„Echte Abschreckung“: Pistorius verteidigt Stationierung von US-Raketen in Deutschland

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Verteidigungsminister Boris Pistorius wehrt Kritik an der Stationierung von US-Langstreckenwaffen ab. Ein General geht noch weiter.

Honolulu/Berlin – Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die Kritik an der Regierungsvereinbarung mit den USA zur Stationierung von Langstreckenwaffen in Deutschland zurückgewiesen. Es ginge bei der Stationierung der Raketen um „echte Abschreckung“, sagte Pistorius und wies Vergleiche mit dem Nato-Doppelbeschluss aus dem Kalten Krieg und Kritik am Entscheidungsverfahren zurück.

„Es geht jetzt darum, diese Lücke auf unserer Seite zu schließen, nicht um irgendjemandem zu bedrohen, sondern um deutlich zu machen, ein möglicher, ein eventueller Angriff auf Nato-Gebiet, auf Nato-Verbündete hätte für Russland einen so hohen Preis, dass das Risiko nicht mehr kalkulierbar wäre“, so der Verteidigungsminister am Dienstag am Rande eines Besuchs im US-Bundesstaat Hawaii.

Pistorius kontert Kritik zur Stationierung von US-Waffen in Deutschland

Die Entscheidung zur Stationierung von Tomahawk-Marschflugkörpern, SM-6-Raketen und neuen Hyperschallwaffen im Jahr 2026 wurde am Rande des Nato-Gipfels Anfang Juli angekündigt. Es sei eine Reaktion auf die Bedrohung durch Russland. Das kam auch für viele Abgeordnete im Bundestag überraschend und sorgte für Kritik – auch aus der SPD.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (l, SPD) wird in Pearl Harbor am USS Arizona Memorial von Admiral Samuel Paparo (r), Commander U.S. Pazific Fleet, mit militärischen Ehren begrüßt.
Der Verteidigungsminister zu Besuch in Hawaii, unter anderem für die Militärübung „Rim of the Pacific“. © picture alliance/dpa | Soeren Stache

Pistorius gab an, es spreche nichts gegen eine Debatte im Bundestag zu dem Thema. „Aber es ist originär kein Thema, was zuvor im Parlament diskutiert werden müsste. Es ist auch nicht vergleichbar mit dem Nato-Doppelbeschluss aus den 80er Jahren. Von daher sollten wir hier die Dinge sorgfältig auseinanderhalten.“

Pistorius beschwichtigt Sorgen um US-Langstreckenraketen: Unterschiede zum Nato-Doppelbeschluss

Durch den Nato-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979 sollten Atomraketen zur „Nachrüstung“ in Deutschland stationiert werden. Er galt als Reaktion auf die Aufstellung sowjetischer Langstreckenraketen des Typs SS-20. Der zweite Teil des Beschlusses war jedoch ein Verhandlungsangebot zur Begrenzung der atomaren Mittelstreckenraketen in Europa.

Pistorius gab an, bei der Stationierung seien keine nuklearen Sprengköpfe vorgesehen. „Das muss man zur Beruhigung all derer, die sich hier Sorgen machen, sehr deutlich unterstreichen“, so der Verteidigungsminister. Russland verfüge schon seit geraumer Zeit über Waffen dieser und anderer Reichweiten und habe dazu den Rüstungskontrollvertrag INF verletzt und aufgekündigt, der nukleare Mittelstreckensysteme regelt. 

Dabei wurde jedoch ausgelassen, dass Russland nicht als Erstes aus dem Vertrag ausschied. Im Februar 2019 kündigte der damalige Präsident Donald Trump den Vertrag auf, woraufhin kurze Zeit später auch Russland den Austritt erklärte. Neben dem Unterschied in den Sprengköpfen der Raketen ist ein weiterer Unterschied zum Nato-Doppelbeschluss auch, dass aktuell keine öffentlichen Gespräche zur Waffenbegrenzung stattfinden oder der Wille zu Gesprächen in der Weise erklärt ist. Und: Der Nato-Doppelbeschluss wurde final im Bundestag beschlossen.

General setzt sich für Abschreckung durch US-Waffen in Deutschland ein – auch nuklear

Der Brigadegeneral a.D. Heinrich Fischer setzte sich ebenfalls für die Stationierung der weitreichenden US-Waffen in Deutschland ein – diese sei „dringend geboten“. Sie sei „ein klares Signal der USA als Führungsmacht und verbessert die Glaubwürdigkeit der Abschreckung durch einen konventionellen Fähigkeitszuwachs“, so Fischer im Fachmagazin Europäische Sicherheit & Technik (Augustausgabe). Schon jetzt zeige die Ankündigung Wirkung: „An den Reaktionen aus dem Kreml lässt sich der gestiegene Abschreckungswert ablesen“.

Er verwies auf Waffensysteme in der russischen Exklave Kaliningrad, die eine reale Bedrohung für die Nato-Verteidigungsplanung in Zentraleuropa und im Ostseeraum seien. Der Bedrohung sei vor allem Deutschland als „strategisch logistische Drehscheibe“ ausgesetzt. Die Glaubwürdigkeit werde vor allem „bei gleichzeitiger Anhebung der nuklearen Schwelle“ verstärkt, sagte der Brigadegeneral a.D. und erinnerte an die während des Kalten Kriegs in Deutschland stationierten Tomahawks mit nuklearem Sprengkopf.

Laut Fischer habe der Tomahawk eine Reichweite von mehr als 1000 Kilometern, trage einen 450 Kilogramm schweren, konventionellen Sprengkopf und treffe auf etwa 10 Meter genau. Die Rakete SM-6 könne ballistische Raketen in ihrer Endflugphase abwehren, gegen Schiffe und in einer modifizierten Version auch gegen Bodenziele eingesetzt werden. Die neue US-Hyperschallwaffe („Long Range Hypersonic Weapon“) befinde sich in der Endphase ihrer Entwicklung. Sie fliege mit fünffacher Schallgeschwindigkeit und habe eine Reichweite von mehr als 2500 Kilometern. (lismah mit dpa)

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