Große Kampagne im Landkreis Landsberg: „Wir und Demenz“

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Hilfe bei Demenz-Erkrankung: Am 4. Juli startet die Landkreiskampagne „Wir und Demenz“. (Symbolfoto) © AndrewLozovyi

Wie reagiere ich, wenn mich der eigene Vater nicht mehr erkennt? Das Problem: Jeder Demenzerkrankte ist anders. Und jeder Erkrankte erfordert andere Reaktionen. Ein guter Anfang, um Unsicherheit im Umgang mit Demenz abzubauen, ist Information. Und die gibt es im Landkreis ab dem 4. Juli geballt: bei der einjährigen Sensibilisierungskampagne „Demenz und wir“.

Landkreis – „Es heißt, um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Das wünsche ich mir auch für Demenzerkrankte: dass eine ganze Gemeinschaft die Erkrankten willkommen heißt.“ Ilga Arens vom Kreisverband der Caritas Landsberg ist in der Arbeitsgruppe „Demenz in der Kommune“, die die einjährige Kampagne „Demenz und wir“ vorbereitet und durchführt. Ihr begegne immer noch viel Unwissen, sagt Arens. Und das führe dazu, dass sich Erkrankte zurückziehen und vereinsamen.

Einjährige Sensibilisierungskampagne im Landkreis Landsberg: Auch Angehörige im Fokus

Ganz nah dran am Thema Demenz ist Monika Matthias von der stationären Pflege Kaufering. Und weiß deshalb, wie schwierig es für einen ‚Laien‘ ist, sowohl für das eigene Empfinden als auch für das des Erkrankten adäquat zu reagieren. Sie sehe bei Angehörigen nicht Angst, sondern Hilflosigkeit in der Kommunikation: „Ich kann dem Gegenüber ja auf der kognitiven Ebene wenig oder nichts mehr mitteilen. Das Gesagte kommt einfach nicht mehr an. Aber die Emotionalität bleibt bis zum Ende.“

Dass die Betreuung eines Erkrankten eine schwere Zeit für die ganze Familie ist, weiß Beate Gürster von der mobilen Pflege Fuchstal auch aus eigener Erfahrung: Sie pflegte ihren dementen Vater zwölf Jahre lang. „Das schafft man nicht alleine, da braucht man Hilfe von außen“, sagt sie. „Man vergisst sich oft selbst.“ Sie erlebe das oft in ihrem Alltag als gerontopsychologische Fachkraft, dass sich Familienmitglieder für die Pflege dementer Angehörigen aufopferten. Man könne einen Demenzkranken sicher lange zuhause pflegen, „aber nur mit einer guten Vernetzung“. Wobei man eben lernen müsse, die Verantwortung auch mal „an die Profis“ abzugeben. Das Problem der Überforderung kennt auch Melanie Bachmann vom ambulanten Betreuungsdienst: „Die Angehörigen kommen meist erst, wenn es zu spät ist, wenn sie selbst schon komplett überfordert sind.“

Landkreiskampagne Landsberg „Wir und Demenz“: Hilfe und Akzeptanz

Die Kampagne „Wir und Demenz“ informiert in zahlreichen Veranstaltungen über professionelle Hilfe. Es gehe aber auch darum, Akzeptanz für das teils unverständliche und deshalb verstörende Verhalten Erkrankter in der Gesellschaft zu generieren, sagt Doris Kettner von der Alzheimer Gesellschaft Lechrain. Und den Demenzerkrankten soziale Teilhabe zu ermöglichen. „Mir geht es dabei nicht um Inklusion, sondern darum, überhaupt erst Exklusion zu vermeiden.“ Ihre demente Schwiegermutter sei zum Beispiel nicht mehr vor die Tür gegangen, weil sie sich schämte, erzählt Monika Gölch, die gerade eine gerontopsychiatrische Weiterbildung macht. „Da braucht auch der Angehörige mehr Mut. Und eben mehr Akzeptanz in der Gesellschaft.“

Eine Möglichkeit zur Teilhabe, die die Alzheimer Gesellschaft anbietet, sind Besuche auf dem Bauernhof, bei denen Erkrankte und Angehörige Zeit gemeinsam verbringen können: mit vorgelesenen Geschichten und einem Rundgang zu den Tieren. „Ein Erkrankter hat zum Beispiel ein Lämmchen immer wieder fest gedrückt, weil er dachte, es sei sein längst verstorbener Hund“, erzählt Kettner. Emotionen, die dem Erkrankten und dem Angehörigen helfen, der seinen Verwandten eben auch mal wieder lächeln sieht. Am wichtigsten seien aber die Bäuerinnen und Bauern. „Die sind so herzlich und heißen die kranken Menschen einfach willkommen.“

Demenzkranke vereinsamen - mehr Toleranz gefordert

Es gibt immer mehr Demenzkranke in der Gesellschaft: „Die Menschen werden älter. Und Alter ist der Hauptrisikofaktor“, sagt Pajam Rais-Parsi, der die Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept des Landratsamtes leitet. Die Kampagne „Demenz und wir“ richte sich an alle: „Wir tabuisieren das Thema immer noch. Aber wir brauchen alle mehr Wissen“. Information sei der einzige Ansatzpunkt, um der bis dato unheilbaren Krankheit zu begegnen, um also überhaupt handlungsfähig zu sein. Es dürfe nicht angehen, dass sich Demenzkranke nicht mehr aus dem Haus trauten, weil die Gesellschaft nicht mit ihnen umgehen könne „Aber mein Nachbar ist immer noch mein Nachbar, auch wenn er dement ist. Diese Menschen sind Bestandteil der Gesellschaft. Und wir sorgen mit unserem Fehlverhalten dafür, dass sie rausfallen“ – zum Beispiel, wenn ein Mensch wegen Demenz aus dem Sportverein austrete, in dem er 50 Jahre lang war. Es gehe darum einen Weg zu finden, dass dieser Mensch weiterhin dabei sein kann.

Nach der Kampagne solle „jeder im Landkreis mal über das Thema Demenz gestolpert sein“, gibt Rais-Parsi an. „Wenn ich dann selbst mit dem Thema konfrontiert bin und irgendwo noch im Kopf habe ‚Da gibt es doch Hilfsangebote hier im Landkreis‘, dann hat die Kampagne schon ein großes Ziel erreicht.“

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