Politikwissenschaftlerin warnt: Krise zwischen den USA und Venezuela könnte eskalieren

Angesichts der massiven US-Militärpräsenz in der Karibik hat die in Caracas ansässige Politikwissenschaftlerin Anja Dargatz diplomatische Initiativen zur Entschärfung der Lage in der Region angemahnt. "Wo ist der Schulterschluss, wo sind die Aktionen zwischen der Region Lateinamerika, Europa und anderen Staaten, die eigentlich kein Interesse haben, dass hier ein neuer Brandherd entsteht?", sagte die Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Caracas der Nachrichtenagentur AFP.  

US-Militärpräsenz in der Karibik

Wegen der massiven US-Militärpräsenz in der Karibik haben die Spannungen zwischen den USA und Venezuela zuletzt zugenommen. Seit September greift die US-Marine immer wieder Boote mutmaßlicher Drogenschmuggler in der Region an. 

Die USA werfen Venezuela vor, den Drogenschmuggel in die Vereinigten Staaten zu fördern und damit die Sicherheit der USA und ihrer Bürger zu gefährden. Venezuelas linksnationalistischer Präsident Nicolás Maduro vermutet dagegen US-Pläne zu seinem Sturz.

Maduro kritisiert US-Präsenz in der Karibik
Maduro kritisierte die Stationierung von US-Kriegsschiffen in der Karibik und warf Washington vor, seine Regierung destabilisieren zu wollen. picture alliance / Anadolu | Pedro Mattey

Trump zeigt sich offen für Gespräche mit Maduro

Sie hoffe, dass die kürzlich von US-Präsident Donald Trump geäußerte Bereitschaft, mit Maduro zu sprechen, "ernst gemeint ist", sagte Dargatz. "Von Venezuelas Seite ist zumindest offiziell die Dialogbereitschaft da. Sollte tatsächlich von den USA ein Angebot kommen, kann ich mir vorstellen, dass das angenommen wird."

Dargatz geht trotz der verstärkten US-Militärpräsenz in der Karibik nicht von einer unmittelbaren Kriegsgefahr aus. "Seit August schauen wir in diese Kristallkugel USA und versuchen zu verstehen, was dahintersteckt und ob ein konkreter Plan dahintersteckt", sagte sie. Das weitere Vorgehen der USA hänge vor allem von den innenpolitischen Konstellationen in den USA ab. "Das scheint noch gar nicht geklärt zu sein intern."

Strategische Ziele im Fokus

"Wenn es nach Außenminister Marco Rubio geht, gibt es vielleicht tatsächlich einen Angriff auf strategische Ziele in Venezuela, weil er da eine klare ideologisch gefestigte Position hat gegenüber Venezuela oder Kuba", sagte Dargatz. Trump hingegen vertrete vor allem seine "America First"-Politik und sei darum bemüht, eine Verwicklung des US-Militärs in Auslandseinsätze zu vermeiden.

Der Plan der USA bestehe womöglich gar nicht darin, unmittelbar in Venezuela einzugreifen. "Aber man hat halt die Möglichkeit. Aber man hat auch die Möglichkeit, in Kolumbien einzugreifen und vielleicht hält man sich auch die Hintertür offen, das Thema Panamakanal noch mal anzugehen", sagte Dargatz. "Man könnte es als eine neue Hinterhofpolitik seitens der USA deklarieren."

Venezuela rüstet sich für einen möglichen US-Angriff.
Venezuela rüstet sich für einen möglichen US-Angriff. JUAN BARRETO/AFP via Getty Images

Venezuela: Keine Anzeichen für politischen Wandel

Anzeichen für einen politischen Wandel in Venezuela sieht Dargatz derzeit nicht. Das Militär und die Regierung stünden geschlossen hinter Maduro, der sich nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr zum Sieger erklärt hatte. Die Opposition spricht von Wahlbetrug und beanspruchte den Sieg für sich. In der Folge kam es in Venezuela zu gewaltsamen Protesten mit 28 Toten und mehr als 2400 Festnahmen. 

Sie hoffe auf einen breiten Dialogprozess unter Beteiligung verschiedener Parteien, Gewerkschaften und Akteure der Zivilgesellschaft, "die wirklich trotz schwieriger Umstände versuchen, ihren Job zu machen", sagte Dargatz. "Aber im Moment gibt es keinerlei Anzeichen dafür."