Lars Klingbeil – wer ist der neue starke Mann der SPD?
Zumindest vorerst ist er nun der starke Mann der SPD: Lars Klingbeil soll die Gespräche mit der Union führen. Dabei gilt er als Gegenentwurf zu Merz.
Berlin – Im vergangenen Jahr war Lars Klingbeil bei Inas Nacht zu Gast, einer der letzten leicht anarchischen Fernsehsendungen der Öffentlich-Rechtlichen. Zum Einstieg spielte er auf der Gitarre das Riff von „Smells Like Teen Spirit“, dann erzählte er von seiner alten Punktband namens „Pflaumenmus“. Und als Ina Müller ihn fragte, warum er denn nicht Musiker geworden sei, lautete die Antwort. „Ich wollte das auch – aber irgendwie wollte das kein anderer.“ Bis heute greift er manchmal zur Ukulele.
Vom Punker zum SPD-Politiker: Klingbeils Vita ist der Gegenentwurf zu Merz
Das also ist Lars Klingbeil. Der vergangene Sonntag (23. Februar) war nicht nur der Tag einer historischen SPD-Niederlage, sondern auch der 47. Geburtstag ihres Vorsitzenden. Der Sohn eines Unteroffiziers bei der Bundeswehr und einer Einzelhandelskauffrau aus dem niedersächsischen Munster, dem größten Standort des deutschen Heeres. Klingbeil selbst verweigerte allerdings den Wehrdienst und war in der Antifa aktiv, um sich dann später doch wieder intensiv um Verteidigungspolitik zu kümmern. Als er 2005 in den Bundestag nachrückte, trug er Anzug, Krawatte und Augenbrauen-Piercing. Ein Ex-Punker, der inzwischen dem konservativen Seeheimer Kreis angehört.

Mit dieser Vita ist Klingbeil sicher eine Art Gegenentwurf zum inzwischen 69 Jahre alten Friedrich Merz, dem Konservativen der alten Schule, der selbstverständlich gedient hat und nur wegen einer schweren Knieverletzung nicht Reserveoffizier wurde. Als Klingbeil im Bundestag begann, war er Netzpolitiker, vor allem auf Twitter aktiv und galt als SPD-Antwort auf die Piratenpartei. Die Techniknerds erlebten nur einen kurzen Hype, die Sozialen Netzwerke aber sind heute fester Bestandteil der deutschen Politik. Und Klingbeil auch. Die Haare sind kürzer, das Piercing verschwunden. „Ein Durchschnittstyp, der überdurchschnittlich weit gekommen ist“, schrieb der Spiegel einmal über ihn, weil er nicht charismatisch sei.
Entgegen dem Trend der Bundestagswahl: Klingbeil erzielt in seinem Wahlkreis über 40 Prozent für SPD
Aber Durchschnitt? Von 2017 bis 2021 fungierte Klingbeil als SPD-Generalsekretär, handelte bereits 2018 den Koalitionsvertrag mit der Union mit aus und organisierte 2019 die Wahl zum SPD-Vorsitz per Mitgliedervotum. 2021 übernahm er das Amt dann selbst, als Nachfolger von Norbert Walter-Borjans. Und auch wenn die SPD am vergangenen Sonntag mit 16,4 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 138 Jahren einfuhr: Klingbeil selbst gewann er seinen Wahlkreis Rotenburg I - Heidekreis mit 42,1 Prozent, das bundesweit beste Ergebnis von allen gewählten SPD-Direktkandidaten.
Niedersachsen. Vielleicht ist ja auch die Herkunft ein Indiz dafür, warum das mit Merz und Klingbeil klappen könnte. Denn Niedersachsen war schon immer eine Hochburg der Konservativen in der SPD. Man denkt an Sigmar Gabriel, Stephan Weil oder an Altkanzler Gerhard Schröder, bei dem der junge Klingbeil im Wahlkreisbüro arbeitete. Hier lernte der Werksstudent auch das Netzwerken. Dass Klingbeil heute steht, wo er steht, ist kein Zufall. Boris Pistorius, Hubertus Heil, Matthias Miersch – die Liste der prominenten SPD-Männer aus Niedersachsen ist lang. Aber Klingbeil nahm Platz 1 auf der Liste ein.
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Fanclub im Bundestag: Klingbeil unterstützt den FC Bayern
2019 heiratete er Lena-Sophie Müller, heute 42 Jahre alt und Geschäftsführerin der gemeinnützigen Initiative D21. Doch sie taucht eher selten öffentlich an seiner Seite auf. Auch nicht beim Fußball, der den Norddeutschen regelmäßig in die Münchner Allianz-Arena bringt. Klingbeil ist seit Langem großer Fan des FC Bayern. 2014 war er dabei, als sich im Bundestag ein Fanclub gründete. 2022 wurde er in den Verwaltungsbeirat des Vereins berufen. In der Ehrenloge sieht man ihn nun öfter neben Uli Hoeneß oder Herbert Hainer sitzen. Vorsitzender des Verwaltungsbeirats ist übrigens Edmund Stoiber. Noch so ein Konservativer der alten Schule.