Auch zum Schutz deutscher Städte: Nächster Nachbar kauft Flugabwehr vom Bodensee

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Ein süddeutsches Rüstungsunternehmen, Berlin und Bern einigen sich auf einen Luftabwehr-Deal für die Schweizer Armee. Der Bodensee rückt in den Fokus.

Bern – Es ist im Umfeld von Ukraine-Krieg und der Bedrohung in Europa durch das Russland-Regime von Wladimir Putin der nächste große Auftrag für die deutsche Rüstungsindustrie. Diesmal kommt dieser aus der Schweiz.

Schweiz kauft Luftverteidigungssysteme IRIS-T SLM in Deutschland

Wie Diehl Defence in einer Pressemitteilung auf seiner Website schreibt, haben das Rüstungsunternehmen mit Hauptsitz in Überlingen am Bodensee „und das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der deutschen Bundeswehr (BAAINBw) die Verträge zur Beschaffung von bodengebundenen Luftverteidigungssystemen (GBAD) vom Typ IRIS-T SLM für die Schweiz unterzeichnet. Das Schweizer Bundesamt für Rüstung armasuisse hatte vorher dem BAAINBw die Vollmacht dazu erteilt“.

Der Vertragsunterzeichnung sei der Beitritt der Schweiz zur European Sky Shield Initiative vorausgegangen, dessen 19. von mittlerweile 24 Mitgliedern die Schweiz im Oktober 2024 wurde. Und das trotz in der Verfassung festgeschriebener sicherheitspolitischer und militärischer Neutralität, die als eine der maßgeblichen politischen Grundsätze der Eidgenossenschaft gilt.

Ein Starter eines Flugabwehrsystems IRIS-T SLM. (Symbolfoto) © IMAGO / Schöning

Neutrale Schweiz benennt Wladimir Putins Russland als Bedrohung in Europa

Im Rahmen der European Sky Shield Initiative soll möglichst rasch ein gemeinsames geschlossenes europäisches Luftverteidigungs- und Raketenabwehrsystem aufgebaut werden, ein grenzübergreifender Schutzschirm für Europa sozusagen. Deutschland hatte besagte Initiative im August 2022 noch unter dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und unter dem Eindruck des völkerrechtswidrigen russischen Überfalls auf die Ukraine angestoßen.

Putins Moskau-Regime lässt das geschundene Nachbarland mit heftigen Luftangriffen überziehen, weswegen Kiew bei der Nato immer wieder um mehr Flugabwehr gegen Marschflugkörper, Raketen und Drohnen bittet. Die Schweiz ist wiederum weder Mitglied in der Verteidigungsallianz noch in der Europäischen Union (EU). Bern berief sich bislang stets vollumfänglich auf seine Neutralität. Doch in den letzten Monaten gab es Anzeichen für eine verstärkte Partnerschaft mit den Nachbarn aus der Nato. So benannte der Schweizer Verteidigungsminister Martin Pfister Putins Russland als konkrete Gefahr für den Frieden in Europa – und auch für sein Land.

European Sky Shield Initiative

Die European Sky Shield Initiative ist ein geplantes Projekt zum Aufbau eines europäischen Luftverteidigungs- und Raketenabwehrsystems. Durch die Initiative sollen Lücken im bisherigen Schutzschirm für Europa geschlossen werden. Dafür werden gemeinsam neue Waffensysteme eingekauft, die dann - möglichst günstig erworben - ein großes Gebiet abdecken sollen. Und die technisch übergreifend von den Streitkräften der Mitgliedstaaten bedient werden können - wie IRIS-T.

Schweiz rüstet massiv auf: Bern beschafft Flugabwehr IRIS-T SLM aus Deutschland

Interessant: Neben der Schweiz, die massiv aufrüstet, gehört auch Österreich der Initiative für den gemeinsamen Raketenschutzschirm an, obwohl auch die Alpenrepublik auf ihre Neutralität pocht und diese ebenfalls in ihrer Verfassung verankert hat. Spanien, Frankreich, Italien und Kroatien, allesamt Nato-Mitglieder, verzichten dagegen bislang auf eine Teilnahme. Der Auftrag an Diehl Defence aus Bern umfasst die Lieferung von fünf Luftverteidigungssystemen IRIS-T SLM mit jeweils einer Reichweite von bis zu 40 Kilometer. Mit den gleichnamigen Boden-Luft-Raketen können in der Theorie Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Luft-Boden-Raketen und Marschflugkörper bis in einer Höhe von 15 Kilometern bekämpft werden.

Der Ukraine-Krieg zeigt: Zumindest die Kampfjets beider Seiten feuern ihre Raketen nicht selten aus einer deutlich größeren Reichweite ab, um der Luftabwehr zu entgehen. So richtet sich der geplante Schutzschirm vornehmlich gegen potenzielle Raketen, die aus größerer Distanz im Anflug wären. Je nach Stationierung im äußersten Norden und Nordwesten des Landes würden die Schweizer IRIS-T SLM zum Beispiel auch das deutsche Bodensee-Ufer abdecken, wo sich in Überlingen etwa die Zentrale von Diehl Defence selbst befindet.

Luftabwehr vom Bodensee: Schweiz, Österreich und Schweden haben bestellt

Und MTU Rolls-Royce Power Systems aus Friedrichshafen liefert etwa Motoren an Panzerhersteller. Und: Von den Gebäuden des Schweizer Rüstungsunternehmens Mowag in Kreuzlingen ist es an die Stadtgrenze von Konstanz gerade einmal ein Kilometer Luftlinie. Wie viel Bern sich die Flugabwehr aus Deutschland kosten lässt, geht aus der Pressemitteilung nicht hervor. Zum Vergleich: Im Juni bestellte der nordeuropäische Nato-Staat Schweden am Bodensee sieben Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM. Kostenpunkt laut Deutschlandfunk: insgesamt 810 Millionen Euro.

Österreich hatte für seine Aufrüstung Diehl Defence Ende 2023 mit der Fertigung von vier Kurzstrecken-Luftabwehrsystemen IRIS-T SLS mit einer Reichweite von bis zu 15 Kilometern und vier IRIS-T SLM beauftragt. Die deutsche Bundeswehr wartet ihrerseits aktuell auf fünf IRIS-T-Luftverteidigungssysteme, nachdem ein erstes offiziell im September 2024 in Dienst gestellt wurde. (pm)

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