950 Jahre Rottenbuch: Rundgang durch die Geschichte des Klosterorts

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Eingebettet in sanfte Hügel, Felder und Wald liegt der Klosterort Rottenbuch, den diese alte Aufnahme zeigt. © KulTOUR-Verein Rottenbuch

950 Jahre wird der Klosterort Rottenbuch dieses Jahr alt. Dieses besondere Jubiläum hat sich der „KulTOUR“-Verein zum Anlass genommen, um geschichtliche Führungen anzubieten. Wir haben uns einmal angeschlossen.

Rottenbuch – Eine gut 20-köpfige Gruppe steht im Halbkreis um Elisabeth Welz herum und lauscht den Schilderungen und Hintergründen, die die Schongauerin mit lockerer Zunge über Rottenbuch erzählt. Gemeinsam wandern sie an diesem Abend rund eineinhalb Stunden lang durch den Ort und machen an den bedeutendsten Stellen Halt, die das Klosterdorf über die Jahrhunderte geprägt haben. 950 Jahre ist die Gemeinde inzwischen alt: Ein Jubiläum, das der Rottenbucher „KulTOUR“-Verein zum Anlass genommen hat, um geschichtliche Rundgänge anzubieten. Mit Elisabeth Welz konnte der Verein dafür eine erfahrene Kirchen- und Kulturführerin gewinnen.

Die Führung startet am alten Fohlenhof, der seit 1437 in Rottenbuch steht, bis 1866 vom Königshaus genutzt wurde und inzwischen in Privatbesitz ist. Hier nimmt Welz die Teilnehmer in Empfang und erzählt über die Zeit der Gründung des Augustiner-Chorherrenstifts im Jahr 1073. Möglich gemacht hatten sie Schenkungen von Herzog Welf I. Der Passauer Bischof Altmann war nicht weniger richtungsweisend: Er entsandt die ersten Chorherren vom Stift Nikola bei Passau in das neue Kloster. Schon 1085 begannen die Chorherren mit dem Bau der romanischen Klosterkirche, fünf Jahre später verlieh Papst Urban II. Rottenbuch die „Libertas Romana“ – „ein Privileg“, wie Welz betont. Damit war das Augustiner-Chorherrenstift zum päpstlichen Eigenkloster geworden und seinem Schutz unterstellt. Wegen dieser Sonderstellung kamen viele Menschen nach Rottenbuch zur Beichte, die Kassen im Ort füllten sich.

950 Jahre Rottenbuch: Ein Rundgang durch die Geschichte des Klosterorts

Vom Fohlenhof aus wandern Welz und ihre Begleiter weiter zum Torgebäude des Klosterhofs. Im Tor selbst befand sich früher ein Gefängnis, oben war bereits um das Jahr 1400 ein Schulzimmer eingerichtet. Der Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen, den damals bereits Lehrer übernahmen, sorgte für einen vergleichsweise hohen Bildungsstand der Rottenbucher. „Hier gab es keinen Analphabetismus“, betont die Führerin, die auch den „Trick“ verrät, mit dem der Klerus die bäuerlichen Familien dazu brachte, ihre Burschen in die Schule statt aufs Feld zu schicken: „In der Schule gab es jeden Tag eine warme Mahlzeit. Das war viel wert.“ So wurden in Rottenbuch lange vor der Aufklärung schlaue Köpfe und musische Talente gefördert.

Als die Führung an dem ehemaligen Brauereigebäude vorbeikommt, in der heute die Regens Wagner Stiftung sitzt, werden freilich Erinnerungen an den Brand von 2018 wach. Ein verheerendes Feuer, das im Dachstuhl des Bräuhauses ausgebrochen war, zerstörte das Dach und verursachte immense Schäden im ganzen Gebäude.

Rund 20 Interessierte schlossen sich der geschichtlichen Führung durch Rottenbuch an.
Rund 20 Interessierte schlossen sich der geschichtlichen Führung durch Rottenbuch an. © KulTOUR-Verein Rottenbuch

Die Gruppe marschiert an weiteren Klostergebäuden weiter zum Kern des Areals, in dessen Mitte der frei stehende, 67 Meter hohe Kirchturm in die Höhe ragt. Das Besondere an ihm seien die verschiedenen Ziffernblätter, sagt Welz und deutet auf die drei untereinander liegenden Uhren, die an der oberen Fassade des Turms prangen. „Ursprünglich war hier eine Doppelturmfassade geplant“, erklärt sie. „Aber dafür hätte das Geld nicht ausgereicht, und in Rottenbuch hat man nichts gebaut, das man sich nicht hätte leisten können.“

Als die Teilnehmer des Rundgangs schließlich nach und nach über die Schwelle in den Innenraum der Kirche treten, macht Welz sie auf den 950 Jahre alten Steinboden aufmerksam. Über die Jahrhunderte haben die Kirchenbesucher hier ihre Spuren hinterlassen: Wie eine Welle hat sich der Boden stellenweise sanft nach unten gesenkt. „Alle Menschen, die die Kirche besucht haben, haben diesen harten Stein so weich geformt.“

Im Inneren der Pfarrkirche: Fresken zeigen Leben des Heiligen Augustinus

Im Innenraum der Kirche angekommen, werden die Besucher von Stuckarbeiten, Voluten und Putti regelrecht überflutet. Dass es hier einst nur eine flache Holzdecke gab, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Doch die Kirche wurde über die Jahrhunderte oft verändert; auf den schlichten Stil der Romanik folgte die lichthungrige Gotik, die nach oben strebte, und schließlich kam der Barock, der den Himmel in das Gotteshaus holen wollte. In der Rottenbucher Kirche lassen sich Elemente aus allen Epochen finden, „hier verschmelzen die Stilrichtungen“, schwärmt Welz.

Schließlich erwartet die Gruppe eine Besonderheit: Mit dem Organisten Florian Löffler dürfen sie auf die Orgelempore steigen, wo sie die rund 3000 Pfeifen der frisch restaurierten Barock-Orgel aus nächster Nähe bestaunen dürfen. Löffler erklärt den Mechanismus, der hinter dem beeindruckenden Instrument steckt, und wie Experten der Orgel in kostspieliger und mühsamer Feinarbeit wieder zu ihrem originalen Klang von 1747 verholfen haben.

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Gegen Ende der Führung steht Elisabeth Welz im Hauptschiff der Stiftskirche und zeigt begeistert auf die Details, mit denen Matthäus Günther vor rund 290 Jahren seine Fresken ausgearbeitet hat. Die großformatigen Malereien, die die Wände und die Decke der beeindruckenden Rokoko-Kirche zieren, erzählen das bewegte Leben des Heiligen Augustinus: wie er als junger Student die Welt und das Weltliche entdeckte, feierte und außerehelich liebte, bis er an einen Wendepunkt kam und seinen Weg zu Gott fand. „Vom Playboy zum Bischof“, bringt Welz Augustinus‘ Werdegang knackig auf den Punkt. Ihre Zuhörer schmunzeln.

Festwochenende zum Jubiläum

Das 950-Jährige feiert Rottenbuch mit einem Festwochenende vom 30. August bis 1. September. Zum Patrozinium der Pfarrkirche am 8. September gibt es eine Kirchenführung (16 Uhr) und eine Orgelführung (17 Uhr). Zudem werden an diesem Tag an zehn Stationen im Ort Türen geöffnet, die sonst verschlossen bleiben

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