Union denkt über Abschaffung nach: Das ist die Wahrheit über das Deutschlandticket
CDU-Chef Friedrich Merz hat harte Verhandlungen um das Deutschlandticket angekündigt. Zu teuer und nur was für Stadtbewohner, so die Kritik. Stimmt das aber?
Berlin – Seitdem es das Deutschlandticket gibt, wird über ihre Finanzierung gestritten. Bis einschließlich 2025 ist das Geld noch dafür da, der Bund steuert 1,5 Milliarden Euro aus dem Haushalt bei. Die Länder bringen den gleichen Betrag auf – doch sie pochen auf eine langfristige Unterstützung aus dem Bund für das Ticket. CDU-Chef Friedrich Merz ist zwar grundsätzlich dafür, dass das Deutschlandticket fortbesteht. Doch bei der Frage nach dem Geld ist er nicht bereit, mehr hinzulegen. Er sehe bei der Finanzierung „keine alleinige Verpflichtung des Bundes“, betonte er in der vergangenen Woche.
Streit um das Deutschlandticket geht in die nächste Runde: Markus Söder will nicht zahlen
Ganz anders sehen das andere in der Partei. Zum Beispiel Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der ab 2026 nicht mehr zahlen will. „Wenn der Bund es nicht bezahlt, dann muss es fallen. Ganz einfach“, sagte er. Nach der Wahl müsse die neue Bundesregierung prüfen, ob die Finanzierung „in der Gesamtverantwortung des Bundes“ möglich sei. Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für Verkehr, Ulrich Lange (CSU), lehnt eine Finanzierung durch die Länder ab.
Es zeichnet sich also weiter Streit ab. Dabei ist das Deutschlandticket erfolgreich: 13 Millionen Menschen nutzen das Ticket. Warum ist das Ticket also nicht auch in der Politik beliebter?
Im Wesentlichen ist der Streit um das Geld auch ein Streit darüber, was genau das Deutschlandticket eigentlich bezweckt. Bund und Länder wollen verständlicherweise wissen, was sie für ihr Geld bekommen, also: Wem bringt das Ticket was? Wer nutzt es wirklich – und wozu? Steigen dadurch mehr Menschen vom Auto auf den Nahverkehr um? Hat das Ticket einen gesellschaftlichen Nutzen? Diese Fragen sind nicht immer so einfach zu beantworten. Doch es gibt Studien, die genau das versucht haben, herauszufinden.
Wer nutzt das Deutschlandticket? 13 Millionen Menschen haben ein Abo
Fangen wir bei der ersten Frage an: Wer nutzt das Deutschlandticket wirklich und zu welchem Zweck? Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat Ende Oktober 2024 die Ergebnisse einer Marktforschung präsentiert, die Aufschluss geben. Demnach haben 20 Millionen Menschen bisher mindestens einmal ein Deutschlandticket besessen, im Schnitt sind es monatlich 13,1 Millionen Nutzer und Nutzerinnen. Davon haben 96 Prozent angegeben, dass sie mit dem Ticket zufrieden sind.
Die Untersuchung ergibt außerdem, dass 40 Prozent der Nutzenden jung sind, also zwischen 14 und 29 Jahre alt. 46 Prozent der Nutzenden sind demnach Geringverdiener, es sind also etwas mehr Wohlhabendere, die das Ticket kaufen können. Fast 20 Prozent der Abonnenten leben auf dem Land.
Abonnenten des Deutschlandtickets haben im Schnitt mehr als 3000 Euro netto im Monat
2023 hat auch die Fraunhofer-Allianz Verkehr eine Untersuchung zu diesem Thema gemacht. Dabei kamen die Forschenden zu ähnlichen Ergebnissen: 27 Prozent der Nutzenden waren jung, in dieser Studie zwischen 25 und 34 Jahre alt. Weitere 21 Prozent sind 34 bis 44 Jahre alt – damit decken diese beiden Alterskohorten schon fast die Hälfte der Befragten ab. Die größte Gruppe der Nichtnutzenden sind im Rentenalter, also über 65 Jahre alt.
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Die Fraunhofer-Studie stellt außerdem fest, dass die meisten Deutschlandticket-Nutzer in Vollzeit arbeiten (55 Prozent) und sehr gut verdienen. Ganze 18 Prozent der Abonnenten haben demnach mehr als 6000 Euro Haushaltsnettoeinkommen im Monat. Insgesamt stellt die Studie allerdings fest, dass das Deutschlandticket über alle Einkommensgruppen hinweg abonniert wird. 41 Prozent der Abonnenten haben demnach weniger als 3000 Euro netto im Monat zur Verfügung.
Wozu nutzen Menschen das Deutschlandticket? Die meisten Nutzer leben in der Stadt
Auch die Frage nach dem Zweck beantwortet die Fraunhofer-Studie. Und zwar nutzen 69 Prozent der Abonnenten das Deutschlandticket für Freizeitfahrten, 55 Prozent nutzen es für alltägliche Zwecke und 43 Prozent nutzen es für Pendelfahrten. In den Urlaub fahren 38 Prozent der Nutzenden.
Ebenfalls beantwortet wird hier die Frage nach dem Wohnort. So leben 49 Prozent der Abonnenten in einer Stadt mit weniger als 100.000 Einwohnern; in Dörfern mit weniger als 10.000 Bewohnern leben aber eher wenige Deutschlandticket-Inhaber (18 Prozent). Aber: Noch weniger Menschen in einer Metropole mit über drei Millionen Einwohnern nutzen das Ticket (nur 6 Prozent).

Aus diesen Ergebnissen lässt sich sagen: Der durchschnittliche Deutschlandticket-Nutzer ist ein junger Vollzeitangestellter, der das Ticket hauptsächlich in der Freizeit und für alltägliche Bedarfe nutzt. Er ist wahrscheinlich finanziell gut aufgestellt und lebt eher in der Stadt als auf dem Land.
11 Prozent der Fahrten mit dem Deutschlandticket wurden vom Auto auf die Schiene verlagert
Die Frage nach dem „wer“ lässt sich also recht detailliert beantworten, diese Daten lassen sich auch einfach abfragen. Komplizierter wird es bei den Fragen nach der CO₂-Bilanz oder dem gesellschaftlichen Nutzen des Deutschlandtickets.
In der Zeitschrift für Wirtschaftspolitik haben es Andreas Krämer und Oliver Mietzsch aber versucht. Ihrer Untersuchung zufolge werden 15 Prozent der Fahrten, die mit dem Deutschlandticket unternommen werden, von Personen unternommen, die sonst nicht mit dem ÖPNV gefahren wären. Davon sind etwa 11 Prozent vom Auto auf die Schiene verlagert worden. Krämer und Mietzsch gehen davon aus, dass dadurch 2,67 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente im Jahr eingespart werden. Noch dazu sparen die Nutzer und Nutzerinnen Geld, im Monat sind es demnach rund 22 Euro. Auf das Jahr berechnet sind das 2,5 bis 2,9 Milliarden Euro, die Deutschlandticket-Nutzer sparen.
Deutschlandticket erhöht auch die Steuereinnahmen durch mehr Gastro-Besuche
In ihrem Fazit schreiben die Autoren auch, dass das Deutschlandticket durchaus einen Nutzen für die Wirtschaft als Ganzes hat. „Das Deutschlandticket generiert bei konservativer Betrachtung einen Wohlfahrtsgewinn von knapp 2 Mrd. Euro jährlich, der sich ausbauen lässt, wenn es gelingt, den Anteil der Neu-Abo-Kunden oder ÖPNV-Systemeinsteiger zu erhöhen“, so die Autoren.
Bei der Frage nach den Kosten sollte die Politik auch im Blick behalten, welchen Effekt das Ticket zum Beispiel auf lokale Wirtschaftszweige wie Gastronomie- und Freizeitbetriebe hat, die zu höheren Steuereinnahmen führen. Schwer zu beziffern, aber ebenfalls relevant, seien auch Faktoren wie die Imageverbesserung für den Wirtschaftsstandort Deutschland oder die eingesparten Kosten und die Zeit, die vorher für das komplexe System der verschiedenen Verkehrsverbunde aufgewendet werden mussten.
Das Deutschlandticket erfüllt also nach allen Betrachtungen seinen ursprünglichen Zweck – und erreicht gut ein Viertel der Bevölkerung. Diese Zahl ließe sich wohl auch erhöhen, wenn die Bürgerinnen und Bürger sicher sein könnten, dass es auch wirklich fortbestehen wird.