Kinderarzt erklärt: „Kindheit ohne aufgeschlagenes Knie ist ein Missverständnis“

  1. Startseite
  2. Deutschland

Kommentare

Überbesorgte Eltern können die Entwicklung ihrer Kinder gefährden, sagt Kinderarzt Renz-Polster. Er plädiert für mehr Freiraum und weniger Helikopter-Erziehung.

Kinder lieben es, im Freien zu spielen und herumzutollen, am besten in Gesellschaft ihrer Freunde und Spielkameraden. Es ist völlig normal, dass dabei gelegentlich kleinere Verletzungen auftreten. Manche Eltern übertreiben es aber mit ihrem Beschützerinstinkt, indem sie ihr Kind immer wieder sorgenvoll vor möglichen Gefahren warnen. Zum Beispiel, es zu ermahnen, nicht zu hochzuklettern. Manchmal greifen sie sogar in Spiel ein, ohne, dass dies erforderlich ist: „Komm, ich halte dich fest.“ Ein Verhalten, das laut dem Kinderarzt und Autor Herbert Renz-Polster Konsequenzen haben kann.

Kinderarzt gibt Erziehungstipps: Aufgeschlagene Knie dürfen auch mal sein

Ein Kind ist mit dem Rad gestürtzt und greift sich ans verletzte Knie. (Symbolbild)
Kleinere Unfälle gehören zur Kindheit dazu und trainieren das Geschick der Kinder. (Symbolbild). © Zoonar/Imago

„Das wirkliche Risiko für die Kinder ist: all das nicht zu erleben“, erläutert der Experte in einem Interview mit Zeit Online. Nur selten rausgehen zu können und damit weniger Erfahrungen zu sammeln, habe für die Kinder aus medizinischer Sicht sogar ein gesundheitliches Risiko. „Weil sie nicht in ihren Körper reinkommen“, so Renz-Polster. Es gehe dabei also nicht nur um Übergewicht und Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck. „Kinder, die wenig draußen sind und sich wenig bewegen, sind auch anfälliger für Unfälle.“

Noch mehr spannende Themen rund um Baby, Kind und Erziehung finden Sie im Newsletter unseres Partners hallo-eltern.de

Was zunächst paradox erscheint, ergibt durchaus Sinn: Kinder würden lernen, sich vor Risiken zu schützen, indem sie diese eingehen, so der Mediziner. Dies steht im Gegensatz zur Erziehung der sogenannten Rasenmäher-Eltern, die möglichst komplett vermeiden wollen, dass ihre Kinder Misserfolge erleben. Dies lasse sich laut Renz-Polster sogar durch Daten belegen. So zeigen Statistiken, dass je ungeschickter ein Kind ist, desto höher sein Risiko, sich ernsthaft zu verletzen. Geschicklichkeit lasse sich jedoch trainieren und diene, ebenso wie der Muskelaufbau, dem Schutz vor Unfällen.

„Eltern müssen nicht alles wissen, was ihre Kinder tun“

Auch wenn es Eltern mit ihren Schützlingen in der Regel gut meinen: „Eine Kindheit ohne aufgeschlagenes Knie ist ein Missverständnis“, so der Kinderarzt. Denn einen hunderprozentigen Schutz kann es nicht geben. „Das wäre ein Leben unter einer Glasglocke.“

Er verteidigt auch die sogenannten Helikopter-Eltern, deren Erziehungsstil oft in der Kritik steht. Diese würden laut Kritikern „unselbständige Tyrannen“ und verwöhnte, verhaltensauffällige Kinder erziehen. Renz-Polster glaubt jedoch nicht, dass es die Schuld der Eltern ist, dass ihre Kinder – und auch sie selbst – heutzutage weniger Freiraum haben.

„Die Kindheiten heute laufen eher nach Programm. Und da ist immer jemand, der sich sorgt oder Aufsicht führt. Aber ich finde, Eltern müssen nicht alles wissen, was ihre Kinder tun“, meint der Erziehungsexperte. Einige Erfahrungen würden Kinder mit, andere ohne die Eltern machen. „Es ist gut, wenn die Eltern da sind, um das Feuer zu löschen, aber Zündeln muss auch sein.“

Auch interessant

Kommentare