Heftiger Ärger um Selenskyj-Gesetz: „Das ist Wasser auf die Mühlen von Putin und Orbán“

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Mit einer „Reform“ zum Kampf gegen Korruption könnte Wolodymyr Selenskyj ein Eigentor geschossen haben. Proteste gibt es in der Ukraine – und der EU.

Mit ziemlich fadenscheinigen Argumenten versucht der Kreml seit Langem, Wolodymyr Selenskyj als Präsident der Ukraine zu delegitimieren. Verfangen hat das bisher offenbar kaum – weder international noch in der Ukraine. Doch mit einem neuen Gesetz zum Thema Korruption könnte sich Selenskyj nun selbst ein Bein gestellt haben. Die Reform löst Proteste in der Heimat aus. Und sie erzürnt die EU, wie der Europaparlamentarier Daniel Freund (Grüne) dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA in klaren Worten bestätigt.

„Wasser auf die Mühlen von Putin und Orbán“ – Ukraine droht nun auch Ungemach aus der EU

Vereinfacht gesagt hat Selenskyj – zusammen mit dem Parlament – zwei Antikorruptionsbehörden die Unabhängigkeit entzogen. Sie unterstehen nun direkt dem Generalstaatsanwalt. Und der wiederum wird vom Präsidenten ernannt. Das Vorhaben zerstöre „ganze Teile der seit den Maidan-Protesten aufgebauten Antikorruptions-Architektur“, ärgert sich Freund, der Ständige Berichterstatter des Europaparlaments für die Überwachung der EU-Finanzhilfen an die Ukraine.

APA Images/President of Ukraine/Danylo Antoniu/Anadolu/Imago
Wolodymyr Selenskyj am Montag im Sicherheitsrat der Ukraine – seit Dienstag laufen Demonstrationen in Kiew (kleines Foto). © Wolodymyr Selenskyj am Montag im Sicherheitsrat der Ukraine – seit Dienstag laufen Demonstrationen in Kiew (kleines Foto).

Der Grünen-Politiker, weilte just am Dienstag mit einer Delegation in Kiew. Doch niemand habe sich bemüßigt gefühlt, den Gästen aus Straßburg von den Gesetzesplänen zu berichten. Die Nachricht erwischte sie kalt. Freund fordert nun eine „Reaktion von höchster Stelle“.

Die könnte es jedenfalls perspektivisch in sich haben. In Gefahr ist nach Ansicht Freunds neben der Auszahlung von Finanzhilfen auch der angepeilte EU-Beitritt der Ukraine. Beides sei an klare Vorgaben auch in Sachen Korruptionsbekämpfung geknüpft.

„Russischer Einfluss“ als „Totschlagargument“: Selenskyj verärgert EU

Selenskyj begründete das Gesetz mit „russischem Einfluss“ in den Behörden. Freund nennt diese Erklärung „hanebüchen“ – womöglich halte der ukrainische Präsident sie für ein „Totschlagargument“. „Das hat überhaupt keine Glaubwürdigkeit“, betonte Freund. Der Schritt sei „Wasser auf die Mühlen all jener, die die europäische Unterstützung für die Ukraine untergraben wollen, ob sie nun Wladimir Putin oder Viktor Orbán heißen“. Auch Vertrauen der europäischen Staatschefs in die ukrainische Führung ist angesichts von milliardenschweren Direkthilfen wichtig.

In Kiew begannen noch am Dienstagabend Demonstrationen; nicht zuletzt junge Menschen zeigten sich empört. „Ich bin sehr froh, dass sich Widerstand regt“, erklärte Freund dazu. Für die ukrainische Regierung steht indes schon der nächste diplomatische Einsatz im Ukraine-Krieg an: In Istanbul laufen wieder Verhandlungen mit Vertretern Russlands. (fn)

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