Wann hat man schon mal die Gelegenheit, beim Guss einer Kirchenglocke für die eigene Gemeinde dabei zu sein? Mitglieder der Peitinger Pfarrei bekamen dazu jetzt die Gelegenheit, als in Innsbruck die neue „Friedensglocke“ gegossen wurde.
„Es ist doch was Einmaliges, nach alter Handwerkskunst beim Gießen der eigenen Glocke dabei sein zu dürfen“, sagt Gabi Schäller frühmorgens auf der Fahrt nach Innsbruck. Sie ist mit der Peitinger Gruppe im Bus dabei. Natürlich auch Pfarrer Robert Kröpfl, der schon im Bus Erklärungen für das Vorhaben abgibt. So ist von ihm zu erfahren, dass die neue „Friedensglocke“ als sechste Glocke im Geläut von St. Michael erklingen soll.
„Vor einhundert Jahren wurde diese kleine Glocke des Geläuts an Maria Egg abgetreten“, so der Pfarrer, der gleich Details zur neuen Glocke liefert: „230 Kilogramm wird sie wiegen und einen Durchmesser von 72 Zentimeter haben.“ Und er wird noch genauer: “Sie ist in cis-des/2 gestimmt.“ Da ist selbst Bürgermeister Peter Ostenrieder auf dem Platz neben ihm baff.
Gut, der Pfarrer ist Insider auf diesem Gebiet. Schließlich hat er während seiner Ausbildungszeit in Salzburg des öfteren die Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck besucht. Er kennt natürlich den Seniorchef Christof Grassmayr, hat mit ihm schon manches Traditionsschnapserl nach erfolgreichem Guss genossen. So ist es auch der Senior mit seinen 87 Lenzen, der an diesem Tag in der Gießerei die Führung für die Peitinger übernimmt.
Grassmayr weiß alles über den Guss von Glocken. Schließlich ist die Firma, die 1599 gegründet wurde, heute in der 16. Generation. In über einhundert Ländern der Welt läuten die Glocken der Gießerei. Egal ob Kirchenglocken, Kuhglocken, Glockenschalen oder ganze Glockenspiele, überall hat Grassmayr seinen Stempel erfolgreich aufgedrückt. Der Senior ist wirklich ein alter Fuchs auf dem Gebiet rund um die Herstellung einer Glocke. Jedes Detail, von der Formung über die Verzierung bis zur Feinabstimmung kann er in dem Museum am Objekt fachgerecht und für den Laien verständlich erklären. Klar, dass er auch auf die Ornamentik der Peitinger Glocke eingeht. „Eine Friedenstaube, das Pax Christi und der Schriftzug ,Fürchtet Euch nicht‘ aus dem Lukas Evangelium wurden von einer unserer Bildhauerinnen erstellt“, so Grassmayr.
„Ein wunderbarer Spruch auf der Glocke, die Ihr Geläut wunderbar bereichern wird“, so der Seniorchef. Wie er weiter erklärt, sind Verzierungen eine große Herausforderung für die Bildhauerinnen. „Wir haben zwar alle Heiligen als Modell in unserem Archiv, aber Sonderwünsche müssen eben per Hand erstellt werden“, so Grassmayr. Und das spiegelverkehrt. Aber: „Eine Kirchenglocke ohne Verzierung wäre undenkbar“, so der alte Fachmann, der erklärt, dass Verzierungen auch ganz minimal den Ton der Glocke beeinflussen.
Juniorchef Peter Grassmayr hat schon Stunden vorher seinen Platz in der Gießerei eingenommen, um zeitgerecht den großen Ofen anzufeuern. Mit drei seiner Mitarbeiter hat er die Tage und Wochen vor dem Guss all die notwendigen Vorarbeiten geleistet. Es wird ja an diesem Nachmittag nicht nur die Peitinger Glocke gegossen. Insgesamt sieben neue Prachtexemplare sollen entstehen. „Drei Glocken werden wir für zwei Kirchen in Bosnien, zwei Glocken für eine Kirche in Verona (Italien), eine Glocke für Linden (Schweiz) und eben die Friedensglocke für Peiting in einem Zuge gießen“, so der Junior㈠chef.
Anto Bastijanovic hat sich den silberfarbenen Schutzanzug übergestreift. Er ist seit 33 Jahren bei Grassmayr und ebenfalls ein alter Fuchs auf seinem Gebiet. Der Glockengießer misst mit einem Spezial㈠thermometer die Temperatur in dem Ofen. Dafür zieht er den Brenner mittels Gestell an der Stirnseite des Ofens heraus und gelangt über eine Leiter an die Öffnung. Für kurze Zeit schiebt er den Messstab in die flüssige Bronze. Genau 1051 Grad zeigt die Skala um 13.12 Uhr an. Es ist noch nicht heiß genug, um gießen zu können. „Wir brauchen 1150 Grad.“
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Kein Problem. Es ist ja noch Zeit bis zum geplanten Guss um 15 Uhr. „Diese Zeit wird bei Kirchenglocken immer gewählt, weil sie an das Sterben Christi erinnern soll“, so Senior Grassmayr zu den Zuschauern, die sich mittlerweile eingefunden haben. Der zweite Grund ist, dass die gegossenen Glocken über die beiden Tage des Wochenendes abkühlen können.
Die Temperatur der Bronze im Ofen stimmt. Die Uhrzeit auch. Glockengießer Bastijanovic zeigt sich zufrieden. Sterbestunde Christi. Die nächsten Minuten gehören den drei Pfarrern. Sie sprechen, jeder in seiner Sprache, Gebete zum Gelingen des Gusses ihrer Glocken und segnen mit Weihwasser. Peter Grassmayr durchstößt problemlos das Spundloch. Jetzt fließt die glühend heiße Bronze in den Gusskübel, der am Kran hängt. Der Guss kann beginnen.
„Vor der kleinen zur großen“, lautet die Taktik der Gießer. Drei Glocken Vorlauf, dann ist die Peitinger Glocke an der Reihe. Gleichmäßig läuft die Bronze in die Öffnung der Form. Kein Spritzer geht daneben. Die Männer sind aufeinander eingespielt. Die Anspannung ist trotzdem spürbar, auch die Hitze.
Glocke muss drei Tage auskühlen
Es muss der Gusskübel erneut gefüllt werden, damit auch noch die siebte Glocke vollendet werden kann. Dann der Beifall der Zuschauer. Geschafft. Alle sind erleichtert. Jetzt noch drei Tage zum Auskühlen, dann wird die Peitinger Glocke aus der Form gehoben, von der Lehmhaut befreit und feingestimmt. Später wird sie dann von Pfarrer Robert Kröpfl und Bürgermeister Peter Ostenrieder abgeholt und nach Peiting gebracht. Bis zur Einbringung in den Glockenturm wird sie in der Kirche bestaunt werden können.
„Ich freue mich riesig, dass ich mitgefahren bin. Für einen Bürgermeister ist es etwas ganz Besonderes, von Anfang an so etwas zu erleben“, sagt Ostenrieder beim abschließenden obligatorischen „Glockenschnapserl“ im Garten der Firma. Ihn übertrumpft in seinen Worten nur der mitgereiste Gemeinderat Andreas Barnsteiner: „Einmal im Leben muss man das miterleben. Egal, was es kostet.“