Wieder Rückschritte - Plötzlich vollziehen die weltgrößten Konzerne eine radikale Klima-Abkehr
Erneuerbare Energien sind weltweit auf dem Vormarsch - und produzieren Strom billiger und sauberer als fossile Alternativen. Dennoch bäumen sich die fossilen Industrien noch einmal auf, um auf den letzten Metern noch Geld aus dem Geschäft mit Kohle, Öl und Gas zu ziehen.
Noch auf der letzten Weltklimakonferenz im November in Baku tummelten sich Manager großer Öl-Konzerne in der sogenannten Green Zone, wo eigentlich Unternehmen ihre Lösungen für den Klimawandel präsentieren sollten. Er glaube, dass das Geschäft mit fossilen Energien ewig Bestand haben werde, sagte ein US-Unternehmer in Baku zu FOCUS online Earth. Er bewarb eine Technologie, die die Ölproduktion zumindest sauberer machen soll.
„Drill baby, drill“
Sein Präsident sowie der US-Energieminister geben ihm Recht. Mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen und seinem Energiepolitik-Motto „Drill baby, drill“ hat Donald Trump wie erwartet eine radikale Klima-Kehrtwende eingeschlagen.
Damit ist Trump allerdings nicht allein. Zehn Jahre nach dem historischen Klimaabkommen in Paris haben viele Konzerne, Banken und Staaten ihre ambitionierten Klimaziele still und heimlich wieder einkassiert.
Plötzlich planen Energiekonzerne wieder den Ausbau ihres fossilen Geschäfts und lassen ihre einstigen Klimapläne in der Versenkung verschwinden. Und das trotz der Warnung der Internationalen Energieagentur, dass schon seit 2021 keine neue fossile Energieinfrastruktur mehr gebaut werden darf, wenn die Welt das 1,5-Grad-Ziel erreichen will. Während die globalen Emissionen bislang noch immer weitergewachsen sind, wurde die wichtige Klima-Grenze 2024 erstmals gerissen.
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Die große Liste der Klima-Kehrtwenden
Hinter der plötzlichen Klima-Kehrtwende stecken mehrere Gründe. Die anhaltend hohe Nachfrage nach fossilen Energieträgern, die schleppende Energiewende, politische Widerstände gegen Klimaschutzmaßnahmen und die mangelnde Wirtschaftlichkeit grüner Technologien führen dazu, dass viele Unternehmen, Banken und Staaten ihre ursprünglichen Klimapläne in großem Stil zurückziehen. Ein Überblick.
Die Energieunternehmen
- BP: Das britische Ölunternehmen hat seine Investitionen in erneuerbare Energien um 5 Milliarden US-Dollar gekürzt und fördert wieder verstärkt Öl und Gas.
- Shell: Einst wollte das Ölunternehmen zum grünen Vorzeigeunternehmen werden und bis 2050 klimaneutral werden. Die Klimaziele wurden mittlerweile abgeschwächt oder komplett gestrichen – genau wie die eine Milliarde US-Dollar für Windprojekte.
- Equinor: Auch der norwegische Öl-Konzernhat seine Ausbaupläne für Windkraft bis 2030 erheblich gesenkt – von 16 auf zwölf Gigawatt.
- Ørsted: Der dänische Energiekonzern reduziert die Windpläne ebenfalls, Kürzungen und Job-Abbau um 25 Prozent stehen an.
- RWE: Deutschlands Energiekonzern hat indes auch angekündigt, seine geplanten Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro für Erneuerbare Energien bis 2030 könnten sich verzögern.
- Exxon & Chevron: Die US-amerikanischen Fossil-Firmen haben bislang ihre Öl- und Gasproduktion seit 2019 erhöht und ihren Aktienwert gesteigert.
Die Banken
Auch die Finanzinstitute und Banken sind weltweit eher zurückhaltend, was das Thema Klima angeht.
- Die sechs größten US-Banken sind aus der sogenannten Net Zero Banking Initiative (NZBA) ausgetreten, dem wichtigsten Klima-Bündnis der Finanzbranche. Die verbleibenden Banken überlegen, die Klima-Anforderungen der Mitglieder zu lockern.
- Blackrock ist aus der Net Zero Asset Management Initiative ausgestiegen, der Klima-Initiative der Vermögensverwalter-Branche. Der Austritt führte zur Auflösung der Initiative.
- Seit dem Pariser Abkommen haben die 60 größten Banken weltweit fast sieben Billionen US-Dollar in fossile Unternehmen investiert, davon 3,3 Billionen direkt in die Ausweitung der Produktion. Laut dem Bericht „Banking on Climate Chaos“ bleibt der Trend zu fossilen Investitionen ungebrochen.
Die Staaten
Die mäßigen Klimaambitionen der Unternehmen kommen nicht von ungefähr. Auch die Politik zögert mit ihren Klimaplänen, rudert zurück oder zeigt kaum erkennbaren Umsetzungswillen.
- USA: Die USA wollen aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, planen Kürzungen im Klimaschutzhaushalt, in der Forschung und bei der internationalen Klimafinanzierung.
- EU: Noch gilt die EU als ambitionierte Klimamacht. Doch inzwischen wird das ehrgeizige Herzstück, der Green Deal, aufgeweicht. Dazu gehören die Verschiebung der Pkw-Flottengrenzwerte und Diskussionen über eine Verzögerung des Emissionshandels 2, was zu höheren CO2-Emissionen führt und die Klimafinanzierung gefährdet.
- China: Ambitionierte Klimaziele fehlen weiterhin. Auch China hinkt mit seinen Dekarbonisierungsplänen hinterher und bremst damit den globalen Klimaschutz.
Fest steht: Die schwierige Lage der globalen Wirtschaft, gestiegene Energiekosten und die politische Unsicherheit erschwert vielen Unternehmen, Banken und auch Staaten weiterhin an den ehrgeizigen Klima-Plänen festzuhalten. Besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit tendieren viele Unternehmen und Regierungen dazu, sich auf kurzfristige wirtschaftliche Ziele zu konzentrieren, anstatt in langfristige Klimastrategien zu investieren.