„Rückkehr ins Leben ist 1000-mal schwerer“: Tölzer Multi-Unternehmer (57) spricht über seinen Schlaganfall
Peter Frech ist in Bad Tölz als Inhaber zweier Unternehmen und als Gastronom bekannt, immer einsatzbereit, immer Herr der Lage. Zum „Tag gegen den Schlaganfall“ erzählt der 57-Jährige seine Geschichte.
Bad Tölz – Es gibt zwei Zeitrechnungen für Peter Frech. Die vor dem 5. Dezember 2023, als drei Jobs gleichzeitig kein Problem waren, jederzeit einsatzbereit, immer sofort da, immer Herr der Lage. Wenig Schlaf? Kein Problem. Und dann gibt es die Zeit nach jenem Tag, in der einfache Dinge zu einer Herausforderung wurden. Reden, stehen, gehen – alles war schwierig bis unmöglich. 270.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland einen Schlaganfall, Peter Frech ist einer davon. Seine Geschichte zum heutigen Tag gegen den Schlaganfall.
Ich wollte aufstehen, aber mir war total schwindlig.
Der Tölzer ist einer, den nichts so leicht umhaut. Er ist Stress gewohnt. Er hat eine Baufirma und ein Sicherheitsunternehmen, das bei großen Konzertveranstaltungen zum Einsatz kommt, aber auch Asylunterkünfte in mehreren Landkreisen betreut. Daneben ist Frech in der Gastronomie aktiv, betreibt unter anderem das „Jailhouse“ mit und beteiligt sich an der Entwicklung des Moraltareals.
An jenem 5. Dezember klingelte wie so oft um 6.15 Uhr der Wecker. „Ich wollte aufstehen, aber mir war total schwindlig“, erinnert er sich. Auf den Beinen zu bleiben, war unmöglich. „Ich bin zweimal mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen.“ Er habe jemanden anrufen wollen, „aber ich konnte die Zahlen auf meinem Handy nicht mehr lesen“. Frechs Glück war, dass seine Lebensgefährtin bei ihm war. Sie rief sofort den Notarzt.
Von den beiden Tagen nach dem Schlaganfall weiß Peter Frech nicht mehr viel
„Ich hatte kein Zeitgefühl mehr, aber die waren wirklich schnell da“, sagt der 57-Jährige. 40 Minuten wurde er vor Ort behandelt. „Ich habe schon alles gehört und auch irgendwie mitbekommen, beispielsweise sollte ich immer wieder die Hand des Arztes drücken“, erinnert er sich. Dann wurde Frech in die Tölzer Asklepios-Klinik und die dortige Stroke Unit gebracht. Die Diagnose: Kleinhirn-Schlaganfall.
Von den beiden Tagen danach weiß Peter Frech nicht mehr viel. „Am dritten Tag habe ich die Augen aufgemacht, hab mich auf die Seite gedreht, und mir war wieder wahnsinnig schwindlig. Dann wollte ich aufstehen – und es ist einfach gar nichts gegangen.“
Immer wieder versuchte er, sich aufzusetzen, aufzustehen, ein, zwei Schritte zu gehen. „Aber meine Füße haben einfach nicht funktioniert. Das war schockierend.“
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Am Anfang fiel alles schwer – auch das Sprechen
Fünf Tage nach dem Schlaganfall begann Frech mit der Reha in der Heilbrunner Fachklinik. „Das war für mich das Beste, was mir passieren konnte – wobei auch die Betreuung im Krankenhaus super war.“ Vor den Mitarbeitern in Heilbrunn „kann ich nur den Hut ziehen. Die sind hoch motiviert und zu allen unglaublich nett.“
Am Anfang fiel ihm alles schwer – auch das Sprechen. „Ich habe immer noch manchmal Wortfindungsschwierigkeiten.“ Gehen war nach wie vor ein Problem – vor allem im Dunkeln. „Je schlechter das Licht wird, desto mehr muss ich mich konzentrieren“, sagt er. Das fuchst ihn. „In der Reha hab’ ich mir den Wecker auf 2 und 4 Uhr gestellt, um das Gehen zu üben“, sagt er. Das sorgte nicht unbedingt für Freude bei den Pflegenden, wenn sie ihn wieder mal mitten in der Nacht auf dem Gang entdeckten. „Mein Problem ist einfach: Ich habe ganz viel Ehrgeiz und ganz wenig Geduld.“ Die nächtlichen Geh-Übungen macht er übrigens immer noch.
Zwei Monate war Frech in der Fachklinik. Er stieg Treppen, steckte den Muskelkater nach der Wassertherapie weg, warf Bälle, Tücher und Reifen, um seine Koordination zu trainieren und sein Gehirn wieder dazu zu bringen, richtig zu funktionieren. „Der Schlaganfall war schlimm, die Reha schwer. Aber 1000-mal schwerer ist das Rauskommen, die Rückkehr ins Leben“, sagt er.
Mein Problem ist einfach: Ich habe ganz viel Ehrgeiz und ganz wenig Geduld.
Gerade für ihn sei es schwierig gewesen zu akzeptieren, in manchen Bereichen auf Hilfe angewiesen zu sein. „Man ist nicht mehr der, der man war, sondern plötzlich einer, auf den man schauen muss“, sagt er.
Möglicherweise sei das auch für sein Umfeld gar nicht so leicht zu verstehen, glaubt er. Es sei für ihn auch nicht einfach gewesen, Verantwortung und Arbeit abzugeben. Dabei sei er natürlich froh, dass die Firmen problemlos weiterliefen. „Dafür bin ich unendlich dankbar. Aber irgendwie habe ich mich auch überflüssig gefühlt.“
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Gerade war er zum ersten Mal nach 19 Jahren im Urlaub – in Dubai zusammen mit seinem Bruder. „Er hat sich vermutlich mehr Sorgen um mich gemacht als ich“, sagt Frech. Er fand die Stadt faszinierend. „Aber diese vielen Eindrücke, das war schwer zu verarbeiten.“
Einen Gang zurückschalten – das ist keine Option
Das Gefühl kennt er aus dem Alltag. „Einkaufen gehen ist schwierig.“ Menschen, Geräusche, dazu den Wagen schieben – „zu viele Eindrücke sind anstrengend“, sagt Frech. Auch das Schwindelgefühl ist geblieben. Ob das irgendwann besser wird, kann ihm keiner sicher sagen.
Angst vor einem zweiten Schlaganfall hat er eigentlich nicht. Vielmehr versucht Frech immer noch zu verstehen, was ihm da eigentlich passiert ist und warum einiges nicht mehr so funktioniert wie früher. Einen Gang zurückzuschalten – das sei eigentlich keine Option, sagt Frech. All seine Jobs würden ihm schließlich Spaß machen. Nur Nachtschicht mache er nicht mehr. „Und ich versuche, mich gesünder zu ernähren. Gemüse und Salat kam bei mir früher eher nicht so vor.“ (va)