Beim Spazieren Gedanken aktivieren - Demenspaziergang in Landsberg
Wer an Demenz leidet, wird bei Stadtführungen schnell abschalten. Zu viel Input, zu wenig direkte Ansprache. Bei den Stadtführungen für Menschen mit Demenz von Doris Kettner ist das anders. Sie wählt kurze Wege. Und eine ganz spezielle Sicht auf die Stadt Landsberg.
Landsberg – Die kleine Gruppe trifft sich vor dem Landratsamt. Mit dabei sind Personen, deren Bekannte, Freunde oder Verwandte an Demenz erkrankt sind. Sie suchen Hilfe und Inspiration: Wie gehe ich mit dementen Menschen um? Andere leiden selbst unter den Folgen dieses Krankheitsbildes. Und erhoffen sich von Kettners besonderer Stadtführung eine Aktivierung – und ein gemeinsames Erleben.
Landkreiskampagne „Demenz und wir“: Stadtführung in Landsberg mit viel Interaktion
Dass es hier etwas anders zugeht, zeigt sich schnell. Doris Kettner, Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft Lechrain, stellt viele Fragen: Was trägt die Skulptur des Vater Lechs? Was ist der Unterschied zwischen Rot- und Weißgerbern? Sie spricht die Erkrankten dabei immer direkt mit Namen an. Und vermeidet Zahlenungetüme. Nur ab und zu fällt eine Jahreszahl. Es geht aber vielmehr um Geschichten, Anekdoten. „Ich will die an Demenz erkrankten Menschen aktivieren“, sagt Kettner. Mit vielen Fragen, viel Kommunikation. Wobei sie die an Demenz erkrankten Menschen auch auf Stufen oder sonstige Hindernisse direkt hinweist. „Da muss dann eben auch der Weg etwas kürzer sein, sonst bekommt man das nicht unter.“
Thomas ist mit seiner Mutter Erika dabei, beide engagieren sich für Menschen mit Demenz. „Mein Vater litt auch an Demenz und ist vor einem Jahr gestorben“, erzählt er. Doris Kettner haben sie über deren Funktion als Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft Lechrain kennengelernt. „Ich war dann wegen meinem Mann bei Kettner in der Sprechstunde, danach in der Demenzgruppe“, erinnert sich die Mutter. „Weil ich erst einmal lernen musste, mit Demenz umzugehen.“ Auch die Stadtführung von Kettner haben ihr Mann und sie schon mitgemacht. „Das hat mir gutgetan.“ Auch, weil kaum jemand über das Thema Demenz sprechen wolle.M
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„Mein Mann ist von der Krankheit betroffen, aber erst im Anfangsstadium“, sagt eine Frau – die mit ihrem Mann an der Stadtführung teilnimmt, oft gehen sie Hand in Hand. Stadtführungen interessierten ihn generell. „Und er selbst hat gesagt: ‚Da gehen wir mit!‘“ Für sie sei es schön, Unternehmungen zu machen, „wo ich auch für mich sein kann. Und wo ich weiß, hier ist mein Mann gut aufgehoben“. Denn auch, wenn man ihrem Mann bei der Stadtführung nichts anmerkt: Im Alltag und im eigenen Zuhause treten die Symptome oft weitaus deutlicher auf, weiß Doris Kettner. „In der Gruppe strengen sich die Personen weitaus mehr an als in ihrem gewohnten Umfeld. Weil sie nicht auffallen wollen.“
Demenspaziergang im Rahmen von „Demenz und wir“: kuriose Anekdoten
In ihren Stadtführungen für demente Personen setzt Kettners deshalb auch Akzente. Zeigt, was ihr persönlich aufgefallen ist oder was ihr selbst gefällt – zum Beispiel die Schülerinnen in den Fresken der Ursulinenkirche. Und so geht es in der Stadtpfarrkirche nicht um Erbauer oder Jahreszahl, vielmehr steht die Gruppe vor der Grabplakette des Hofrats, der laut Text auf dem Schild „Opfer seines rastlosen Diensteifers“ wurde – eine Inschrift, die schmunzeln lässt und die sonst im großen Ganzen oft untergeht.
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„Ich muss immer darauf achten, dass die Teilnehmer bei der Stange bleiben, deshalb spreche ich sie direkt an“, erzählt Kettner nach der Führung. Je nach Stadium der Krankheit bei den Teilnehmenden stelle sie teils nur Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können: „Ich passe dann, je nachdem, auch die Sprache an.“ Sie wolle den teilnehmenden Personen mit Demenz das Gefühl geben, auch Mitglied der Gruppe zu sein. „Da ist von mir viel Aufmerksamkeit gefordert, sonst interessiert das die Leute nicht.“ Sie geht auf persönliche Erinnerungen ein, die den erkrankten Teilnehmern gerade beim Spazierengehen leichter in den Sinn kommen. „Wenn jemand dann immer wieder die gleiche Frage stellt, ist das manchmal schon eine Herausforderung, wieder zum Thema zurückzukommen.“ Nicht zuletzt ist Kettner auch davon überzeugt, dass so eine Stadtführung den Erkrankten und ihren Angehörigen ein gemeinsames Gesprächsthema gebe. Und damit wieder etwas Verbindendes.
Wer Interesse an einer Stadtführung für Menschen mit Demenz in Landsberg hat, kann sich an Pajam Rais-Parsi von der Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept am Landratsamt wenden: per Telefon unter 08191/129-1273, oder per E-Mail an Pajam.Rais-Parsi@lra-ll.bayern.de.
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