„Am Neubau führt kein Weg vorbei“

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Im Landkreis gibt es zu wenige neue Wohnungen. Und die bestehenden Wohnhäuser kommen in die Jahre. © hi

Im Landkreis müssten pro Jahr 980 Wohnungen gebaut werden, stattdessen ging die Zahl der Baugenehmigungen um 27 Prozent zurück.

Bis 2028 braucht der Landkreis Dachau den Neubau von rund 980 Wohnungen – und zwar pro Jahr. Diese Wohnungsbau-Prognose für die kommenden vier Jahre hat das Pestel-Institut aus dem niedersächsischen Sarstedt in einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt ermittelt. Das Forschungsinstitut unterstützt seit Jahrzehnten Kommunen, Unternehmen und Verbände mit seinen Analysen in den Themenbereichen Regionalwirtschaft, Wohnungsmärkte, Demographie und Kommunalentwicklung.

Zur Lage des Wohnungsmarkts im Landkreis stellte Matthias Günther vom Pestel-Institut fest: „Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen im Landkreis Dachau aktuell rund 1560 Wohnungen – abzubauen: aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen. Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt.“

Nur noch 257 Baugenehmigungen

Der Wissenschaftler erwartet, dass das Baupensum allerdings zurückgeht: Günther spricht von einem „lahmenden Wohnungsneubau, dem mehr und mehr die Luft ausgeht“. So gab es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nach Angaben des Pestel-Instituts im ganzen Landkreis Dachau lediglich für 257 neue Wohnungen eine Baugenehmigung.

Zum Vergleich: In 2023 waren es im gleichen Zeitraum immerhin noch 352 Baugenehmigungen. „Damit ist die Bereitschaft, im Kreis Dachau neuen Wohnraum zu schaffen, innerhalb von nur einem Jahr um 27 Prozent zurückgegangen“, so Günther.

Zahl der Leerstände ändert nichts

Am Wohnungsbedarf im Kreis Dachau ändere auch die Zahl leerstehender Wohnungen nichts: Der aktuelle Zensus registrierte für den Landkreis Dachau immerhin rund 1990 Wohnungen, die nicht genutzt werden. Das sind laut Pestel-Institut 2,8 Prozent vom gesamten Wohnungsbestand im Landkreis. Ein Großteil davon – nämlich rund 1030 Wohnungen – stehe jedoch schon seit einem Jahr oder länger leer. „Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Günther.

Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig. Rund 3 Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, so Günther, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können. Und natürlich, um Sanierungen machen zu können.

Allerdings halten sich viele Hauseigentümer nach Beobachtungen des Pestel-Instituts gerade mit einer Sanierung zurück: „Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts. Außerdem hapere es bei vielen auch am nötigen Geld für eine Sanierung.

Erbstreitigkeiten und Scheu vor Mietern

Weitere Gründe, warum leerstehende Wohnungen nicht vermietet werden: Immer wieder komme bei Erbstreitigkeiten kein Mietvertrag zustande. Und oft scheuten sich Hauseigentümer auch, sich einen Mieter ins eigene Haus zu holen. Für Günther. Für ihn steht deshalb fest: „Am Neubau von Wohnungen führt daher auch im Kreis Dachau kein Weg vorbei!“

Das Pestel-Institut hatte diese Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsidentin Katharina Metzger macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leerstehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei.“ Sie erteilt damit der Aufforderung von Klara Geywitz (SPD) eine klare Absage: Die Bundesbauministerin hatte zuletzt den Menschen, die eine Wohnung suchen, geraten, aufs Land zu ziehen.

Um voranzukommen, fordert Metzger, die Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben.

Scharfe Kritik richtet Metzger an den Bund: „Es passiert zu wenig. Wer 400 000 Neubauwohnungen – darunter 100 000 neu gebaute Sozialwohnungen – im Wahlkampf verspricht und im Koalitionsvertrag festschreibt, der darf nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wach werden.“ Ohne eine deutlich stärkere staatliche Unterstützung würden weder der notwendige Neubau noch die Sanierungen von Wohnungen im erforderlichen Umfang gelingen.

Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche „einen regelrechten Absturz“. Viele Unternehmen hätten bereits Kapazitäten abbauen müssen. „Die Neubau-Zahlen gehen in den Keller.“ Eine Entlassungs- und Insolvenzwelle rolle. Der Bau verliere Beschäftigte – darunter gute Fachkräfte. Für Metzger ist dies „das Letzte, was sich Deutschland jetzt erlauben darf“.

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