Pflegeplatz-Eigenanteile über 3000 Euro: Experten fordern Gegensteuern – Union reagiert

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Die Pflegeversicherung deckt immer weniger von den Pflegekosten ab. Experten fordern dagegen zu steuern, da die Eigenteile sonst immer höher würden.

Berlin - Wer in Deutschland in einem Heim gepflegt wird, muss im Schnitt im ersten Jahr mehr als 3.000 Euro monatlich als Eigenanteil aufbringen. Dabei gibt es regional teils große Unterschiede, wie eine Auswertung des Verbands der Ersatzkassen zeigt. Für die allermeisten Heimbewohner ist das nur schwer oder gar nicht zu leisten, worauf auch Kanzleramtsminister Thorsten Frei aufmerksam gemacht hat. Kaum jemand habe eine Rente, mit der er 3000 Euro für einen Pflegeheimplatz bezahlen könne, sagte Frei dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Deshalb müssten die Kosten für die Pflege, wo dies möglich ist, begrenzt werden, so der CDU-Politiker. Frei erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, dass es wegen des demografischen Wandels immer mehr Pflegebedürftige geben wird. Schon in den letzten Jahren habe sich das Verhältnis der Beitragszahler in der Pflegeversicherung gegenüber den Pflegebedürftigen deutlich verschlechtert, so Frei.

Die Pflege wird für viele unbezahlbar. Dieses Problem wird die schwarz-Rote Regierung nur durch eine Reform lösen können.
Die Pflege wird für viele unbezahlbar. Dieses Problem wird die schwarz-Rote Regierung nur durch eine Reform lösen können. © Sina Schuldt/dpa

„Können doch nicht dauerhaft 3000 oder 4000 Euro zuzahlen“: Experte mahnt Pflegereform an

Frei bekräftigte, dass die Pflegeversicherung nur ein „Teilleistungssystem“ ist. Deshalb dürfe man mit ihr nicht die Erwartung verbinden, dass alle denkbaren Kosten für die Pflege abgedeckt sind. Während der Kanzleramtschef mahnt, „auch privat für den Pflegefall vorzusorgen“, ist längst eine Debatte über die Eigenanteile entbrannt. Dass diese viel zu hoch sind, meint auch Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz.

„Die Leute können doch nicht dauerhaft 3000 oder 4000 Euro im Monat zuzahlen“, sagte er dem Spiegel. Eine denkbare Lösung wäre laut Sell der sogenannte „Sockel-Spitze-Tausch“. Die Idee: Den Teilleistungscharakter der Pflegeversicherung zugunsten einer echten Teilkaskoversicherung ersetzen. Dadurch würden die Eigenanteile begrenzt. Das, so Sell, würde jedoch auch bedeuten, dass die Pflegeversicherung die restlichen steigenden Kosten übernehmen müsste.

Möglich wäre das nur über höhere Beitragssätze oder zusätzliche Steuermittel – in einer Größenordnung von einem zweistelligen Milliardenbereich, so Sell. Im Jahr 2018 beliefen sich die Eigenanteile bei den Pflegekosten noch auf rund 1.700 Euro. Seitdem haben sie sich also in etwa verdoppelt. Sell warnt, dass die Eigenanteile weiter steigen werden - und zwar im Schnitt um sieben Prozent pro Jahr. Ohne eine Reform, würden sie sich in den nächsten Jahren also noch einmal verdoppeln, so der Experte.

Im Heim oder ambulant? Pflegerat kritisiert Ungleichbehandlung bei der Kostenübernahme

Ein wesentlicher Grund für den starken Kostenanstieg ist die deutlich bessere Bezahlung der Pflegekräfte. Das sei zwar etwas, was die meisten Bürgerinnen und Bürger richtig fänden, so Sell. Allerdings spüre man diese Entwicklung mit Blick auf die Kosten deutlicher als in anderen Branchen.

Grund dafür sei, dass in Pflegeheimen Löhne und Gehälter 70 bis 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachten. „Hinzu kommt, dass wir aus einer Phase hoher Inflation kommen, vorrangig bei Lebensmitteln und anderen Verbrauchsgütern, die in der Pflege besonders wichtig sind. Der dritte Kostenblock sind dann die Ausgaben für Unterkunft und Investitionen“, erklärt Sell.

Der deutsche Pflegerat kritisiert generell, dass Heimbewohner Behandlungspflege selbst bezahlen müssten, während sie bei Menschen, die zuhause gepflegt werden, von der Kasse übernommen werden. Mehrere Experten fordern, die Pflege stärker aus Steuermitteln zu unterstützen - darunter der Gesundheitsökonom Heinz Rothgang von der Universität Bremen. (grmo)

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