Demokratie im Kleinen
Demokratiebildung ist eigentlich ab der fünften Klasse vorgesehen. An der Quirin-Regler-Grundschule gehören Klassenrat und Schulversammlung dank eines Modellversuchs zum Alltag. Landtagspräsidentin Ilse Aigner schaute sich das Projekt in der Praxis an.
Holzkirchen – Das „Kommando Brezel“ funktioniert nicht gut genug, findet Johanna. Die Drittklässlerin hat das Thema deshalb im Klassenrat eingereicht, die Schüler diskutieren, wie sie mit Verstößen umgehen. Zur Erklärung: „Kommando Brezel“ gibt Lehrerin Rica Seddig, wenn die Schüler zuhören sollen. Dann müssen alle Kinder die Arme vor der Brust verschränken. Ein Schüler schlägt eine Verwarnung oder Strafe vor, eine andere Schülerin plädiert dafür, es weiter ohne Bestrafung zu versuchen. Dann stimmt die Klasse ab: Die Mehrheit ist für die Variante ohne Strafe.
Modellversuch zur Demokratiebildung in Grundschulen
Einmal wöchentlich sitzt die Klasse 3a der Quirin-Regler-Grundschule im Stuhlkreis zum Klassenrat zusammen und stimmt über Themen ab, die die Schüler bewegen. In dieser Sitzung sind die Kinder etwas nervös, denn Landtagspräsidentin Ilse Aigner besucht die Grundschule. Nachdem sie in der Heimatzeitung darüber gelesen hatte, wollte sich Aigner das Projekt selbst anschauen, erklärt sie. Die Grundschule beteiligte sich zwei Jahre lang am Schulversuch „Mit!“ des Bayerischen Kultusministeriums, bei dem Demokratielernen an Grundschulen erprobt wurde (wir berichteten). Im Sommer 2024 ging das Projekt zu Ende, doch die Schule übernahm einige Aspekte wie den Klassenrat, die Schulversammlung und die Schülersprecher, die es neben der Verfassungsviertelstunde gibt.
Im Klassenrat erkennt Aigner Parallelen zu ihrer Arbeit im Landtag: Moderator Flemming achtet darauf, dass niemand dazwischenruft und die Kinder beim Thema bleiben. „Ihr macht was Ähnliches wie ich“, erklärt Aigner. Klassenleiterin Seddig interveniert nur, wenn es sein muss. Über welche Themen der Klassenrat entscheiden darf und welche Entscheidungen der Lehrkraft oder der Klassensprecherversammlung obliegen, ist in der Demokratie-Ampel festgelegt. Zum Abschluss der Sitzung wird die Diskussionsrunde besprochen, anschließend gibt es eine Ruheminute, in der nicht gesprochen wird.
Mit Mehrheiten umgehen
Die Schüler bringen selbst Ideen ein: Bei Verstößen gegen die Beschlüsse vergeben die „Karten-Kinder“ gelbe Karten zur Verwarnung und rote Karten zur Bestrafung. „Die Kinder sind sehr streng mit sich selbst“, erzählt Seddig. Anfangs sei der Klassenrat zeitintensiv gewesen, die Arbeit zahle sich aber aus. „Kleinere Störungen oder Diskussionen gibt es nicht mehr, das erledigen wir im Klassenrat.“ In allen zwölf Klassen der Grundschule tagt in regelmäßigen Abständen der Klassenrat – wie häufig und wie lange, obliegt den Lehrern. Bei Seddig dauert eine Sitzung zwischen 20 und 45 Minuten.
Die Schüler lernen dadurch auch, mit Mehrheitsentscheidungen umzugehen. „Mehrheiten muss man aushalten können“, sagt Aigner. Das wird auch im Klassenrat der 3a deutlich: Schülerin Grace wünscht sich, in der Spielstunde nicht immer nur „Checker Tobi“ zu schauen, sondern auch zu spielen. Vor der Spielstunde stimmen die Kinder darüber ab. „Wenn die Mehrheit dafür ist, kann man nichts dagegen machen“, erwidert eine Schülerin.
Schulversammlung nach den Ferien
Wie nach den Ferien üblich, trommelt Direktorin Sabine Bösl die Schulfamilie vor der Pause mit einer Durchsage zur Schulversammlung in den Mehrzweckraum zusammen. Die Moderation übernehmen die Schülersprecher der dritten und vierten Jahrgangsstufe. In der Versammlung werden Projekte und Anliegen besprochen. Das Umweltteam berichtet von den Plänen, den Pausenhof schattiger und grüner zu gestalten. Außerdem wird ein neues Schulziel festgelegt: Rücksicht auf andere nehmen.
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Aigner zeigt sich begeistert: „Man kann nicht früh genug anfangen, sich mit demokratischen Grundregeln auseinander zu setzen.“ Besonders die Moderation im Klassenrat beeindruckt die Landtagspräsidentin. „Manche Kollegen könnten sich davon etwas abschauen. Die Ruheminute wäre auch was für den Landtag“, sagt sie und lacht.
sf