Robert de Niro‘s talking: Christian Brückner und Martin Auer Quintett in Landsberg

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Christian Brückner las, das Martin Auer Quintett kreierte den perfekten Soundtrack dazu. (v.l.) Jan Eschke am Piano, davor Schauspieler Brückner, Martin Auer (Komposition und Trompete, Andreas Kurz am Bass, Bastian Jütte an den Drums und Florian Trübsach mit dem Sax. © Greiner

Eine Stimme mit Tiefgang, Musik, die sich anpassen kann, ohne dabei die zweite Geige zu spielen: Christian Brückner, unter anderem Synchronsprecher von de Niro, und das Martin Auer Quintett heben Poes „Hinab in den Maelström“ in neue Sphären.

Landsberg – Wie kann man Edgar Allan Poe noch besser machen? Man lässt sich seine Prosa vorlesen. Und deren hintergründigen Rhythmus von Musik verstärken. Was dann entsteht, ist ein Gesamtkunstwerk aus Klang und Wort, das die Hirnschale öffnet. Christian Brückner kroch förmlich in Poes „Hinab in den Mael­strom“. Und das Martin Auer Quintett tanzte mit seinen Worten.

Christian Brückner und Martin Auer in Landsberg: von rabenschwarz zu schneeweiß

Der Schwarze Romantiker Poe erzählt mit einem Erzähler: In seiner 1841 veröffentlichten Kurzgeschichte „A Decent into the Maelström“ lässt er einen alten Mann im Rückblick von einem ihn prägenden Moment berichten: Als er mit seinen Brüdern in den Maelström gerät, jenes Monster unweit der norwegischen Küste, ein Strudel, der alles und jeden ins Nichts hinab zieht. Er überlebt – natürlich, er könnte sonst nicht erzählen. Doch er ist gezeichnet: „Sechs Stunden tödliches Entsetzen haben mich an Leib und Seele gebrochen.“ Sein Haar, „vorher rabenschwarz, war so weiß, wie Sie es jetzt erblicken.“

Christian Brückner wird bald 81. Und hat Haare so weiß, als ob er selbst im Maelström war. Mit seinem grauen Troyer ähnelt er dem Seemann – Seebär wäre der falsche Ausdruck, viel zu lieblich –, dessen Worte er aus seinem Mund wirken lässt. Eine tiefe Stimme, leicht knarzig – und bekannt wie ein bunter Hund: Brückner ist unter anderem de Niros Synchronstimme. Aber eben auch Schauspieler. Und so scheint de Niro in den ersten Sätzen noch über die Schulter zu zwinkern. Aber schon nach wenigen Minuten ist Brückner der Fischer. Ein Mann mit Geschichte, Erfahrung. Und einer stark-brüchigen Stimme, rauh von der See und ihren Wundern.

Bevor Brückner spricht, setzt Martin Auer mit seinem Quintett und der von ihm zur Erzählung Poes komponierten Musik ein: Schräges klingt da in der ersten Melodie an, zu der der Sprecher nach kurzer Zeit die ersten Worte setzt. Und das ist Zusammenspiel im besten Wortsinn: Stimme und Töne umschlingen einander, gehen an einem Takt entlang, springen im Gleichklang und ruhen bei Satzzeichen. Das erinnert gar an (sanften) Rap, der Bilder vom starken Wind und dem „kurzen, schnellen, zornigen Aufklatschen des Wassers in alle Richtungen“ oder auch das „zunehmende Tosen wie von einer Büffelherde“ des näherkommenden Maelströms nahezu spüren lässt.

Lesung mit de Niro-Synchronsprecher Brückner: Die Soli des Martin Auer Quintetts

Brückner spricht auch ‚nackt‘, ohne Musik. Passagen, in denen Poe beispielsweise Erklärungen des Phänomens einflicht, Theoretisches: Das darf auch karg daherkommen. Ebenso übernimmt das Martin Auer Quintett das Erzählen – und malt Bilder des „schwindelnd, kreischenden Strudels“, mit Tönen, die an ein Signalhorn erinnern, mit wirbelnden Improvisationen am Piano (Jan Eschke), am Sax (Florian Trübsach) oder an der Trompete (Martin Auer).

Es wird ruhiger, wenn die erste Gischtwelle des Maelströms überwunden ist und das Boot des Fischers zur – glatten – Wand im Inneren kommt, hinab in den Abgrund, der „ungeheuren Menge flüssigen Ebenholzes“, die alles ins Nichts zieht. Und schließlich malen Flöte (Trübsach) und Trompete nahezu ätherisch den Anblick des blauen Himmels, der sich über Gischt und dem in ihr entstehenden Regenbogen spannt – wenn sich der Fischer mit seinem vermeintlichen Tod abfindet. Bevor ihn die Hoffnung – und die Naturgesetze – wörtlich aus dem Abgrund zurückziehen.

Brückner und Auer-Quintett gehen in ihrem Hörspiel-Konzert eine Symbiose ein. Man mag sich den einen ohne die anderen nicht vorstellen. Denn was sich an Rhythmus und Sog in dieser Gemeinsamkeit entwickelt, die stets ohne Vorrang-Ansprüche auf den anderen eingeht, ist wohl nur durch die Unmitttelbarkeit des entstehenden Klangraums möglich. Die Resonanz: Standing Ovations.

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