„15 Minuten reichen nicht“: Verfassungsviertelstunde läuft im Landkreis Miesbach gut an

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15 Minuten Verfassung: Einmal in der Woche setzen sich Schüler im Landkreis mit dem Grundgesetz auseinander. © Friso Gentsch/dpa

Seit September beschäftigen sich Schüler im Landkreis einmal pro Woche mit der Verfassung. Das Konzept kommt gut an, aber die Lehrer wünschen sich mehr Zeit.

Landkreis – Rechte am Arbeitsplatz, Meinungsfreiheit vs. Fake News, das Recht auf Heimat – diese Themen stehen normalerweise nicht im Lehrplan. Seit September gibt es an bayerischen Schulen die „Verfassungsviertelstunde“. Einmal pro Woche sollen sich Schüler anhand aktueller und lebensnaher Beispiele mit dem Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung auseinandersetzen, insbesondere mit den Grundrechten und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Zehn Verfassungsviertelstunden haben die Schulen im Landkreis bereits umgesetzt. Zeit für eine erste Bilanz.

Bilderbücher zur Demokratieerziehung

Um die Inhalte altersgerecht zu verpacken, wird an Grundschulen unter anderem mit Bilderbüchern zur Demokratieerziehung gearbeitet, erzählt Schulamtsleiter Jürgen Heiß. Von den Grund- und Mittelschulen im Landkreis habe er bereits einige positive Rückmeldungen erhalten. Vorgesehen ist das Konzept in den Jahrgangsstufen zwei, vier, sechs, acht und elf.

„Eine weit verbreitete Methode ist es außerdem, aktuelle Zeitungsartikel oder kindgemäß aufbereitete Nachrichtensendungen zum Anlass für den Austausch über verfassungsrelevante Inhalte zu nutzen“, berichtete Heiß. Materialien und Fortbildungen stellen auch die Zentrale für politische Bildung und das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) zur Verfügung.

Bei den Schülern komme das Konzept gut an, viele seien interessiert an politischen Themen. Auch Grundschüler hätten bereits viel Vorwissen zu aktuellen Themen, berichteten Schulleiter dem Amt.

Schulen haben Gestaltungsfreiheit bei Verfassungsviertelstunde

An der Realschule Tegernseer Tal in Gmund sind alle Lehrkräfte an der Verfassungsviertelstunde beteiligt. Hier gibt es eine feste Struktur, wann die Verfassung behandelt wird. Die Viertelstunde wandert jede Woche einen Tag weiter. „Wir sind Montag in der ersten Stunde gestartet. Mittlerweile sind wir in der zweiten Stunde Donnerstag angekommen“, erklärt Schulleiter Tobias Schreiner. So garantiert die Schule, dass jede Woche eine Viertelstunde stattfindet. Materialien und den Wochenplan arbeitete eine Lehrerin für Politik und Gesellschaft aus, die auch im Arbeitskreis des ISB tätig ist. In Kalenderwoche 50 beschäftigten sich die 6. und 8. Klassen mit dem Thema „Recht auf Bildung“.

Das Feedback der Lehrer sei bislang positiv: Vor allem Kollegen, die selten oder nie über aktuelle Themen sprechen, schätzten diese Möglichkeit. „Und die Schüler sehen, dass diese Werte aus der Breite der Lehrerschaft adressiert werden.“ Dass die Schulen viel Gestaltungsfreiraum haben, sei eine Stärke des Konzepts. Der Schulleiter wünscht sich aber mehr Zeit: „15 Minuten reichen nicht aus.“ In den bayerischen Realschulen ist das Fach Politik und Gesellschaft erst in den 10. Klassen vorgesehen. „Das Fach bräuchte es dringend in allen Jahrgangsstufen“, findet Schreiner. Die Verfassungsviertelstunde sei dafür ein guter Anfang.

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15 Minuten reichen oft nicht aus

Am Gymnasium Miesbach wird die Verfassungsviertelstunde freier interpretiert. Lehrkräfte entscheiden selbst, welches Thema sie in welcher Stunde und mit welcher Klasse behandeln. Damit kein Thema mehrfach besprochen wird, halten die Pädagogen ihre Inhalte in einem gemeinsamen Dokument fest. Zur Vorbereitung nutzt das Gymnasium Miesbach auch die Vorschläge des ISB. „Das Material wurde großzügig zur Verfügung gestellt“, sagt Schulleiterin Claudia Reiserer.

Auf eine feste Struktur wollte die Schulfamilie verzichten. „Das unterbricht den normalen Unterricht“, findet Reiserer. So könne auch ein Bezug zum Fach hergestellt werden. In Mathe steht zum Beispiel die fünf-Prozent-Hürde auf der Liste möglicher Themen. Ganz spontan läuft es in Miesbach aber nicht: Im Dokument planen viele Lehrkräfte ihre Themen bereits vor. „Ich habe den Eindruck, dass es funktioniert“, sagt die Schulleiterin. Bei den Schülern und Lehrern sei das Konzept beliebt. 15 Minuten würden häufig aber nicht ausreichen.

Aktuell probiere die Schule deshalb noch vieles aus. Strenge Vorgaben will Reiserer aber nicht machen. „Wichtig ist, dass die Schüler etwas mitnehmen.“ Am Ende des Schuljahres soll die Verfassungsviertelstunde dann bewertet werden. sf

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