„Bis zu 30 Prozent schmutziges Geld landet in Immobilien“: Wie durch Verbrechen die Preise explodieren

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Immobilien werden wieder teurer. In manchen Städten ist Wohnraum für viele kaum mehr bezahlbar. Banden treiben die Preisspirale mit an – und manche Branchen ziehen ihren Nutzen daraus.

Berlin – Wohnen ist mancherorts reiner Luxus. Die Immobilienpreise steigen deutschlandweit wieder an, auch die Mieten sind laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zuletzt deutlich teurer geworden. Das gilt besonders für Großstädte wie Hamburg, Köln oder Berlin. Dort haben sich die Mietpreise in manchen Gegenden in den letzten 15 Jahren teilweise verdoppelt, die Kaufpreise gar verdreifacht. In besonders exklusiven Lagen sind die Sprünge noch größer – und Verbrecher aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität drehen oft mit an der Preisschraube.

Geldwäsche lässt Immobilienpreise und Mieten ansteigen

Denn Kriminelle nutzen Immobilien, um illegales Geld sauber zu bekommen. Rund 100 Milliarden Euro werden schätzungsweise jährlich hierzulande gewaschen. „Bis zu 30 Prozent des schmutzigen Geldes landet in Immobilien, was die Immobilienpreise gerade in Großstädten in die Höhe treibt. Das betrifft also letztlich alle Bürgerinnen und Bürger“, sagt Sebastian Fiedler, kriminalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfrakion, gegenüber IPPEN.MEDIA.

Die Zahl von 30 Prozent ist umstritten, einig sind sich aber alle Experten, dass ein großer Teil von illegalem Geld in Häuser investiert wird. Warum Immobilien bei der Mafia, kriminellen Clans und Drogen-Lords so beliebt sind, weiß Kilian Wegner. Er ist Professor für Wirtschaftsstrafrecht an der Europa-Uni Viadrina in Frankfurt/Oder und befasst sich intensiv mit dem Geldwäscheproblem. „Der Wert von Immobilien ist, gerade bei einer dynamischen Marktlage und wenn es nicht um Standardobjekte geht, relativ schwer zu bestimmen. Kriminelle können die Preise leicht manipulieren“, sagt er.

Hauskäufer konkurrieren „im Zweifel mit Kriminellen aus aller Welt“

Die Studienlage spreche stark dafür, dass Geldwäsche die Immobilienpreise künstlich ansteigen lässt, sagt der Jurist. Denn meist nutzt es den Geldwäschern, wenn Immobilien möglichst teuer sind. So können sie größere Summen Geld waschen. Ein Weg: „Man kann den Wert einer aus illegalen Mitteln erworbenen Immobilie zu hoch angeben, um einen möglichst hohen Bankkredit aufzunehmen und den wirtschaftlichen Nutzen aus den Erträgen so zu maximieren“, erklärt Kilian Wegner. Für die Tilgung des hohen Kredits können Kriminelle dann wiederum illegales Geld verwenden. „Wer in Deutschland ein Wohnhaus oder eine Gewerbeimmobilie kaufen möchten, konkurriert im Zweifel mit Kriminellen aus aller Welt.“ Auch auf die Mieten wirkt sich das aus: Teure Immobilien ziehen den Mietspiegel nach oben.

Ähnlich sieht es Christian Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Er hat unter anderem als forensischer Wirtschaftsprüfer gearbeitet und befasst sich mit Geldwäsche. „Großstädte sind Hubs für internationale Potentaten. Ein Staatsanwalt aus München hat mir mal gesagt: Es kann ja nicht sein, dass ich mir keine Wohnung leisten kann, weil Russen hier alles aufkaufen“, sagt Trautvetter.

Oligarchen aus Russland kaufen Immobilien in Berlin

Denn auch zum Beispiel russische Oligarchen kaufen edle Immobilien in Berlin und in anderen Städten, um Geld aus zweifelhaften Quellen sauber zu bekommen. Wie hoch die Geldwäsche-Summe und damit der Einfluss auf die Immobilienpreise genau ist, lässt sich nur schwer schätzen. „Die Polizei weiß zum Beispiel sehr genau, wie groß der Kokainmarkt ist. Allein beim Thema Kokain geht es um Gewinne von drei Milliarden Euro, die irgendwo gewaschen werden“, sagt Trautvetter. Für andere Bereiche gibt es solche Zahlen nicht.

Auch überblickt die Polizei nicht das gesamte Geldwäsche-Ausmaß großer Organisationen wie der Mafia. „Die Strafverfolgung erreicht bisher nur die lokalen Mittelständler, wie die polizeibekannten Clans. Die professionelle Geldwäsche wird bisher kaum erfasst“, sagt Trautvetter. Sprich: Die Dunkelziffer ist groß. Trautvetter glaubt, dass der Einfluss von schmutzigem Geld auf Immobilienpreise im einstelligen Prozentbereich liegt. Bei Quadratmeterpreisen von über 9000 Euro in Berlin ist das durchaus spürbar.

„Geldwäsche ist ein Wirtschaftsfaktor in Deutschland“

Bislang ist es in Deutschland schwer, Besitzer von Geldwäsche-Immobilien dingfest zu machen. Denn: „Wenn man jemanden wegen Geldwäsche verfolgen will, braucht es einen konkreten Anfangsverdacht. Dafür muss die Straftat, aus der das Geld ursprünglich kommt, zumindest in groben Umrissen bekannt sein“, erklärt Jurist Kilian Wegner. Er fordert: „Es braucht eine Behörde, die von Amts wegen auch ruhendes Kapital auf Verdachtsmomente kontrolliert.“ Bei Immobilien müsste solche eine Behörde zum Beispiel prüfen, ob sie tatsächlich der Person zuzurechnen ist, die im Transparenzregister als wirtschaftlicher Eigentümer eingetragen ist. Und ob es Anhaltspunkte gibt, dass diese Person vielleicht gar nicht existiert und nur ein Strohmann für unbekannte Hinterleute ist.

Paradox: Geldwäsche schadet massiv, nutzt manchen Kreisen aber auch. „Geldwäsche ist ein Wirtschaftsfaktor in Deutschland“, sagt Wegner. „Nehmen wir einen Schiffbauer, der Yachten herstellt. Wenn der immer genau prüfen würde, wo das Geld seiner Kunden herkommt und ob die nach deutschen Maßstäben legal handeln, hätte der bald nichts mehr zu tun.“

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