Hagelkörner als „tödliche Gefahr“: Wetterbeobachter klärt über Extrem-Niederschläge auf

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Stefan Schwarzer (l.) berichtet über Extremwetterereignisse im Umkreis von Rottenbuch. © Wolfgang Gösweiner

Mit allen Wetterkapriolen setzt sich Stefan Schwarzer vom Observatorium am Hohen Peißenberg auseinander. In seinem Vortrag im Gemeindesaal von Rottenbuch erklärte der Wetterbeobachter, warum man auch künftig damit rechnen muss.

Rottenbuch – Der April war ein Wettermonat der Extreme. Zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen wurde in der Gemeinde Peißenberg bereits Anfang April ein sogenannter Tropentag registriert. Darunter versteht man in der Meteorologie einen Tag, an dem die Quecksilbersäule auf mindestens 30 Grad Celsius klettert.

Zur Monatsmitte kam, was kommen musste: ein Kaltlufteinbruch aus Nord. „Der wäre an sich kein Problem, hätten die Pflanzen nicht schon ausgetrieben“, erklärt Schwarzer. „Durch den Klimawandel kommt es immer öfter zu langanhaltenden Wärmephasen. Wenn dann doch einmal polare Kaltluft zu uns vorstößt, kann das vor allem im Frühjahr zum Problem werden.“

Wetterbeobachter vom Hohen Peißenberg über Dürre, Hagel und Starkregen

Dabei sei man aufgrund der schwachen Bodenfröste in Bayern noch mit einem blauen Auge davongekommen. In Mitteldeutschland, wo das Quecksilber auf bis zu -8 Grad fiel, waren zum Teil enorme Schäden an der Vegetation zu beklagen. Der Wechsel von kalten und wärmeren Perioden sei für unsere Klimazone nicht ungewöhnlich, wohl aber die Ausprägung der Kalt- und Warmphasen, erklärt Schwarzer.

Hinzu komme eine zunehmende Persistenz der Wetterlagen. Was bedeutet das? Auf wochenlange Trockenperioden folgen ebenso lange Feuchtphasen, sommerliche Gewitterlagen können sich immer wieder regenerieren oder gänzlich ausbleiben. Das birgt eine nicht unerhebliche Gefahr für Mensch und Natur. Für das Alpenvorland führt Schwarzer konkret drei Gefahrensituationen ins Treffen: den Dauerniederschlag, wie man ihn beim Pfingsthochwasser 1999 beobachten konnte, Hagel und Starkregen wie letztes Jahr in Bad Bayersoien, und Trockenheit durch ortsfeste Hochdruckgebiete.

Verhältnis zur Natur überdenken

Für die Gegend um Rottenbuch sieht er die größte Gefahr in extremen Niederschlagsereignissen. Im Sommer entstehen über den Lechtaler Alpen oft Gewitter, die dann unter Verstärkung den Lech entlang über Rottenbuch und Peiting zum Hohenpeißenberg ziehen. Über dem Forggensee tanken sie Wassernachschub und entfalten dann oft ein zerstörerisches Potenzial. Manche dieser Zellen werden so kräftig, dass sie großkörnigen Hagel produzieren.

Beim Unwetter von Bad Bayersoien am 26. August 2023 fand Schwarzer sechs Stunden nach dem Ereignis noch sechs Zentimeter dicke Hagelkörner vor. „So ein Hagelkorn kann für uns Menschen zu einer tödlichen Gefahr werden“, warnt er.

Die Kraft, die in einer Gewitterwolke steckt, vergleicht er mit einer Atombombe. „Mit solchen Unwettern wird man auch künftig rechnen müssen“, prophezeit Schwarzer und beklagt, dass sich viele Menschen der Gefahr nicht bewusst wären.

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„Wenn ich sehe, wie ein Autofahrer in eine Schlammlawine fährt, die sich bereits über die Straße ergießt, kann ich nur mehr den Kopf schütteln.“ Ähnlich erginge es ihm bei diversen „Bergabenteurern“, die trotz amtlicher Unwetterwarnungen ins Hochgebirge aufbrechen. „Wir müssen unser Verhältnis zur Natur überdenken“, mahnt Schwarzer, der auch dazu rät, nicht alles zu verbauen. „Die Natur wird sich schon wieder regenerieren. Den größeren Schaden tragen wir Menschen davon.“

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