Wirtschaftsweise verklagt ihre Kollegen: Zerlegt sich das Wirtschafts-Gremium jetzt selbst?

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Ein interner Streit überschattet die Arbeit der „Wirtschaftsweisen“. Im Zentrum steht ein geplanter Verhaltenskodex. Es könnte aber auch eine persönliche Dimension geben.

Wiesbaden - Am 13. November 2024 werden die fünf „Wirtschaftsweisen“, die Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ihr Jahresgutachten 2024/25 vorstellen. Doch die Arbeit des Gremiums wird von einem heftigen internen Streit überschattet.

Wirtschaftsweise Grimm verklagt ihre Kollegen: Neuer Kodex soll gekippt werden

Hintergrund ist ein interner Verhaltenskodex (Compliance Codex), den der Expertenrat mit Hilfe einer Anwaltskanzlei entwickelt und mit einer Mehrheit von 4 zu 1 verabschiedet hat. „Es geht um Transparenzvorgaben, die dafür sorgen, dass Sachverhalte, die in der Öffentlichkeit den Anschein eines Interessenkonflikts erwecken können, ratsintern offengelegt und diskutiert werden“, sagte die Vorsitzende des Beratergremiums, Monika Schnitzer, der Wirtschaftswoche. Dadurch solle sichergestellt werden, dass der Rat stets als unabhängig wahrgenommen werde.

Wirtschaftsweise Monika Grimm
Die Wirtschaftsweise Monika Grimm klagt gegen einen neuen Verhaltenskodex, der die Arbeit des Sachverständigenrates transparenter machen soll. (Archivfoto) © Jürgen Heinrich/imago

Ratsmitglied Veronika Grimm habe beim Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage gegen den vertraulichen Kodex eingereicht, so Schnitzer weiter. Ziel sei es, den Kodex für nichtig zu erklären. „Nun müssen wir über den Kodex vor Gericht streiten – eine unglückliche Konstellation, schon weil eine Klärung auf diesem Weg lange dauern kann.“

Wirtschaftsweise Grimm zieht vor Gericht: Klage ist wohl eine Fortsetzung eines tiefergehenden Streits

Grimm bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass ein Gerichtsverfahren wegen des Compliance-Kodex anhängig sei. „Zu den Inhalten werde ich mich nicht äußern. Erstens ist insoweit Vertraulichkeit vereinbart, an die ich mich halte. Zweitens werden die Argumente vor Gericht ausgetauscht.“ Es sei nicht zielführend, dem Gericht vorzugreifen und diese Fragen jetzt öffentlich zu diskutieren.

Die Klage ist vermutlich eine Fortsetzung des Streits um ein Aufsichtsratsmandat von Grimm bei Siemens Energy. Die anderen vier Mitglieder des Gremiums sehen darin ein Problem und haben Grimm aufgefordert, entweder auf das Mandat bei Siemens Energy oder auf den Posten im Sachverständigenrat zu verzichten. Grimm hatte jedoch mögliche Interessenkonflikte zurückgewiesen.

Hat der Konflikt unter den Wirtschaftsweisen eine persönliche Dimension?

Bei der Vorstellung des Frühjahrsgutachtens Mitte Mai sahen sich die vier Wirtschaftsweisen jedoch bestätigt. Grimm gab darin ein Minderheitenvotum ab. Während die Mehrheit der Wirtschaftsweisen der Meinung ist, die Bundesregierung müsse die Elektrifizierung des Güterverkehrs vorantreiben, plädierte Grimm für den Ausbau von Wasserstoff im Güterverkehr. In diesem Bereich will sich auch Siemens Energy stark engagieren. Der neue Kodex soll solche möglichen Interessenkonflikte künftig vermeiden und die Unabhängigkeit der Mitglieder bei ihrer Arbeit für das Gremium sicherstellen.

Der Spiegel hat noch eine andere mögliche Erklärung für den Konflikt. Demnach wollten sowohl Grimm als auch Schnitzer, die beide 2020 in das Gremium berufen wurden, nach dem Ausscheiden des bisherigen Ratschefs Lars Feld Ende Februar 2021 Vorsitzende werden. Schnitzer setzte sich im darauffolgenden Jahr durch, als der Rat wieder komplett war. Das soll Grimm nicht gut aufgenommen haben.

Neben inhaltlichen Differenzen, wie Grimms Minderheitsvotum im Mai zeigte, könnte der Streit also auch eine persönliche Dimension haben. Was auch immer die Ursachen des Streits sind, er schadet dem Ansehen des Sachverständigenrates.

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