Gericht kassiert US-Zölle: Börsen freuen sich – „Wird Trump zur Vernunft bringen“
Ein US-Handelsgericht verbietet einen Teil von Donald Trumps US-Strafzölle. Die Börsen reagieren erleichtert, doch Experten warnen vor neuen Kniffen des US-Präsidenten.
Washington – Die Börsen weltweit atmen auf – zumindest vorerst: Nachdem das Internationale Handelsgericht in New York einen Großteil der US-Zölle „aufgehoben und ihre Anwendung dauerhaft untersagt“ hatte, erholten sich die globalen Finanzmärkte. Der US-Dollar legte in der Nacht zum Mittwoch gegenüber dem Schweizer Franken sowie dem japanischen Yen zu. Die US-Aktienfutures für Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 stiegen jeweils um rund 1 Prozent. Zusätzlich zum Zolleffekt sorgten allerdings auch die starken Quartalszahlen des KI-Unternehmens Nvidia für Euphorie.
Gericht kassiert Trumps Zölle: Börsen reagieren mit Kursgewinnen – auch Nvidia treibt die Märkte an
In Deutschland legte der DAX um fast 300 Punkte zu, was einem Plus von rund 1,6 Prozent entspricht – obwohl die Zölle auf deutsche Exportgüter wie Aluminium, Stahl und Autos vermutlich nicht unter das Verbot fallen werden. Sie wurden unter Berufung auf die nationale Sicherheit verhängt – und sind nicht Teil der nun aufgehobenen Maßnahmen, die auf das Notstandsgesetz IEEPA zurückgehen.
Laut Analysten der Investmentbank Goldman Sachs betrifft das Urteil nur die pauschalen Zölle von 10 Prozent, die Trump auf die meisten Importe erhoben hatte. Auch die Zusatzzölle für China, Kanada und Mexiko müssten nun rückgängig gemacht werden. Der Finanzminister von Hongkong, Paul Chan, erklärte gegenüber Reuters, dass diese Entscheidung „Präsident Trump zumindest zur Vernunft bringen wird“.
Chinesische Markt verhalten – Analysten pendeln zwischen „Ausatmen des Marktes“ und Skepsis zum Urteil
Die halbautonome Stadt Hong Kong steht unter der Einflusssphäre von China, das einer der Hauptziele von Trumps Strafzölle auf Importwarten darstellt. Die chinesischen Börsen reagierten dennoch vorerst verhalten: Der Shanghai Composite Index stieg zum Börsenstart um 0,66 Prozent, während der Hang-Seng-Index in Hongkong um 0,46 Prozent zulegte. In Tokio und Seoul herrschte dagegen Festtagsstimmung: Die Indizes Nikkei und KOSPI legten jeweils um 1,68 Prozent und 1,73 Prozent zu.
Stephen Innes von SPI Asset Management deutet die Erholungen an den Börsen als „ein Ausatmen des Marktes nach wochenlanger Volatilität durch den Handelskrieg“. Der Experte spricht vor dem Hintergrund der beruhigenden Wirkung auf Inflationsrate und Wirtschaftsstagnation sogar von einem strukturellen Wendepunkt. Skeptischer geben sich die Sachs-Analysten – auch im Hinblick auf mögliche Gegenmaßnahmen: „Wir gehen derzeit davon aus, dass die Trump-Regierung andere Wege finden wird, um Zölle zu verhängen“, zitiert CNBC die Experten.
US-Strafzölle: Trumps Stabchef spricht von „Justizputsch“ – Experten rechnen mit „Eilantrag“ gegen Gericht
Diesen Kurs hat auch die US-Regierung schon wenige Minuten nach dem Urteil bestätigt: Kush Desai, stellvertretender Pressesprecher im Weißen Haus, kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen: „Die Handelsdefizite haben einen nationalen Notstand geschaffen, der amerikanische Gemeinden zerstört, unsere Arbeiter zurückgelassen und unsere industrielle Verteidigungsbasis geschwächt hat – Tatsachen, die das Gericht nicht bestritten hat.“ Trumps Stabschef Stephen Miller sprach sogar von einem „Justizputsch“, der „völlig außer Kontrolle geraten sei“. Geklagt hatten zuvor unter anderem das überparteiliche Liberty Justice Center im Namen mehrerer US-Kleinunternehmen sowie zwölf US-Bundesstaaten. Sie sehen sich durch Trumps Zollpolitik wirtschaftlich massiv benachteiligt.

In Justizkreisen wird ohnehin damit gerechnet, dass die Regierung vielleicht sogar über Nacht einen Eilantrag zur Aussetzung der Entscheidung – ein sogenanntes stay pending appeal – einreicht. Damit würden die Zölle vorerst in Kraft bleiben. Steven Blitz, Chefökonom für die USA bei TS Lombard, ist sich sogar sicher, dass Trumps Team einen Weg finden wird, um diesen Aufschub umzusetzen – womöglich über eine Notfall-Berufung beim Supreme Court, der mehrheitlich aus Richtern besteht, die während Trumps erster Amtszeit ernannt wurden.
Plant Trump die rechtliche Gegenoffensive? Berufung und neue Zölle nach alten Paragrafen möglich
Sollte dieser Weg scheitern, könnte Trump über andere Rechtskniffe neue Zölle ins Leben rufen. Goldman Sachs Analysten sehen innerhalb der US-Bundesgesetz wie dem Trade Act von 1974 und dem Tariff Act von 1930 drei Hebel für Trump:
- Section 122 des Trade Act von 1974: Der pauschale 10-Prozent-Zoll ließe sich kurzfristig durch einen 15-prozentigen ersetzen. Allerdings ist diese Maßnahme im Rahmen des Gesetzes nur maximal 150 Tage zulässig, ehe der Kongress eine Verlängerung genehmigen muss. Trump müsste ein Zahlungsbilanzdefizit oder massive außenwirtschaftliche Probleme der USA nachweisen. Ein komplizierter Vorgang, der rechtlich und politisch angreifbar ist. US-Präsident Jimmy Carter hat diese Maßnahme während der Iran-Krise im Jahr 1979 eingesetzt, um Importe aus dem Iran zu beschränken.
- Section 301 – Trade Act von 1974: Die US-Behörde US Trade Representative (USTR) könnte eine offizielle Ermittlung gegen die wichtigsten US-Handelspartner einleiten, um neue Argumente für eine Benachteiligung der US-Wirtschaft zu finden. Experten gehen allerdings davon aus, dass dieser Prozess mindestens 30 bis 90 Tage in Anspruch nehmen dürfte. Doch der aktuelle Chef der Behörde, Jamieson Greer, wurde von Trump ernannt – und gilt als loyaler Anhänger von Trumps „America First“-Handelspolitik.
- Section 232 – Trade Expansion Act von 1962: Trump könnte neue Zölle verhängen, wenn Importe die nationale Sicherheit gefährden. Dieses Schwert hat das US-Handelsministerium als zentrale Prüfinstanz bereits 2018 und 2025 bei den Zöllen auf Stahl, Aluminium und Autos für die EU angewendet. Dieser Weg wäre durchaus machbar für Trump.
- Section 338 – Tariff Act von 1930: Erlaubt Strafzölle von bis zu 50 Prozent auf Importe aus Ländern, die US-Waren diskriminieren. Trump müsste nachweisen, dass die USA systematisch benachteiligt werden. Entstanden ist der Paragraph nach der Großen Depression 1930, um die US-Wirtschaft zukünftig vor derartigen Einbrüchen zu schützen. Bisher wurde er aber noch nie angewendet, wohl auch, weil er ein hohes Eskalationspotenzial bietet.
Trotz Urteil steht EU im Fokus: Neue Trump-Strafzölle angedroht – Frist für Einigung läuft bis zum 9. Juli
Trump hatte die Zölle stets mit dem Verweis auf das hohe Handelsdefizit begründet, das 2024 rund 1,2 Billionen US-Dollar betrug. Analysten bezweifeln allerdings, dass die Maßnahmen spürbare Erfolge gebracht haben: Die Verlagerung von Produktionsketten blieb aus, das Wirtschaftswachstum flachte ab, und viele Unternehmen litten unter der Planungsunsicherheit. Darüber hinaus zeigten sich Regierungen weltweit erbost über das Vorgehen der USA und verhängten teilweise Gegenzölle – darunter die EU, China und Kanada.
Unabhängig von dem Urteils erhöht sich der Druck gegenüber der EU zunehmend: Trump hatte ursprünglich ab dem 1. Juni neue Strafzölle in Höhe von 50 Prozent angedroht, diese jedoch um einen Monat aufgeschoben. Bis spätestens 9. Juli sollen beide Seiten eine Einigung erzielen – andernfalls droht eine Eskalation mit europäischen Gegenzöllen.