Abkommen mit Libanon: Der nächste Asyl-Deal für Europa
Immer mehr Flüchtlinge kommen vom Libanon nach Zypern – und damit in die EU. Nun verspricht die Union viel Geld, um illegale Migration zu verhindern und Schleuser zu bekämpfen. Es ist ein umstrittener Teil der europäischen Asyl-Strategie.
Brüssel/Beirut – Ein Besuch mit Milliarden und militärischen Ehren: Im Libanon setzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen heiklen Teil der neuen Asyl-Strategie fort. Sie hat dem instabilen Land Finanzhilfen in Höhe von rund einer Milliarde Euro versprochen. Im Gegenzug sollen die Machthaber den Zustrom von syrischen Flüchtlingen nach Zypern und in die EU stoppen. Das Geld stehe von diesem Jahr bis 2027 zur Verfügung, kündigte sie in Beirut an.
Man zähle auf eine gute Zusammenarbeit bei der Verhinderung illegaler Migration und der Bekämpfung von Schleuserkriminalität, sagte von der Leyen. Um das Land bei der Steuerung der Migration zu unterstützen, verpflichte sich die EU, legale Wege nach Europa offenzuhalten und Flüchtlinge aus dem Libanon in die EU umzusiedeln.
Neuer Flüchtlingsdeal: EU unterzeichnet Abkommen mit Libanon
Mit dem Geld sollen unter anderem die libanesischen Streitkräfte und andere Sicherheitskräfte unterstützt werden. „Dabei geht es vor allem um die Bereitstellung von Ausrüstung und Ausbildung für die Grenzverwaltung“, sagte von der Leyen. Darüber hinaus solle mit den Hilfen das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen im Libanon gestärkt werden. Ein weiterer Fokus liege auf Wirtschafts- und Bankenreformen.
Das klingt gut – europaweit gibt es aber Zweifel, ob die Gelder richtig ankommen oder in korrupten Systemen versickern. „Es ist eine Gratwanderung“, sagt der CSU-Europapolitiker und EVP-Parteichef Manfred Weber, „aber der können wir uns nicht entziehen. Wir werden uns mit denen abstimmen müssen, die wir eben in der Nachbarschaft haben“. Ohne solche Partnerschaften „werden wir die Probleme bei der Migration nicht lösen“, so Weber. Er sieht den Libanon-Deal in einer Linie mit den Verhandlungen mit der Türkei, Tunesien und Ägypten.
Tatsächlich haben die Migrations-Probleme stark zugenommen. In den vergangenen Monaten waren fast täglich dutzende bis hunderte Syrer aus dem gut 160 Kilometer entfernten Libanon mit Booten in der EU-Inselrepublik angekommen. Seit Jahresbeginn wurden bereits rund 4000 Migranten gezählt – im ersten Quartal des Vorjahres waren es 78. In absoluten Zahlen sind das deutlich weniger als etwa in Italien, Spanien und Griechenland, wo Bootsflüchtlinge aus Ländern wie Tunesien, Libyen, Ägypten, Marokko oder der Türkei ankommen. Gemessen an seiner Einwohnerzahl gibt es aber nirgendwo in der EU so viele Asylanträge wie auf Zypern.
Gegen illegale Migration: EU, Zypern und Libanon unterzeichnen neuen Flüchtlingsdeal
Von der Leyen nahm deshalb Zyperns Präsidenten Nikos Christodoulidis mit nach Beirut. Dort trafen sie auf den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati. Er kann die EU-Finanzspritze sehr gut brauchen, die Wirtschaft des Libanon ist angeschlagen nach jahrzehntelanger Korruption in Politik und Wirtschaft. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef gab vor knapp einem Jahr an, jede zehnte Familie sei gezwungen, ihre Kinder arbeiten zu schicken. Er warnte aber seinerseits davor, sein Land als Heimat flüchtender Syrer zu etablieren. Im Libanon mit seinen rund 5,5 Millionen Einwohnern halten sich nach Regierungsangaben derzeit fast zwei Millionen Syrer auf.
Meine news
„Wir weigern uns, unser Heimatland zu einem alternativen Heimatland werden zu lassen“, sagte Mikati. „Wenn wir diese Frage betonen, dann deshalb, weil wir davor warnen, dass der Libanon zu einem Transitland von Syrien nach Europa wird. Die Probleme an der zyprischen Grenze sind nur ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn diese Probleme nicht angegangen werden.“
Die aktuelle Lage in Syrien lasse es nach Einschätzung seiner Regierung zu, die meisten Regionen des Landes nach dem Bürgerkrieg als sicher einzustufen, sagte Mikati weiter. Das müsste vonseiten Europas und der internationalen Gemeinschaft als ein erster Schritt anerkannt werden. Damit werde die Rückkehr Vertriebener erleichtert.
In der EU gibt es tatsächlich Überlegungen, Teile Syriens für „sicher“ zu erklären, um Geflüchtete dorthin abschieben zu können. Neben dem Zyprer Christodoulidis hatte sich kürzlich Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) dafür ausgesprochen. Menschenrechtler widersprechen scharf. Mit rund 105 000 Erstanträgen waren Syrer 2023 in Deutschland die größte Asylbewerbergruppe. (Stella Venohr, Ansgar Haase und Christian Deutschländer)