Natanz zerstört wurden, bleibe das Grundproblem bestehen: "Dieses Wissen über nukleare Fähigkeiten – das kann man nicht wegbomben." Die technischen Rückschläge könnten den Iran höchstens zurückwerfen– nicht dauerhaft stoppen.

Die Folge: "Wenn hier tatsächlich erreicht werden sollte, dass Iran die Atombombe nicht bekommen kann, kann es gleichzeitig sein, dass wir global eine Erschütterung des Nichtverbreitungsregimes erleben."

Der Westen, insbesondere Israel, könnte also mit seinem Vorgehen ungewollt einen atomaren Dominoeffekt in der Region auslösen.