Grafinger Autist (23) und sein Hürdenlauf zum Meistertitel
Dennis K. (23) aus Grafing ist Autist. Und er ist verzweifelt, weil er bisher keine Meisterschule gefunden hat, die ihn aufnimmt. Dennoch will er den Gedanken an seinen Traumberuf nicht beerdigen.
Grafing – Eigentlich ist sein Lebenslauf bisher eine Erfolgsgeschichte. Jetzt aber hat Dennis K. (23) aus Grafing Angst, dass er in ein Loch fallen könnte. Bislang hat der junge Mann mit einer Asperger-Autismus-Störung alle beruflichen Herausforderungen gemeistert und dabei auch einige Härten überwunden. Nun droht ihm allerdings eine Zwangspause auf seinem Weg. Er will sich zum Handwerksmeister ausbilden lassen.
Dabei tun sich neue Schwierigkeiten auf, die ihm vorerst unüberwindlich erscheinen. Er geht den Weg an die Öffentlichkeit. „Selbst wenn mir das Ganze nichts bringt und zuständige Stellen darauf nicht reagieren, wäre es mir persönlich viel wert, zumindest mal über diese Benachteiligung, für die sich niemand mehr interessiert, aufmerksam gemacht zu haben.“
Trotz seiner Autismus-Beeinträchtigung hat der 23-Jährige berufliche Anforderungen erfüllt. Das war nicht ganz einfach. 2016 hat Dennis K. seinen Hauptschulabschluss an der Grafinger Mittelschule gemacht. „Nach Abschluss meiner schulischen Laufbahn wollte ich auf dem normalen Weg meinen Beruf als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik erlernen. Leider klappte es seitens der Berufsschule nicht, da diese für Menschen mit Autismus keine Möglichkeiten hatte, diese zu unterstützen“, schildert er seine damalige Situation. Sein Lehrmeister jedoch „war mit mir und meiner Arbeit mehr als zufrieden.“ Was also tun?
Zur Ausbildung nach Heidelberg
„Nach langer Suche mit meiner Familie haben wir 2020 eine Möglichkeit gefunden, dass ich meinen Traumberuf doch noch erlernen kann. Wir haben endlich ein Berufsbildungswerk gefunden, das genau meine Fachrichtung anbot. Allerdings war dies in der Nähe von Heidelberg. Das bedeutete für mich, ich musste für meine Lehrzeit nach Heidelberg ziehen, um im geförderten Rahmen meine Ausbildung machen zu können. Im Februar dieses Jahres war es dann so weit, ich habe es geschafft und meine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen.“
Dennis K. hat jetzt seinen Gesellenbrief in der Tasche, die Freisprechungsfeier war in Heidelberg. Wer danach seinen Meister erwerben will, braucht – anders als früher – keine Gesellenjahre mehr absolvieren, bestätigt Kreishandwerksmeister Hans Schwaiger. „Während meiner Ausbildung hatte ich einige Praktika in normalen Betrieben. Dies zeigte auch erneut, dass es mir schwerfällt, mit mehreren Kollegen in einem Betrieb zu arbeiten. Zusammen mit meiner Psychologin im Berufsbildungswerk und meinem ausbildenden Meister überlegten wir, dass ich den Meister machen könnte, um mich im Anschluss selbstständig zu machen. So müsste ich nicht mit Kollegen zusammenarbeiten und könnte damit in meinem Traumberuf bleiben“, schildert der 23-Jährige seinen Plan.
Damit ja keine Lücke entsteht, meldet er sich einen Monat vor Abschluss seiner Ausbildung bereits für einen Meisterkurs an einer Schule am Ostbahnhof in München als Härtefall an – und wird abgelehnt. „Alle meine ausbildungsbegleitenden Personen, wie Lehrer, Meister und Psychologen sehen das Zeug in mir, dass ich sowohl fachlich als auch moralisch als Meister geeignet bin,“ sagt Dennis K. Er landet auf der Warteliste.
Allerdings teilt er dieses Schicksal der längeren Wartezeit durchaus mit anderen Handwerksgesellen, die sich unmittelbar nach dem Erwerb des Gesellenbriefs für den Meisterkurs anmelden. Oft dauert es zwei Jahre bis zur Zulassung, manchmal geht es schneller, weil jemand abspringt und damit ein Platz frei wird. Kreishandwerksmeister Schwaiger bestätigt diese Situation. „Jeder, der einen Gesellenbrief hat, kann seinen Meister machen, sogar wenn er schon in Rente ist. Er muss halt schauen, wo in der Region ein Platz frei ist.“
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Dennis braucht speziell geschultes Personal
Dennis K. braucht eigener Auskunft nach aber eine Schule mit speziell geschulten Personal, das mit einem Asperger-Autisten umgehen kann. „Die Ausbildung geht in zwei Wochen los, das ist zu kurzfristig“, sagt der 23-Jährige.
Menschen mit Asperger-Autismus-Störung können nicht im Team arbeiten. In München gibt es eine ganze Reihe von Ausbildungsangeboten, die darauf Rücksicht nehmen. Anrufe in mehreren einschlägigen Institutionen führen zum Beratungsbüro des „Beruflichen Fortbildungszentrums der Bayerischen Wirtschaft” in der Landeshauptstadt. „Solche Anfragen haben wir eher selten”, sagt Monika Geisberger zum speziellen Fall von Dennis K. Die meisten würden ihre Meisterqualifikation berufsbegleitend absolvieren.
„Eine Nichtaufnahme bedeutet langfristige Arbeitslosigkeit und eine perspektivlose Zukunft”, fürchtet der Grafinger. Diese Angst ist nicht unbegründet. Laut offiziellen Statistiken geht nur jeder zehnte von Asperger-Autismus-Störung Betroffene einer regulären beruflichen Beschäftigung nach. Ihr Personenkreis ist überdurchschnittlich von lebenslanger Arbeitslosigkeit betroffen.
Die Wartezeiten mit einer Beschäftigung in einem Betrieb zu überbrücken ist für Dennis K. keine Option „auch in einem kleinen Betrieb nicht, das kann ich nicht.“ Dabei würde das bei der Bewerbung um einen Platz in der Meisterschule Pluspunkte bringen. Menschen mit Asperger-Autismus sind besonders geeignet für den IT-Bereich.
So einen Platz würde Dennis K. eigener Auskunft nach sofort bekommen. „Aber da bin ich völlig fachfremd.“ Sein Traumberuf sei eben Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Und an dem will er festhalten. Bisher hat er alles geschafft, was er sich vorgenommen hat, aber jetzt könnte er Hilfe gebrauchen. Noch hat er Hoffnung, „denn der Fachkräftemangel ist ja in aller Munde“.