WHO alarmiert wegen Cholera-Ausbreitung: Millionen Dosen Impfstoff fehlen
Seit einigen Jahren infizieren sich immer mehr Menschen auf der Welt mit Cholera. Weil der Impfstoff fehlt, fordert die WHO nun „sofortige Maßnahmen“.
Genf – Die Situation ist beunruhigend. 72 Millionen Dosen Impfstoff gegen Cholera wurden im vergangenen Jahr auf der ganzen Welt benötigt, aber nur 36 Millionen Dosen verließen die Produktion. Das hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Mittwoch mitgeteilt und angesichts sprunghaft gestiegener Fallzahlen in den vergangenen Jahren „sofortige Maßnahmen“ gefordert. Es müsse „sofort gehandelt werden, um den beispiellosen Anstieg der weltweiten Cholerafälle“ in den vergangenen Jahren einzudämmen, appellierte die Internationale Koordinierungsgruppe für die Impfstoffversorgung (ICG), an der sich die WHO beteiligt.
Hintergrund des Aufrufs sind die zahlreichen Cholera-Ausbrüche in den vergangenen Jahren. Seit dem Jahr 2021 infizieren sich immer mehr Menschen mit der lebensbedrohlichen Krankheit, die sich vor allem über verunreinigtes Wasser und kontaminierte Lebensmittel überträgt. So schätzte die WHO, dass sich die Cholera-Fälle im Jahr 2022 mehr als verdoppelt haben im Vergleich zum Jahr 2021 – 437.000 Menschen sollen 2022 Cholera gehabt haben. Für das Jahr 2023 erwartet die WHO gar mehr als 700.000 Fälle.

Mit Cholera-Bakterien infizieren sich Menschen über verseuchtes Wasser und Lebensmittel
Bei Cholera handelt es sich um eine Infektion des Darms mit dem Bakterium Vibrio cholerae. Die Krankheit kann tödlich verlaufen. Ansteckungen von Mensch zu Mensch sind selten, der Erreger findet den Weg in den Körper meist über Lebensmittel oder Wasser, das mit Darmausscheidungen von Infizierten verunreinigt wurde. Dank der hygienischen Standards kommt die Erkrankung in Deutschland heutzutage praktisch nicht mehr vor – die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit spricht von 27 Fällen zwischen 2001 und 2020.
In Regionen mit schlechteren Hygieneverhältnissen kann es hingegen immer wieder zu Ausbrüchen kommen, gerade nach schweren Katastrophen oder in Krisenregionen. Besonders die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Haiti, Somalia, der Sudan, Syrien, Sambia und Simbabwe sind davon betroffen.
Laut Auswärtigem Amt tritt die Erkrankung oft in Ländern auf, die keine Trennung von Trinkwasser- und Abwassersystemen haben. Das Ministerium nennt den indischen Subkontinent, Zentralafrika sowie Zentral- und Südamerika als Regionen, in denen Cholera vorkomme.
Unwetter mit Überschwemmungen für Ausbreitung von Cholera mitverantwortlich
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hatte vor kurzem erst vor den Folgen einer monatelangen Choleraepidemie im östlichen und südlichen Afrika Alarm gewarnt. Forscher machten für den Ausbruch auch das Wetterphänomen El Niño verantwortlich. Unwetter und starker Regen hatten dazu geführt, dass die Abwasserkanäle überliefen. Ähnliches war im Herbst 2023 auch nach den schweren Überschwemmungen in Libyen geschehen.
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Im Netz warnt das Auswärtige Amt deutsche Touristen vor Ausbrüchen, jüngst auf den Komoren, nachdem dort ein Schiff mit Infizierten aus Tansania angekommen war. Vor Mauritius saßen mehr als 3000 Menschen am Anfang des Monats hingegen tagelang auf einem Kreuzfahrtschiff fest. Die Behörden hatten die Einreise verweigert – aufgrund eines möglichen Corona-Ausbruchs.
Massiver Wasser- und Salzverlust nach Cholera-Infektion kann zum Tod führen
Das ist nicht verwunderlich, denn die Krankheit ist gefährlich. Zwar verläuft eine Infektion laut Auswärtigem Amt oft asymptotisch und lediglich ein geringer Teil der Infizierten erkrankt nach einem Ausbruch tatsächlich, dennoch können die Folgen der Darminfektion gravierend sein. Erkrankte Menschen haben Brechdurchfall, Bauchschmerzen und einen voluminösen Stuhlgang mit Schleimbeimengung.

Innerhalb von nur wenigen Stunden kann der Körper massiv Wasser und Salz verlieren. Die Infizierten können an der Dehydrierung und einem daraus resultierenden Kreislaufschock letztlich sterben. Wie groß das Risiko ist, ist schwer in Zahlen zu fassen. In jüngerer Vergangenheit schätzte die WHO die Anzahl der Cholera-Toten weltweit mal auf bis zu 143.000 Menschen, da ging die Organisation aber von 1,3 bis 1,4 Millionen Fällen aus.
Auch im Jahr 2024 wird wohl zu wenig Impfstoff gegen Cholera hergestellt
Klar ist: Die weltweiten Impfstoff-Vorräte seien unter einem noch nie dagewesenen Druck, hieß es von der Koordinierungsgruppe ICG. An dieser beteiligen sich WHO, Unicef, die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen und die Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften gemeinschaftlich. Die ICG überwacht und verteilt die globalen Impfstoffvorräte.
Es brauche Maßnahmen, um Ausbrüche zu verhindern und mehr Impfstoffe zu produzieren. Laut Angaben der ICG werden im Jahr 2024 zwischen 37 Millionen und 50 Millionen Dosen Cholera-Impfstoff hergestelllt – zu wenig. Die Vorräte würden „wahrscheinlich weiterhin nicht ausreichen, um den Bedarf der Millionen von Cholera betroffenen Menschen“ zu decken. Als weltweit einziges Unternehmen produziere aktuell die südkoreanische Firma EuBiologics einen Cholera-Impfstoff. Bis zum Jahr 2025 wird wohl kein weiteres Labor die Produktion aufnehmen. Laut WHO wurden von 2021 bis 2023 mehr Impfdosen nachgefragt als im gesamten vorherigen Jahrzehnt.
Die Koordinierungsgruppe hatte daher schon im Oktober 2022 empfohlen, künftig nur noch mit einer Dose anstatt wie bis dahin üblich mit zwei zu impfen. Das verkürzt den Schutz, bietet aber mehr Menschen die Möglichkeit zur Impfung. Darüber hinaus sollte mehr in Abwassersysteme und die Trinkwasserversorgung investiert werden, fordert die Gruppe. Neue Impfstoffe müssten zudem schnell genehmigt werden, und dann auch in ausreichender Quantität und bezahlbar auf den Markt kommen. (flon/dpa/AFP)