Erdbeben in Santorini: Was hinter den Beben und Vulkanausbrüchen im Mittelmeer steckt
Fast im gesamten Mittelmeer kommt es derzeit zu teils heftigen Erdbeben, Vulkane brechen aus. Tatsächlich steckt eine große tektonische Bewegung dahinter.
Santorini - Die Erde im Mittelmeer ist derzeit so unruhig, wie seit Jahren nicht mehr. Eine heftige Erdbebenserie vor Santorini in Griechenland könnte Vorbote eines Starkbebens oder eines Vulkanausbruchs sein. In Italien gab es Erdbeben in der Toskana, zwischen den äolischen Inseln nördlich von Sizilien. Dort brachen auch die Vulkane Stromboli und Ätna aus. Die Eruption am Ätna liefert derzeit atemberaubende Bilder, Skitourengeher fahren hier vor dem glühenden Lavastrom ins Tal ab.
Auch der Supervulkan der Phlegräischen Felder bei Neapel zittert immer wieder, jüngst auch der Vesuv. Am Dienstag bebte dann in Kroatien die Erde und auch im Norden Marokkos ereignete sich ein Beben der Stärke 5,2. Bei all diesen Ereignissen kam niemand zu Schaden. Allerdings flüchteten vielerorts Menschen sicherheitshalber, in Marokko etwa verbrachten die Einheimischen die Nacht aus Angst vor einem stärkeren Beben im Freien. Aber wieso ist die Erde im Mittelmeer derzeit eigentlich so unruhig?
Zahlreiche Erdbeben im Mittelmeerraum – Im Netz kursieren Spekulationen über Einfluss aus dem All
In den sozialen Netzwerken kursieren Theorien über Planetenkonstellationen oder Sonnenfleckenaktivitäten, die Erdbeben und Vulkane triggern würden. Tatsächlich stehen derzeit sechs Planeten dicht beieinander am Himmel, am 28. Februar werden alle sieben Planeten fast in einer Reihe stehen, und auch die Sonneneruptionen sind derzeit stark, weshalb man immer wieder Nordlichter weit im Süden sehen kann.
Dr. Joachim Wassermann vom Geophysikalischen Observatorium der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hält die aktuelle Planetenkonstellation als gemeinsame Ursache der Beben und Ausbrüche für unwahrscheinlich: „Die Planeten sind einfach zu weit von der Erde entfernt und haben zu wenig Masse, um mit ihrer Anziehungskraft die Erdkruste so zu verändern, dass sie bereits kritische Erdbebenzonen oder Vulkane triggern könnten“, erklärt er in einem Interview mit IPPEN.MEDIA.
Experte ordnet Einflüsse von Mond und Sonne auf die Erdkruste ein: „Zusammenhang nicht nachweisbar“
Tatsächlich sorgen Sonne und Mond für so etwas wie Gezeiten auch in der Erdkruste, doch dem Forscher zufolge werden dadurch keine Erdbeben oder Vulkanausbrüche ausgelöst: „Selbst im Falle von Sonne und Mond, selbst wenn Sie direkt in Konstellation einer Springflut stehen und eine Veränderung der Erdgestalt von bis zu 20 Zentimetern bewirken, ist ein statistischer Zusammenhang zwischen ausgelösten Erdbeben oder Vulkanausbrüchen nicht nachweisbar“, so Dr. Wassermann.
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Einen Zusammenhang mit der Sonnenfleckenaktivität hält der Wissenschaftler auch für völlig abwegig. „Sonneneruptionen verändern zwar das Magnetfeld, aber die Eisenanteile in der Erdkruste sind so gering, dass sie durch einen Sonnensturm nicht so sehr angezogen werden könnten, dass sie Erdbeben oder Vulkanausbrüche auslösen.“
Tatsächlich gibt es eine gemeinsame Ursache der Beben und Eruptionen jenseits des Mittelmeeres
Die Erdbeben und Vulkanausbrüche im Mittelmeerraum haben aber doch etwas gemeinsam: „Sie lassen sich auf die Tektonik des Mittelmeeres zurückführen“, erklärt Dr. Wassermann weiter. Die afrikanische Platte schiebt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Millimetern pro Jahr nach Norden auf die eurasische Platte zu. „Dazwischen liegen viele kleine Mikroplatten, die sich zwischen den beiden großen Platten ganz unterschiedlich bewegen.“
Eine davon ist die Adriatische Platte, die sich unter die Balkanhalbinsel schiebt, die Teil der eurasischen Platte ist. „Das verursacht im Osten die Erdbeben in Kroatien und im Westen die Erschütterungen in der Toskana, weil es hier zu einer Dehnung kommt“, erklärt der Forscher. Die Aktivität der Phlegräschen Felder und des Vesuv haben laut Dr. Wassermann wohl dieselben Ursachen und werden großräumig auch von der Subduktion der adriatischen Platte unter Italien verursacht, die sowohl unter Italien als auch unter den Balkan rutscht. „Bei dieser Subduktion wird Wasser aus der Platte gedrückt, was als Schmelzpunkterniedriger des darüberliegenden Mantels wirkt. Der schmilzt auf und die Schmelze, also das Magma, geht nach oben.“
Eine weitere Mikroplatte ist die ionische Platte, die sich von Südosten her unter Italien schiebt. Diese Platte taucht in die Tiefe ab, was zum Schmelzen des Gesteins führt, das dann wiederum in den Vulkanen im Norden von Sizilien aufsteigt. Dort liegen die Liparischen bzw. Äolischen Inseln, ein lohnenswertes Ziel für einen Italien-Urlaub.
Beben und Vulkanausbrüche durch Plattentektonik: Müssen Griechenland-Urlauber sich Sorgen machen?
Doch auch diese Inseln, zu denen auch Stromboli gehört, sind vulkanisch und tektonischen Ursprungs: „Bei der Plattenbewegung südlich vor Italien kommt es zu einem Rollback, das heißt, die Kruste dehnt sich, was wiederum zu Erdbeben führt und den Aufstieg von Magma fördert“, erklärt der Forscher. Dies sei derzeit sowohl auf den Äolischen Inseln als auch auf Santorini der Fall. Die griechische Insel liegt wiederum an der Grenze der ägäischen Mikroplatte, die zwischen der afrikanischen und der eurasischen Platte sowie einer weiteren Mikroplatte, der anatolischen Platte, mit der Türkei liegt.
Dr. Wassermann: „Beim letzten Beben vor Santorini im Jahr 1956 hat es übrigens einen Geländesprung von neun Metern am Meeresgrund gegeben, wie bei einer Expedition festgestellt wurde.“ Der folgende Tsunami an der unbesiedelten Steilküste der Ägäisinsel Amorgos war 20 Meter hoch, an der Nordküste noch zwei Meter. Bei der Katastrophe starben 53 Menschen. Das Erdbeben von Messina im Dezember am 28. Dezember 1908 forderte zwischen 72.000 und 110.000 Menschenleben auf Sizilien und in Kalabrien – vor allem durch Tsunami-Wellen. Ein Szenario, das Menschen beunruhigen dürfte, die einen Urlaub in Griechenland planen.
Dr. Wassermann stellt aber klar, dass die jetzigen Geschehnisse in Italien und Griechenland isoliert betrachtet werden müssen: „Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen den Ereignissen, sie liegen einfach viel zu weit auseinander und haben unterschiedliche Ursachen, jede Mikroplatte hat ihre eigene Dynamik. Diese Geschehnisse wiederholen sich alle relativ regelmäßig und fallen jetzt rein zufällig zeitlich zusammen.“
Ein weiterer Gesichtspunkt: „Durch das relativ dramatische Geschehen in Santorini ist die Öffentlichkeit derzeit sehr sensibilisiert und registriert Erdbeben oder Vulkanausbrüche, von denen die sonst kaum Notiz nehmen würde.“ Auch der Vulkanblogger Patrick Felten Lydom erklärt auf seinem YouTube-Kanal die Zusammenhänge zwischen Tektonik und Vulkanismus.