Mit der Justiz kennt sie sich aus: Kaum ein Gericht, das sie noch nicht beschäftigt hat. Jetzt stand die Ebersberger Neonazi-Juristin Sylvia Stolz erneut vor dem Kadi. Über einen skurrilen Auftritt.
Ebersberg Die mehrfach verurteilte Neonazi-Juristin Sylvia Stolz aus Ebersberg steht mal wieder vor Gericht. Dieses Mal geht es aber nicht wie sonst um Holocaustleugnung und Volksverhetzung. Nein, die 61-Jährige ist sieben Stundenkilometer zu schnell durch Kirchseeon gefahren. Und macht deshalb das ganz große Fass auf.
Die Frau, die eine juristische Beschwerde schon mal mit „Heil Hitler“ unterzeichnet hat, sitzt im rosa Jäckchen in einem winzigen Gerichtssaal des Ebersberger Amtsgerichts. Es ist eher ein Verhandlungszimmer. Kein Verteidiger, kein Staatsanwalt, keine Gutachter, keine Protokollanten. Nur Sylvia Stolz, die Richterin und die EZ, denn auch Winz-Prozesse wie dieser, der sich um Stolz‘ Einspruch gegen einen Strafzettel dreht, sind öffentlich. Die Fronten sind sofort abgesteckt: Stolz weigert sich gleich zu Beginn, ihre Personalien zu nennen. Die Richterin muss sich eine Ausweiskopie besorgen.
Die Neonazi-Ex-Anwältin bespielte schon die großen juristischen Bühnen der Nation, bis hin zum Bundesgerichtshof. Saß wegen Volksverhetzung in Haft, ist mehrfach vorbestraft. Vor ein paar Wochen entging sie vor dem Bundesgerichtshof einer erneuten Verurteilung wegen eines über 300-seitigen Faxes ans Finanzamt, in der sie mal wieder die Massenmorde an Juden im Dritten Reich bestritt. Doch die 61-jährige, mit ihren holocaustleugnerischen Entgleisungen bundesweit bekannt gewordene Ebersbergerin ist sich auch fürs gerichtliche Kleinkunst-Kabarett nicht zu schade.
Stolz zur Richterin: „Der Moloch wir auch Sie fressen!“
An diesem Tag in Ebersberg geht es um 30 Euro. Stolz war im Frühjahr mit ihrem Smart von der berüchtigten Kirchseeoner Blitzersäule am Spannleitenberg geblitzt worden. Sieben Kilometer zu schnell. „Eine tückische Falle“, findet sie mit piepsiger Stimme und bitterernster Miene. Sie nennt den Bußgeldbescheid „unverhältnismäßig und rechtswidrig“, weshalb sie Einspruch eingelegt habe. Ihren juristischen Kleinkrieg führt sie mit dem ganz großen Besteck. „Sie übernehmen die Verantwortung dafür, was in der BRD geschieht“, warnt sie die Richterin einmal, nennt sie ein Rädchen im Getriebe, spricht von staatlichen Verbrechen, wirft ihr vor, das Sitzungsprotokoll zu verfälschen: „Der Moloch, der hier regiert, wird auch Sie fressen!“
Richterin Nathalie Hübner nimmt es lange gelassen. Doch als Stolz ansetzt, eine wortreiche Erklärung zu verlesen, die nicht mehr viel mit ihrem Tempoverstoß hat, wird es der Vorsitzenden zu bunt. „Wir sind hier nicht vor dem Bundesverfassungsgericht!“, fällt sie der Ebersberger Ex-Anwältin ins Wort. Die 61-Jährige war rhetorisch gerade von der vermeintlichen Unzuverlässigkeit von Autotachos und Radar-Messtechnik über die geometrische Analyse des Spannleitenbergs und der umliegenden Bebauung zum generellen Umgang mit Steuergeld und schließlich in Richtung Corona-Pandemie vorgedrungen. „Ich breche das hier ab, weil es nichts mehr mit der Tat zu tun hat“, sagt die Richterin. Weil Stolz ihr Rederecht verletzt sieht und stoisch weiterspricht, muss die Vorsitzende laut werden: „Sie sind jetzt nicht mehr dran!“
Wir sind hier nicht vor dem Bundesverfassungsgericht!
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Dafür muss sich nun eine als Zeugin geladene Messtechnikerin (44) der Kommunalen Dienste Oberland aus Bad Tölz, die die Blitzersäule betreiben, der hochnotpeinlichen Befragung durch die Beschuldigte aussetzen. Stolz quetscht sie aus, wie weit Ortsausgang, Wohnbebauung und Kindergarten von der Blitzersäule entfernt sind. Notiert auf ihren Papieren fleißig mit, als es um Inbetriebnahmedaten und Eichprüfungen geht „Finden Sie das nicht überzogen?“, will die geblitzte Neonazi-Juristin von der verdutzten Frau zur Bußgeldhöhe wissen. Die verweist darauf, dass sie nur für die Technik zuständig sei und ihren Job mache: „Aha!“ – Wasser auf die Mühlen des selbst ernannten Moloch-Opfers. Wieder muss Richterin Hübner irgendwann dazwischen grätschen, damit sie zu einem Urteil kommen kann.
Stolz muss 30 Euro zahlen und die Gerichtskosten tragen
In dem letzten Wort, das ihr als Angeklagte zusteht, macht Stolz noch einmal das große Fass von Rechtsstaat und Rechenschaft auf. „Es wird der Tag kommen …“, droht sie der Richterin düster. Die nickt und fühlt sich der Verantwortung sichtlich gewachsen. Wenn auch widerwillig, erhebt sich Stolz zur Urteilsverkündung. Sie blickt gebückt auf ihre Papiere, notiert das Urteil: Schuldig. Macht 30 Euro und die Gerichtskosten, für gewöhnlich kaum ein dreistelliger Eurobetrag. Der Auftritt scheint es ihr wert zu sein, am Ende des Prozesses deutet die gelernte Juristin, der die Anwaltszulassung längst entzogen ist, an, sie überlege sich eine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil.
Aus einem anderen Gericht musste Sylvia Stolz 2006 nach ihrem Ausschluss als Verteidigerin schon einmal an Armen und Beinen hinausgeschleppt werden, rief dabei den Zeitungen zufolge: „Das deutsche Volk erhebt sich!“ So eskaliert die Lage an jenem Tag in Ebersberg nicht. Doch bevor die Verurteilte den Gerichtssaal verlässt, geht das Theater noch einmal von vorn los: Im Mai hat sich Stolz noch einmal in Kirchseeon blitzen lassen. Selbe Stelle, wieder sieben km/h zu schnell. Beschwerde, Anhörung, Vorwürfe, Erklärungsverlesung, Zeugenbefragung, letztes Wort: Die Richterin muss bis zum schließlichen Schuldspruch, der keine Überraschung mehr ist, alles noch einmal durchexerzieren.