Wasserkraftwerke am Lech: Dr. Erik Bohl über die ökologischen Folgen des Schwellbetriebs
Wer regelmäßig am Lech spazieren geht, hat das Prozedere sicher schon mal beobachtet. Im Wasserkraftwerk beginnen plötzlich die Turbinen zu arbeiten, das aufgestaute Wasser in der oberen Haltung schießt durchs Kraftwerk und in der unteren entsteht ein riesiger Schwall. Der sogenannte Schwellbetrieb deckt Spitzenlasten im Stromnetz, aber er birgt auch große Gefahren für die Lebewesen im Lech.
Landkreis –„Der Schwellbetrieb ist ein Sonderfall der Wasserkraftnutzung“, erklärt Dr. Erik Bohl, ehemaliger Leiter der Dienststelle Wielenbach des Landesamts für Umwelt. Die Wasserkraft sei die einzige dynamische Energieerzeugung in der Region. „Ein Kohlekraftwerk muss langsam rauffahren und Windkraft geht nur, wenn Wind da ist. Bei der Wasserkraft hat man aber sofort Strom, wenn das Wasser aufgestaut ist und man die Ventile aufdreht.“ Das mache die Wasserkraftwerke unabdingbar.
Gerade im voralpinen Bereich hätten sich die Fluss-Lebewesen im Laufe der Evolution an Abflussschwankungen gewöhnt – aber in einem typischen, natürlichen Rhythmus. Es gibt das Schmelzhochwasser im Frühjahr oder Starkregenegenereignisse, „aber das sind andere Zeitmuster, als sie im Schwellbetrieb passieren“, erklärt Bohl. Denn der Schwellbetrieb passiere manchmal viel zu schnell, als dass die Fische noch reagieren könnten. „Deswegen ist es sehr fatal, wenn eine Äsche zum Laichen ins Flachwasser geht. Wenn dann abgesenkt wird, ist der Laich trocken und tot.“ Ähnlich verhalte es sich bei den Kleintieren, die im Spaltraumsystem leben. Wenn ein plötzlicher Sunk erfolge, schaffen die Tiere es nicht mehr, dem Wasser zu folgen und vertrocknen – weil sie an diese Art der Abflussschwankungen eben nicht angepasst sind.
„Die ökologischen Aspekte werden grundsätzlich in den Bescheiden bedacht und mit entsprechenden Regelungen berücksichtigt“, sagt indes uniper-Pressesprecher Theodorus Reumschüssel in Bezug auf den Schwellbetrieb der Wasserkraftwerke am Lech. Den fluss-ökologischen Aspekten werde dadurch Folge geleistet, dass die Veränderungen des Durchflusses sehr behutsam vorgenommen werden, so dass sich die Wasserlebewesen daran anpassen können.
Keine Anpassung
„Wenn man den Sunk langsam genug steuert, sodass die Tiere noch Zeit haben dem Wasser zu folgen, kann man viel Schaden vermeiden“, meint Bohl. Dass sich die Tiere aber in nächster Zeit an den veränderten Durchfluss anpassen, bezweifelt der Fachmann. „Das wird ein paar Jahrtausende dauern“.
Er betont aber auch, dass es heute keine Streitigkeiten mehr zwischen Wasserkraftwerksbetreibern und Fischerei gebe. „Die Wasserkraft ist unverzichtbar“, weiß er. „Sie ist zwar nicht umweltfreundlich, aber emissionsfrei und regenerativ.“ Trotzdem könne man viel an den Kraftwerken optimieren und sie ökologisch verträglicher machen. Dabei setzt Bohl viel Hoffnung in die Neuvergabe der Kraftwerks-Konzessionen. „Wir vertreten den Ansatz, dass diese zunächst an den Freistaat zurückfallen sollen, damit der ein Konzept ausarbeitet, in denen Nutzungsgrade für die Kraftwerke festgelegt werden.“ Wie viel Abfluss darf ein Kraftwerk nutzen? Wo sollte ein Umgehungsgerinne angelegt werden? „Unter diesen Konzessionen könnte man dann die Wasserrechte wieder vergeben.“ Denn wenn ein Kraftwerk gar nicht 100 Prozent des Abflusses nutzen dürfte sei es leichter, ökologische Optimierungen vorzunehmen.
„Wir haben gelernt, dass es ohne Wasserkraft nicht geht“, gesteht Bohl. „Und dass es sehr sinnvoll ist, große Flüsse mit bereits bestehenden Wasserkraftwerken zu optimieren.“ So wie das Kraftwerk Kinsau, das vor einigen Jahren aus statischen Gründen mit „wahnsinnigen Auflagen“ neu gebaut werden musste. „Heute ist es ein Vorzeigekraftwerk. Und es hat sich dort auch gezeigt, dass sich durch Optimierung der Turbinentechnik pro Liter Wasser noch einiges mehr an Energie rausholen lässt, ohne dass es ökologisch noch nachteiliger wird.“
Schäden irreversibel
Denn trotz allen Bemühungen wird man den Lech „nie wieder so herrichten können, wie er als Wildfluss einst war“, räumt Dr. Erik Bohl unumwunden ein. „Aber man kann wenigstens einzelne Funktionen wiederherstellen.“
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Was ist der Schwellbetrieb?
„Der Schwellbetrieb einzelner Kraftwerke am Lech dient der Deckung von Bedarfsspitzen im elektrischen Versorgungsnetz und damit der Versorgungsqualität“, erklärt uniper-Pressesprecher Theodorus Reumschüssel. Wenn die Stromnachfrage stark ansteigt oder die Einspeisung – z.B. von Wind- und PV-Anlagen – spontan abfällt und jeweils Energie im System fehlt, wird verstärkt Wasser über die Turbinen zur Erzeugung von Wasserkraftstrom genutzt. Der Durchfluss über die Kraftwerksturbinen wird wieder reduziert, wenn diese Bedarfsspitzen oder Erzeugungsdefizite ausgeglichen sind und das Netz wieder stabil ist.