Sorge vor Rohstoffmangel: EU will sich von Abhängigkeiten lösen

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China beherrscht große Teile der Produktion der kritischen Rohstoffe. Europa will sich deshalb von möglichen Abhängigkeiten lösen. Ein neues Gesetz soll Abhilfe schaffen.

Brüssel – Die Europäische Union (EU) ist besorgt um die Rohstoffsicherheit des Landes. Nachdem die Coronavirus-Pandemie und der Ukraine-Krieg die Schwächen globaler Lieferketten offenbart hatten, richten sich nun die Augen des Westens auf China und dessen Ambitionen im chinesischen Meer. Xi Jinping könnte es machen wie Wladimir Putin und bei einem Angriff auf Taiwan die Rohstofflieferungen gen Westen unterbrechen. Ein neues Gesetz soll verhindern, dass die EU in dem Falle angreifbar wäre.

Europäische Union will Versorgung mit kritischen Rohstoffen sicherstellen

Konkret geht es um eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer sicheren Rohstoffversorgung, auch genannt Critical Raw Materials Act, der diese Woche in Kraft getreten ist. „Der Schwerpunkt dieser Verordnung liegt auf nicht-energetischen, nicht-landwirtschaftlichen Rohstoffen, die für die EU-Wirtschaft wichtig sind und bei deren Versorgung ein hohes Versorgungsrisiko besteht“, teilte die EU dazu mit.

Das große Problem dahinter ist die Abhängigkeit Europas von Einfuhren bei fast allen wichtigen Rohstoffen. Jährlich gibt die EU dazu eine Liste von Rohstoffen heraus, die sie als „kritische Rohstoffe“ betrachtet. Als Beispiele nannte sie Magnesium (97 Prozent kommen aus China), Schwere Seltene Erden, die unter anderem für Dauermagneten benötigt werden (die Raffinierung findet ausschließlich in China statt) und Kobalt (63 Prozent stammen aus der Demokratischen Republik Kongo).

Ursula von der Leyen, Spitzenkandidatin der EVP und Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht auf dem 60. NRW-Tag der Jungen Union.
Ursula von der Leyen, Spitzenkandidatin der EVP und Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht auf dem 60. NRW-Tag der Jungen Union (Symbolfoto). China beherrscht große Teile der kritischen Rohstoffe. Europa will sich davon lösen. Jetzt tritt dazu ein neues Gesetz in Kraft. © Henning Kaiser/dpa

Das stellt die EU vor das Problem erheblicher Versorgungsrisiken. „Es gibt Präzedenzfälle, in denen Länder ihre starke Position als Lieferanten kritischer Rohstoffe gegenüber Käuferländern ausnutzen, beispielsweise durch Ausfuhrbeschränkungen“, heißt es im Text des Gesetzesvorschlags. Gleichzeitig sieht die EU ein extremes Wachstum in der Nachfrage für die betroffenen Rohstoffe voraus. Ein Beispiel dafür ist Lithium, das sowohl in der Herstellung von Batterien sowie für Energiespeicherung Verwendung findet. Bis 2050 soll die Nachfrage um das 89-Fache steigen. Weitere Beispiele sind Gallium (Halbleiterproduktion), Neodym (Magneten) und Phosphor (Dünger und Chemikalien).

Zehn Prozent kritische Rohstoffe müssen aus eigener Förderung stammen – mindestens

Bis 2030, so ist es jetzt das festgelegte Ziel, will die EU spezielle Richtwerte für die inländischen Kapazitäten entlang der Lieferkette für kritische Rohstoffe einsetzen. Zehn Prozent des jährlichen Bedarfs müssen aus europäischer Förderung stammen, 40 Prozent des jährlichen Verbrauchs müssen wenigstens in der EU verarbeitet worden sein. 25 Prozent des jährlichen Verbrauchs müssen aus europäischen Recycling kommen und maximal 65 Prozent des Verbrauchs an jedem strategischen Rohstoff in „jeder relevanten Verarbeitungsstufe“ dürfen aus einem einzigen Drittland stammen.

Um diese Ziele zu erreichen, will die EU einen „Klub für kritische Rohstoffe“ für alle gleichgesinnten Länder einsetzen, die bereit sind, die globalen Lieferketten zu stärken. Außerdem will sie die Welthandelsorganisation stärken. Und zuletzt will die EU ihr Netz von Abkommen über nachhaltige Investitionsförderung und Freihandelsabkommen ausbauen sowie härter gegen unfaire Handelspraktiken vorgehen.

„Wir werden noch intensiver mit zuverlässigen Handelspartnern weltweit zusammenarbeiten, damit die EU nicht mehr so stark von nur einem oder wenigen Ländern abhängig ist“, sagte Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, dazu. Es liege im Interesse aller Handelspartner, die Produktion nachhaltig zu steigern und gleichzeitig die Lieferketten der europäischen Unternehmen „möglichst stark“ zu diversifizieren.

„Der billige Rohstoff ist nicht mehr die wichtigste Währung“

Ein Beispiel für die geplante Umstrukturierung der Wertschöpfungsketten bietet die Firma Norge Mining, die in Norwegen Phosphor gewinnen will. In einer südnorwegischen Gegend lagern 70 Milliarden Tonnen Mineralgestein, aus dem der wichtige Grundstoff gewonnen werden kann. Schon ab 2028 will die Firma hier Phosphor abbauen – pro Jahr könnten das 120.000 bis 140.000 Tonnen sein.

Laut der Wirtschaftswoche bietet sich hier die Lösung für die europäischen Wünsche nach Selbstständigkeit: guter Bergbau, politisch korrekt und klimaschonend, in einem demokratischen Land. Norge Mining will das Phosphat mithilfe von Wasser fördern, ohne Chemie, das übrig bleibende Gestein kommt ins Recycling. Am Ende wird das allerdings teurer für Deutschland. Auf der anderen Seite hat das Beispiel des russischen Gases bereits gezeigt, dass auch billige Rohstoffe keine echten Vorteile mehr bringen, wenn das Herkunftsland die Pipelines abdreht.

Für Deutschland sei nicht mehr „der billige Rohstoff“, die wichtigste Währung, zitierte die Wirtschaftswoche Norge Mining-Chef Michael Wurmser, sondern „der sichere Zugang zu Rohstoffen“.

Woher kommen europäische kritische Rohstoffe?

Dabei stellt sich noch die Frage, ob all die Fördervorhaben überhaupt auf fruchtbaren Boden fallen. Welche Rohstoffe sind überhaupt in Europa vorhanden, und reichen sie aus, um uns zu versorgen, wenn zum Beispiel China den Rohstoff Gallium als Druckmittel für einen Angriff auf Taiwan zurückhält? Hier stellt Europe Geology eine ausführliche Karte zur Verfügung, die zum Beispiel massive Vorkommen von Metallen in den skandinavischen Ländern oder große Mineralvorkommen im Süden Frankreichs aufzeigt.

Auch Gallium gibt es noch in Frankreich sowie an mehreren Orten in Slowenien, während Germanium auch aus Tschechien, Frankreich und Portugal stammen kann. In Schweden lagern noch größere Vorkommen an Seltenen Erden und Phosphor.

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