115 Milliarden Euro Verlust für Deutschlands Wirtschaft – Horror-Szenario bei kritischen Rohstoffen

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Deutschland will sich von Abhängigkeiten lösen. Besonders stehen dabei kritische Rohstoffe im Fokus. Dabei gibt es einige Schwierigkeiten.

Berlin – Erst das Chaos um das ausbleibende russische Erdgas und die drohende Energiekrise hatten deutlich gezeigt, welche Risiken in Rohstoffen schlummern, für die es keine Lieferalternativen gibt. Von solchen Abhängigkeiten will Deutschland sich derzeit lösen. Dabei geht es jedoch deutlich langsamer voran als geplant.

Deutschlands Wirtschaft kann sich nicht von Abhängigkeiten lösen – Gerade bei kritischen Rohstoffen

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Deutschlands Wirtschaft Probleme damit hat, sich unabhängiger vom Rohstoffimport zu machen. Im Gegenteil wächst die Abhängigkeit der Industrie von importierten Rohstoffen sogar – besonders von denen aus China. Das offenbarte eine Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Deutschland muss endlich mehr in seine Rohstoffsicherheit investieren“, sagte der BDI-Präsident Siegfried Russwurm dazu auf dem 8. Rohstoffkongress in Berlin. Er sieht eine wachsende Gefahr aus der Abhängigkeit Deutschlands bei kritischen Rohstoffen erwachsen. „Wir brauchen Entschlossenheit, Initiativen und Erfolge.“

Xi Jinping in Peking.
115 Milliarden Euro Verlust für Deutschlands Wirtschaft – Horror-Szenario bei kritischen Rohstoffen © IMAGO/Ju Peng / Xinhua

Der BDI nannte Lithium als Beispiel dafür, wie riskant diese Abhängigkeiten werden können. Sollte China – nach dem Vorbild Russlands beim Ölexport durch die Nord-Stream-Pipelines – einen Exportstopp verhängen, könnte allein diese Maßnahme bis zu 115 Milliarden Euro an Wertschöpfung gefährden (rund 15 Prozent der gesamten industriellen Wertschöpfung). Für die Automobilindustrie könne das einen direkten Verlust von 42 Milliarden Euro bedeuten. Die Politik müsse Schritte ergreifen, um Szenarien wie dieses zu verhindern.

Szenario zeigt Risiko der Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen – Ausfuhr-Limits treiben die Preise

Ein solcher Exportstopp existiert bislang nur als Worst-Case-Szenario, doch angesichts der chinesischen Ambitionen im Fernen Osten müsse die Politik ihn zumindest in der Planung berücksichtigen. Erst der Ukraine-Krieg hatte gezeigt, wie leicht Ressourcen als Waffe missbraucht werden können. Das Handelsblatt verwies in diesem Rahmen auf OECD-Erkenntnisse, nach denen die Zahl der Ausfuhrbeschränkungen über die vergangenen zehn Jahre um mehr als das Fünffache angestiegen ist.

Konkret ging es dabei um Germanium aus China – das Reich der Mitte hat weltweit einen Marktanteil von 60 Prozent. „Seit der Verhängung von Ausfuhrbeschränkungen im vergangenen Jahr sind die Germanium-Preise um mehr als 70 Prozent auf 2280 Dollar pro Kilogramm gestiegen“, zitierte das Blatt Gracelin Baskaran und Meredith Schwartz, Experten für kritische Rohstoffe beim US-Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS).

Neben einer Preisverteuerung kann die Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffen auch einfache Lieferengpässe auslösen. Dasselbe gilt auch für bereits fertige Produkte – etwa bei Arzneimitteln.

EU will Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen beenden

Auch die Europäische Kommission legt besonderes Augenmerk auf diese kritischen Rohstoffe (Critical Raw Material, CRM). Dabei kommt es auf zwei Aspekte an, die aus Rohstoffen eben kritische Ressourcen machen: die wirtschaftliche Relevanz und das Versorgungsrisiko. Dabei kommt es vor allem darauf an, wie hoch das Risiko einer Unterbrechung der Lieferkette ist – also was passieren kann (und wie schnell), damit Europa von einem wichtigen Rohstoff abgeschnitten ist.

Unter anderem listete die Kommission die folgenden Materialien als CRMs auf:

  • Kobalt
  • Germanium
  • Helium
  • Lithium
  • Schwere seltene Erden
  • Phosphatgestein
  • Vanadium
  • Nickel

Die volle Liste stellt die EU-Kommission zur Verfügung.

Laut der EU konzentriert sich die Versorgung vieler kritischer Ressourcen auf einige wenige Anlieferer. China liefert 100 Prozent der Schweren Seltenen Erden (Heavy Rare Earth Elements, REE), aus der Türkei kommen 99 Prozent des europäischen Boron-Bedarfs und aus Südafrika 71 Prozent des Platinums. Diese Rohstoffe können von Autokratien zunehmend als geopolitisches Druckmittel eingesetzt werden, warnte Russwurm. Umso schwerer wiegt dies, weil viele CRMs für die Energiewende wichtig sind. „Deutschland und Europa drohen den globalen Wettbewerb um strategisch wichtige Rohstoffe zu verlieren“, warnte der BDI-Chef.

Es gibt jedoch bereits europäische Firmen, die dieser Entwicklung entgegenwirken. Die norwegische Firma Norge Mining zum Beispiel will ab 2028 Phosphatgestein in einem der größten Gebiete weltweit abbauen. Michael Wurmser, Mitbegründer von Norge Mining, warnte in diesem Kontext ebenfalls vor einer zu starken Konzentration der Ressourcen auf wenige Lieferländer. „Pro Jahr wollen wir 20 Millionen Tonnen abbauen – das reicht, um ganz Europa mit Phosphat, Vanadium und Titanium zu versorgen“, erklärte Wurmser im Interview mit IPPEN.Media.

Auch interessant

Kommentare