Grundschullehrer sagt: Schach führt zu besseren Noten

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„Die Kinder lernen durch das Schachspiel, sich zu konzentrieren, genau hinzuschauen, lernen vieles, was in der Schule und später im Beruf wichtig ist“: Walter Rädler (57), Grundschullehrer in Kirchseeon. © Privat

Walter Rädler (57) ist seit mehr als 30 Jahren Grundschullehrer. Sein Unterricht, früher wie heute, ist stark geprägt durch eine große Leidenschaft: das Schachspiel.

Herr Rädler, Sie sind Grundschullehrer, Schachtrainer und YouTuber. Welche dieser Rollen ist die schönste?

Lehrer ist der allerschönste Beruf auf der Welt. Den liebe ich über alles. Ludwig Wittgenstein war meiner Meinung nach der schlaueste Philosoph und auch der reichste. Irgendwann hat ihm das alles aber nicht mehr Spaß gemacht und er ist Dorflehrer geworden. Ich bin seit 1992 Grundschullehrer. In den vergangenen eineinhalb Jahren habe ich mit jeder Klasse, die ich einmal hatte, ein Klassentreffen gemacht. Es war wunderschön zu sehen, dass aus diesen tollen Kindern von damals tolle Erwachsenen wurden. Aber natürlich ist das noch nicht alles.

… denn in ihrem Leben gibt es noch das Schachspiel. Prägt diese Leidenschaft ihren Unterricht?

Schöne Fragestellungen im Schachspiel sind ebenso faszinierend, wie schöne Fragestellungen im Unterricht. Wenn Kinder denken müssen: Das formt und fördert. Das Beste, was es gibt. An meiner Schule in Kirchseeon können von 100 Kinder vielleicht 85 Schach spielen.

Klingt für ihre Schülerinnen und Schüler das Wort ‚Schach‘ nicht etwas verstaubt?

Schach ist spannend, fördert das Soziale, macht Spaß. Es geht weniger ums Gewinnen als um spielerisches Denken.

Das sind vermutlich ihre Worte. Wie würden es die Kinder ausdrücken?

Die sagen: „Schach ist geil.“

Sollte man Schach zum Unterrichtsfach machen?

Es gibt Länder, die gute Erfahrungen damit machen. In Armenien und Bulgarien ist Schach Schulfach. Wir haben Lehrermangel, so steht es leider nicht zur Alternative. Sinnvoll wäre es aber auf jeden Fall. Die Kinder lernen durch das Schachspiel, sich zu konzentrieren, genau hinzuschauen, lernen vieles, was in der Schule und später im Beruf wichtig ist.

Also keine Chance?

Es gibt in Hamburg Schulen, die Schach anbieten. Und es gibt auch in Bayern zwei, drei Schulen, die Schach als Wahlpflichtfach anbieten. Es gibt das, aber es ist noch sehr selten.

Eine Funktion habe ich nicht erwähnt: Sie sind Schach-Botschafter für den Deutschen Schachbund. Wie stellt man sich dieses Amt vor?

Bin ich Schachbotschafter? (lacht) Gut, ich werbe für Schach wie kein anderer. Wir machen einen Newsletter, der jede Woche 2000-mal geöffnet wird. Ob ich diesen Titel einmal verliehen bekommen habe? (denkt kurz nach) Ja, ich bin‘s. Auf jeden Fall.

Was wir eindeutig bestimmen können, weil es Schwarz auf Weiß zu lesen ist: Sie haben 2024 den Goldenen Chesso in der Kategorie Öffentlichkeitsarbeit verliehen bekommen.

Es ist der größte Ehrenamtspreis der Deutschen Schachjugend. Den Newsletter habe ich schon erwähnt. Wir schreiben für Fachzeitschriften. Seit Jahrzehnten bewerbe ich die Veranstaltungen systematisch. Und was ich bewerbe, wird von sehr vielen Leuten gelesen.

Unter 2033 Schachgroßmeistern gibt es nur 41 Frauen. Was ist denn da los?

Diese Frage ist berechtigt. Wir haben beim Deutschen Schachbund mittlerweile zehn Prozent weibliche Mitglieder. Wenn 90 Prozent Männer Schach spielen, dann werden die Ausreißer nach oben prozentual mehr. Das ist ein mathematisches Phänomen und natürlich schade. Wir müssen daran arbeiten, damit sich das verbessert. Und wir machen vielerlei Aktivitäten, damit mehr Mädchen und Frauen Schach spielen. Allerdings: Nur die 20 besten Großmeister verdienen sehr gut. Alle anderen müssen viel Zeit und Geld reinstecken. Ohne finanziellen Background ist das nicht zu bewältigen. Frauen konzentrieren sich vielleicht mehr auf ihren normalen Beruf und setzen ihre Karte nicht auf „Schachprofi“. Aber unser Ziel ist der Breitenschach und nicht, Großmeister zu züchten.

Man kann sie auf YouTube als Schachopa sehen. Mit raffinierten Spielanregungen auf dem Schachbrett, auch für die Kleinsten.

(Lacht). Mit 57 Jahren bin ich halt der Schach-Opa. Wenn Opa und Enkel miteinander spielen wollen, dann funktioniert das natürlich am einfachsten an einem Tisch über Face-to-Face. Während Corona, als Face-to-Face nicht mehr möglich war, haben wir die Vorbereitungen für ein Internetprojekt begonnen. Es geht im Oktober oder November 2024 online.

Wie können wir uns das technisch vorstellen?

Es gibt eine Internetseite, zu der sich zwei Spieler anmelden. Dieser Bereich muss natürlich besonders geschützt sein, denn Kinder sollen nicht gegen Fremde spielen. Auf dem Bildschirm sieht man das Spielfeld. Erst einmal sind es kleine Spiele, wo man zum Beispiel nur mit dem Springer zieht. So kann man langsam und systematisch lernen, wie sich die Figuren bewegen.

Auf Ihrem YouTube-Kanal sieht man Spielanregungen, wie man beispielsweise das Pferd auf Felder mit Gummibärchen bewegt.

Das geht im Internet leider nicht.

Schach wird als Sport bezeichnet. Ist das nicht etwas übertrieben?

Schach erfüllt alle Kriterien von Sport, bis auf das Momentum Bewegung. Es wurden Weltklassespieler medizinisch bei Schachpartien untersucht: Sie haben während einer Partie zwei- bis zweieinhalb Kilogramm abgenommen, weil sie sich geistig so stark verausgabt haben. Du musst als Schachspieler körperlich topfit sein, dich vorbereiten, trainieren. Die Profis bei der Bundesligaschlussrunde sind drahtig, schlank, austrainiert.

Sie sagen „geistig verausgabt“. Was passiert denn im Gehirn beim Schachspiel?

Bei einem Feldversuch hat die Universität in Trier bei Kindern herausgefunden, dass Schach schulische Leistungen fördert. Besonders auffällig war das Ergebnis das bei sozial benachteiligten Kindern. Sie profitieren vom Schachunterricht am meisten.

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