Supervulkan in Italien: Bebenserie wie seit Monaten nicht mehr – mögliche Ausbruchsstelle identifiziert
Schon seit vier Tagen erschüttert eine erneute Bebenserie den Supervulkan der Phlegräischen Felder. Und auch andere Indikatoren sind beunruhigend.
Pozzuoli – Seit zwei Jahren bereitet der Supervulkan der Phlegräischen Felder der Bevölkerung der Region westlich der süditalienischen Hafenstadt Neapel große Sorgen. 2023 hatten Forscher mit einer Studie für Aufsehen gesorgt, wonach ein neuer Ausbruch in naher Zukunft bevorstehen könnte. Im Sommer 2024 sorgten Beben mit einer Magnitude von bis zu 4,4 für Panik und Gebäudeschäden. Im Herbst schien sich die Situation beruhigt zu haben, der Supervulkan war eigenartig ruhig. Doch seit Jahresbeginn kehrt der Schrecken immer mehr zurück.
Seit Montag (10. Februar) gibt es einen neuen Höhepunkt in der Erdbebenserie: Ein nicht enden wollender Bebenschwarm sucht die Region der Roten Zone des Supervulkans heim, in der eine Million Menschen leben. Zwar sind die Erschütterungen nicht mehr so stark wie im vergangenen Jahr – das stärkste Beben am Freitag um 23.18 Uhr hatte eine Magnitude von 2,6 –, die Summe der Erschütterungen am Freitag lag aber bei knapp 300 Erdstößen. Der Supervulkan nimmt die Phlegräischen Felder sozusagen unter Dauerfeuer. Auch wenn es keine neuen Gebäudeschäden zu beobachten gibt, bereitet diese Entwicklung dennoch vielen Sorge.

Der Supervulkan in Italien nimmt die 500.000 Bewohner der Phlegräischen Felder unter Dauer-Erdbeben
Neben den Erdstößen gibt es noch weitere Faktoren, die die Unruhe noch befeuern. So ist der CO₂-Ausstoß der Phlegräischene Felder im Januar dieses Jahres gegenüber dem Dezember des Vorjahres von geschätzt 3000 Tonnen CO₂ pro Tag auf 5000 Tonnen CO₂ gestiegen. Das ist dem Monatsbericht des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie für Januar zu entnehmen. Auch die Infrarotmessungen der Oberflächentemperatur zeigten an einer Stelle in der Nähe des für seine Schwefelquellen bekannten Solfatara-Kraters steigende Temperaturen. Am Fuße der Solfatara befinden sich die Pisciarelli-Fumarolen (Thermalquellen) direkt neben einem Sportplatz.
In diese Situation platzte am Freitag die Veröffentlichung einer neuen Studie: Bei der Analyse der Aktivität des Supervulkans haben Forscher des Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV) eigenartige Erdbebenfolgen entdeckt. Sie identifizierten eine Reihe extrem schneller vulkanisch-tektonischer seismischer Sequenzen mit einem sehr kurzen Zeitintervall zwischen einem Ereignis und dem nächsten. Dabei handelt es sich um sogenannte „burst-like swarms“, die so schnell sind, dass sie kaum wahrnehmbar sind. Ähnliche Phänomene wurden auch in den Calderas anderer Vulkangebiete festgestellt und könnten laut den Autoren der Studie ein Anzeichen für bevorstehende phreatische Eruptionen sein.
Das sind Eruptionen, die durch den Kontakt von Wasser und heißem Material, meist Magma, entstehen und bei denen Gestein, Dampf und Wasser ausgestoßen werden. Die Wissenschaftler betonen, dass es sich derzeit nur um eine Hypothese handelt und es keine Beweise für bevorstehende phreatischen Eruptionen gibt. Die ausbruchartigen Schwarmsequenzen seien jedoch eindeutig ein Signal, das beobachtet werden sollte.
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Supervulkan in Italien: Eigenartige Erdbebenfolgen lassen bei Wissenschaftlern die Alarmglocken läuten
Wie das Institut mitteilt, haben Seismografen seit Beginn der aktuellen Beben-Krise in den Phlegräischen Feldern im Jahr 2005 über 23.000 Erdbeben registriert. Diese sind laut der Studie zwar klein, aber für den Menschen deutlich spürbar, da sie nahe der Erdoberfläche auftreten. „Man darf nicht vergessen, dass die Stärke eines Bebens die freigesetzte Energie angibt, aber wie es an der Oberfläche wahrgenommen wird, hängt auch stark von der Tiefe ab, in der es registriert wird. Je näher an der Oberfläche, desto stärker“, erklärt Dr. Piergiorgio Scarlato, Leiter der Abteilung für Vulkanologie am INGV, dem Portal Fanpage.it. Weiter erklärt er: „In der Region der Phlegräischen Felder sind die Erdbeben für die Bevölkerung besonders spürbar, da sie in geringer Tiefe auftreten.“
Bei einer Sequenz des starken Erdbebens vom 20. Mai 2024, mit dem etwa vierzig sehr schnell aufeinander folgenden Ereignisse in Verbindung gebracht werden, lagen zwischen einem Phänomen und dem nächsten im Durchschnitt etwa acht Sekunden. Wie Dr. Flora Giudicepietro und ihre Kollegen in der Studie erklären, können diese Schwärme „wichtige Indikatoren für hydrothermale und geodätische Prozesse sein“.
Explosionsartige Schwärme werden auch mit der phreatischen Eruption des Vulkans Hakone in der japanischen Präfektur Kanagawa am 29. Juni 2015 in Verbindung gebracht. Dabei wurden etwa 100 Kubikmeter Material aus dem Krater geschleudert. Eine phreatische Eruption überraschte auch Wanderer ein Jahr zuvor am japanischen Vulkan Ontake, wo das Geschehen gefilmt wurde.
Wahrscheinlichste Zone für einen Ausbruch des Supervulkans liegt mitten in der Hafenstadt Pozzuoli
Einen Ort, Gasausstoß und Flüssigkeitsbewegung geschehen könnten, haben die Forscher ebenfalls schon identifiziert: „Konzeptionell könnten diese Bedingungen das System für phreatische Aktivität anfällig machen und das Auftreten von Burst-artigen Sequenzen könnte ein Hinweis auf diese Möglichkeit im Gebiet Solfatara-Pisciarelli sein“, erklären die Autoren. Dieses Areal liegt mitten im Stadtgebiet von Pozzuoli, während der Solfatara-Krater selbst unbewohnt ist. Hier konzentrierten sich am Freitag auch die Erdstöße.
Denn die auffälligen Sequenzen wurden hauptsächlich im Hydrothermalgebiet Solfatara-Pisciarelli entdeckt, wo in den letzten Jahren erhebliche Entgasungen registriert wurden. Im Jahr 2024 gab es einen Ausstoß von etwa 1600 Tonnen Kohlendioxid (CO₂) pro Tag nur aus dem Solfatara-Krater.
Bebenserie an Supervulkan könnte Anzeichen für gefährliche, unvorhersehbare phreatische Eruptionen sein
Was würde eine Phreatische Eruption bedeuten? Am Ontake kamen dabei 63 Menschen ums Leben. Es waren Touristen, die den ansonsten unbewohnten Berg bestiegen hatten. Was bei einer solchen Eruption in einem dicht besiedelten Gebiet wie den Phlegräischen Feldern passieren würde, wäre unvorstellbar. Die Wohnbebauung beginnt nur rund 150 Meter von den heißen Pisciarelli-Quellen am Fuße der Solfatara entfernt. Das Problem ist: Diese Art von Eruption ist kaum vorhersehbar und forderte etwa 1979 am Dieng-Vulkan in Indonesien 149 Opfer. Der italienische Wissenschaftskanal Geopop hat solch eine Eruption, wie sie sich in Pozzuoli ereignen könnte, in einem Video simuliert.
In einer anderen Studie hatten INGV-Forscher jüngst eine Zunahme des Schwefelgasausstoßes in den Phlegräischen Feldern festgestellt. Erst vor kurzem hatte zudem ein Vulkanologe die Beben, die sich nach Pisciarelli verlagerten, als „sehr schwere Situation“ bezeichnet. Das Risiko sollten Touristen, die einen Urlaub in Italien planen, berücksichtigen. Auch das aus Vulkanen ausströmende Kohlendioxid kann tödlich sein. 1986 erstickten am Nyos-Kratersee in Kamerun über 1700 Opfer durch das geruchslose ausströmende Gas. Auch vor der griechischen Insel Santorin wird ein Vulkanausbruch befürchtet. Auf der spanischen Ferieninsel Teneriffa könnte dieses Szenario ebenfalls in absehbarer Zeit eintreten. Am Ätna sorgt eine Eruption derzeit dagegen für fantastische Bilder.