„Es tut mir von Herzen weh“: Eglhartinger Traditionsbetrieb muss zusperren

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Markus Gmeinwieser steht in der Tür seiner kleinen Bäckerei in Eglharting, die wegen ihrer traditionellen Handwerkskunst weit über den Ort hinaus bekannt ist. Ende des Jahres schließt er die Tür für immer. © Stefan Rossmann

Ende des Jahres sperrt Markus Gmeinwieser seine gleichnamige Bäckerei in Eglharting zu. Der Personalmangel zwingt den traditionsreichen Handwerksbetrieb in die Knie.

Eglharting – Vor dem kleinen Laden an einer Seitenstraße der B 304, in dem kaum Platz zum Umdrehen ist, bilden sich in Eglharting auf dem Gehsteig vor allem am Samstag lange Schlangen Kunden. Die Leute sind geduldig, auch wenn es regnet. Durchs Fenster der Bäckerei Gmeinwieser lockt die Auslage: Apfelstrudel, Rohrnudeln und Auszogene. Bauernbrot, Brezen, Semmeln, die legendären Passauer. Keine Ware aus dem Supermarkt-Backshop. Das sieht und schmeckt man.

Wegen Personalmangel: Eglhartinger Traditionsbäcker muss zum Jahresende zusperren

Nur nicht mehr lange. Im Fenster hängt ein Brief auf blauem Papier: Schluss zum Jahresende. Wieder sperrt ein Traditionsgeschäft wegen Personalmangels zu. Schon länger waren die Öffnungszeiten und das Warenangebot im Geschäft eingeschränkt.

Wenige Maschinen, wenige Back-Zusätze: Martin Gmeinwieser arbeitet traditionell.
Wenige Maschinen, wenige Back-Zusätze: Martin Gmeinwieser arbeitet traditionell. © Stefan Rossmann

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Bäcker Markus Gmeinwieser (61) hat es heftig erwischt. Sieben Mitarbeiter arbeiteten unlängst noch in der Backstube im Ortsteil Riedering. Dort begann die Schicht um zwei Uhr früh. Zuletzt sei er fast allein in der Backstube gewesen, erzählt der Chef: „Zwei Mitarbeiter haben noch mitgeholfen, bis alles abgewickelt war, aus Loyalität.“

„Mir ist das ganze Team weggebrochen“ - Bäckerei Gmeinwieser findet keinen Ersatz

Der Personalschwund hatte mehrere Gründe. Einer hatte einen Schlaganfall. Ein Lehrling hat abgebrochen, auch weil er die Prüfung nicht bestanden hatte. „Er hat eine Mitteilung per Whatsapp aus dem Urlaub geschickt.“ Ein weiterer Mitarbeiter will studieren, Politikwissenschaften. „Er hat bei mir Bäcker gelernt und er war richtig gut“, sagt Gmeinwieser. „Jetzt will er etwas anderes. Das kann ich verstehen.“ Ein langjähriger Mitarbeiter zieht in die Stadt. Eine andere Mitarbeiterin zieht wieder heim in die Türkei.

„Mir ist das ganze Team weggebrochen“, sagt Gmeinwieser. Das könne man nicht so schnell ersetzen. Eine ganze Fußballmannschaft könne man auch nicht mitten in der Saison austauschen. Zumal die Mitarbeiter, die er sucht, auf dem aktuellen Arbeitsmarkt fast Fußballstar-Status haben: „Bäcker werden derzeit mit Gold aufgewogen.“

Eglhartinger Bäckerei legt großen Wert auf traditionelle Herstellung und Leidenschaft

Die Bäckerei Gmeinwieser arbeitet traditionell. Wenige Maschinen oder Back-Zusätze, viel Zeitaufwand. „Das merkt man am Geschmack. Aroma braucht eben Zeit“, sagt der Chef. Es komme weniger auf die Rezepte an, als auf den Herstellungsprozess. Keine branchentypische Aussage mehr, räumt Gmeinwieser ein: „Es muss alles immer schneller gehen.“ Er ist Bäcker aus Leidenschaft in der fünften Generation.

Da hätte ich mehr produzieren, hätte alles umstellen müssen. Das wollte ich nicht.

Mit seiner Grundeinstellung war für ihn immer klar, dass er keine Filialen öffnen würde. „Da hätte ich mehr produzieren, hätte alles umstellen müssen. Das wollte ich nicht.“ Es sei eben ein Unterschied, ob du für einen Zitronenkuchen eine Backmischung nimmst – oder die Früchte selbst auspresst und die Schale händisch reibst. „Heißt zwar mehr Arbeit. Aber du hast sofort das Ergebnis.“ Das Lob der Kunden sei ein „immaterieller Lohn“, sagt der Bäcker.

Ladeneinrichtung stammt aus den 1950-Jahren: Alles wird handschriftlich notiert

Die Ladeneinrichtung stammt aus den 1950er-Jahren, etwas altertümlich, spezielles Flair. Eine Registrierkasse sucht man vergeblich. Das Wechselgeld liegt in einer Schublade. Umsätze werden auf einem Block handschriftlich notiert. „Das ist alles ganz legal“, betont der Firmenchef. Und ein Einkaufserlebnis wie früher.

Aus der Backstube in den kleinen Laden: Martin Gemeinwieser trägt einen Korb voller frischer Brezen.
Aus der Backstube in den kleinen Laden: Martin Gemeinwieser trägt einen Korb voller frischer Brezen. © Stefan Rossmann

Das Thema Zeit und Verantwortung lebt der Bäcker auch in seinen Hobbys: Drachenfliegen, Motorradfahren, Segeln. „Da bist du mit deinen Entscheidungen oft alleine“ sagt er. Sport in der Natur bedeute, das Warten zu üben. „Das sind wichtige Erfahrungen. Und das gilt auch für den Beruf.“

„Familienbetrieb heißt eben Familie“: Eglhartinger Bäcker fehlt ein Nachfolger

Markus Gmeinwieser hat keine Nachkommen, die Geschäft und Backstube übernehmen könnten. Ein potenzieller Nachfolger sprang ihm wieder ab – wohl mangels Rückhalt von daheim. „Familienbetrieb heißt eben Familie“, sagt Gmeinwieser. „Ohne die Unterstützung durch meine Frau wäre es bei mir nicht gegangen.“

Bei ihm arbeiteten bis zu 20 Menschen im Betrieb, von der Verkäuferin über den Bäcker bis zur Reinigungskraft, mit unterschiedlichen Stundenzahlen „Wir hatten zeitweise neun Sprachen im Betrieb, bis hin zu Russisch und Arabisch. Wir kamen gut miteinander aus.“ Auch die Flüchtlinge, die er ausgebildet habe, seien gut gewesen. Und abgeworben worden. „Inzwischen werden Kopfprämien in der Branche gezahlt.“

„Es tut mir von Herzen weh“: Eglhartinger Traditionsbäcker sperrt zu

Seine Berufswahl habe Gmeinwieser nie bereut. Die Kreativität, das Ausprobieren. Das frühe Aufstehen sei weniger schlimm als manche täten. Schließlich gebe es Nacht- und Schichtarbeit auch in anderen Berufen. „Im Urlaub und am Wochenende lebe ich ganz normal. Da kann ich ausschlafen.“

Es tut mir von Herzen weh, vor allem wegen der treuen Kunden

Übers Aufhören sagt der Bäcker: „Es tut mir von Herzen weh, vor allem wegen der treuen Kunden.“ Vor zehn Jahren hätte er wohl noch die fünf Jahre Zeit investiert, die es brauche, um ein neues Team aufzubauen. Jetzt, mit 61, nicht mehr. „Von meinen Mitarbeitern sitzt keiner auf der Straße.“ Sollte doch noch ein Nachfolger auf den Betrieb aufmerksam werden, könne er sich gerne melden, Tel. (0 80 91) 14 66. Markus Gmeinwieser will erst mal entspannen. „Ich gehe Skifahren.“

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