Die Tafel Ebersberg versorgt immer mehr Kunden. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, Lebensmittel zu bekommen. Und seit vergangenem Jahr ist die Einrichtung auch noch in ausschließlich ehrenamtlicher Hand.
Ebersberg - „Ah, da kommt ja die Eierfrau! Immer hereinspaziert!“ Bernd Krüger, Leiter der Tafel Ebersberg, geht mit ausgebreiteten Armen auf die Hereinkommende zu und nimmt ihr die 162 Eier ab, die sie wie jede Woche vorbeibringt. Der 66-Jährige heißt im Untergeschoss der evangelischen Kirche Ebersberg jeden so herzlich willkommen, als wäre es ein langjähriger Freund. Schließlich seien Privatspender wie die „Eierfrau“ Gabi Bauer „pures Gold wert“, sagt er. Und auf Leute zugehen, das sei sein Part im Leitungsteam, das er seit Mai gemeinsam mit Marion Erben darstellt.
Neues ehrenamtliches Leitungsteam seit Mai
Die beiden sind die ersten Ehrenamtlichen, die der Tafel Ebersberg vorstehen. Bis vergangenes Jahr war die Position hauptamtlich besetzt. Doch dann musste der Träger, die Diakonie Rosenheim, die Stelle streichen. Karin Schlieffen-Reisch war vorübergehend eingesprungen, bis die neue Doppelspitze loslegte.
Seither kümmert sich Erben vor allem um die Ausgabe. Ein Team aus über 25 Freiwilligen versorgt derzeit rund 60 Ebersberger Haushalte – gegen einen Solidaritätsbeitrag von einem Euro. Wie im Supermarkt decken sich die Kunden mit dem ein, was da ist. Und das variiert stark. Mal kommen Kisten voller Konservendosen oder Shampoo. Und mal sind in der Gemüsekiste vom Markthändler nur ein paar krumme Karotten. „Wenn wir zu wenig haben, bekommen eben alle etwas weniger.“
Krügers Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Regale auch voll sind. „Ich bin der Außenminister.“ Er bespricht sich mit Einzelhändlern, hält Kontakt zu Supermärkten, koordiniert die Spender. Eine logistische Herausforderung. „Das ist ein Unternehmen“, sagt er. Und er weiß, wovon er spricht.
Ich bin ein Kontakter.
Der 66-Jährige war beruflich als Geschäftsführer eines großen Pharmakonzerns tätig. Als er gerade in Ruhestand gegangen war, wurde das Amt an ihn herangetragen. „Ich wollte eigentlich erstmal gar nichts machen“, erzählt er. „Aber manchmal werden die Dinge eben für einen entschieden.“ Nach sechs Wochen Forschungsreise durch die Antarktis, ein Lebenstraum, sagte er zu. Zu viel Ruhe, das ist irgendwie auch nichts.
Einbringen könne er vor allem seine verbindliche Art. Das sei sein großes Pfund, von seiner Persönlichkeit her und durch seine Erfahrung als Manager. „Ich bin ein Kontakter.“ Auch wenn das Ehrenamt wie so oft am Ende viel mehr Einsatz bedeutet, als der Ebersberger angenommen hatte.
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Krügers Woche beginnt noch am Tag der Lebensmittelverteilung. Nach dem Verkauf ist vor dem Verkauf. Die E-Mails, die er vor einem Ausgabetag schreibt, kann er kaum beziffern. Mittwochs starten die ersten Touren. Fahrer sammeln bei Supermärkten und Einzelhändlern Waren ein, Freiwillige räumen sie in die Regale.
Von den Supermärkten kommen immer weniger Waren
An diesem Mittwoch kramt Gabi Böttcher in einer Kiste Obst. Bekümmert leert sie mehrere Packungen Himbeeren, die schon Schimmel ansetzen, in die Grüne Tonne. Dann schnappt sie sich Netze mit Mandarinen, auch hier der Großteil vergammelt. „Die Qualität ist sehr unterschiedlich.“ Die Märkte hätten immer weniger Personal, die Waren auszusortieren, erklärt Krüger.
Längst ist die Tafel ihren Kinderschuhen entwachsen. Was vor mehr als 20 Jahren als kleine Hilfsinitiative an den Start ging, ist heute ein ernst zu nehmender Betrieb, der jede Woche rund 200 Personen versorgt. Zwar haben sich feste Partnerschaften zur Geschäftswelt etabliert, berichtet Krüger. Aber nicht alles sei heute einfacher. „Wir bekommen immer weniger Waren von Supermärkten“, sagt er. Das liege daran, dass diese ihre eigene Logistik stetig verbesserten und weniger auf dem Müll schmissen. „Das ist natürlich grundsätzlich zu begrüßen“, lobt Krüger. „Nur für die Tafel fällt halt weniger ab.“ Außerdem wachse die „Konkurrenz“ etwa durch Foodsharing-Initiativen.
Krüger unterbricht das Gespräch. Eine Mutter mit drei Kindern kommt. Sie hat donnerstags Deutschkurs und holt schon mittwochs ihre Waren ab. „Wie geht es euch, ihr Lieben?“, fragt Krüger und breitet wieder die Arme aus. Wie zur Begrüßung eines engen Freundes eben.