Borkenkäfer, Klimawandel, fehlende Pflege – Waldbesitzer Wolfratshausen: „Schlittern auf Katastrophe zu“

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Der ehemalige Bürgermeister von Königsdorf, Anton Demmel (li.), ist neuer Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung (WBV) Wolfratshausen. Seinen Vorgänger Johann Killer (Mi.) ernannten die Mitglieder zum Ehrenvorsitzenden. Rechts im Bild: WBV-Geschäftsführer Florian Loher. © wbv

Die Waldbesitzervereinigung Wolfratshausen fordert bei der Hauptversammlung konsequentere Pflege und wählt Ex-Bürgermeister Anton Demmel als neuen Vorsitzenden.

Aufhofen/Wolfratshausen – „Wir stellen fest, dass zunehmend mehr Wälder nicht mehr bewirtschaftet und gepflegt werden“: Johann Killer, scheidender Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung (WBV) Wolfratshausen, zeigte sich in der jüngsten Jahresversammlung in Aufhofen (Gemeinde Egling) besorgt. „Einerseits verabschieden sich vor allem immer mehr kleinere Waldbesitzer aus der Bewirtschaftung, andererseits werden von EU und Bund immer mehr Weichen Richtung Stilllegung von Wäldern gestellt“, zitiert die WBV Killer in einer Pressemitteilung.

Die 1422 Mitglieder zählende Vereinigung „steuert aktiv dagegen“, so WBV-Geschäftsführer Florian Loher: „Um gerade unerfahrene Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer bei der Pflege ihrer Wälder zu unterstützen, hat die WBV zum Jahresbeginn zwei Försterinnen aus der Region eingestellt, um mehr sogenannte Waldpflegeverträge anbieten zu können.“ Gegen die „politisch forcierte Stilllegung“ wehre sich der Interessenverband auf politischem Weg.

Die wirtschaftliche Bedeutung und der Beitrag der Forstwirtschaft zum Betriebseinkommen der Waldbesitzer sinke dramatisch. Steigende Produktionskosten, immer mehr Auflagen und die hohe Inflation werde durch die Holzpreise nicht ansatzweise ausgeglichen. „Der Strukturwandel auf den Dörfern führt auch zu einer Entfremdung vom eigenen Wald“, konstatiert die WBV. „Nach einem Erbgang werden die landwirtschaftlichen Flächen meist sofort weiterbewirtschaftet. Für den Wald bleibt in der Regel keine Zeit und oft kein Interesse mehr.“

Die Bindung an den Wald sei allerdings noch so hoch, dass er meist nicht verkauft werde. „Als Konsequenz sehen wir immer mehr Wälder, die nicht gepflegt werden. Angesichts des dramatisch zunehmenden Klimawandels schlittern wir damit auf eine Katastrophe zu, ohne genügend vorzusorgen“, warnte Killer. „Ohne konsequente Pflege der Wälder und frühzeitige Sicherung und Etablierung von mehr Mischwäldern, insbesondere bei der Waldverjüngung, werden bei uns riesige Kahlflächen kommen, wie sie derzeit im Frankenwald entstehen.“

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Mit über 93 000 Festmetern Holz „konnten wir 2023 für die Mitglieder erneut auf stabilem Niveau das eingeschlagene Holz vermarkten“, bilanzierte Geschäftsführer Loher zufrieden. Schwerpunkt war mit 90 Prozent (knapp 84 500 Festmeter) erneut die Fichte, gefolgt von Tanne (3825 Festmeter) und Buche (2373 Festmeter). Die Vermarktung von Hackschnitzeln konnte mit 23 363 sogenannten Schüttraummetern laut Loher etwas gesteigert werden. Trotz intensiver Aufklärung und Werbung für die Waldpflege blieb der Holzeinschlag im Herbst vergangenen Jahres nach seinen Worten sehr zurückhaltend. „Auch die feuchte Witterung ab November verhinderte eine frühzeitige Bereitstellung des dringend benötigten Rohstoffes Holz.“ Wie von der WBV befürchtet, kamen dann ab Februar sehr große Holzmengen aus dem planmäßigen Holzeinschlag in Verbindung mit der Schneebruchaufarbeitung auf den Markt. Gleichzeitig brach laut Loher der Absatz in den Sägewerken auf Grund der schwachen Baukonjunktur schlagartig ein.

Ein Baumstumpf in einem Fichtenwald ist optimaler Brutraum für den gefürchteten Borkenkäfer.
Ein Baumstumpf in einem Fichtenwald ist optimaler Brutraum für den gefürchteten Borkenkäfer. © Fabian Strauch/dpa

„Wir werden das meiste Holz bis zum Borkenkäferschwärmflug aus den Wäldern abgefahren haben“, sichert Loher zu. Der Aufwand sei jedoch riesig. Mit Sorge sieht der WBV-Geschäftsführer zudem, dass viele Wälder immer vorratsreicher und dichter würden. „Anscheinend reagieren viele Waldbesitzer auf die Schadenereignisse mit einer Einschlagszurückhaltung auf den übrigen Waldflächen.“ Das sei aber die falsche Strategie: „Nur mit konsequent durchforsteten Wäldern bekommen wir stabile, wertvolle Wälder und einen natürlichen Nachwuchs auf großer Fläche.“

Ein weiteres Problem: Die forstpolitische Entwicklung in Deutschland und Europa

Der frühe Vegetationsbeginn konnte nach Einschätzung der WBV durch das kühle und regnerische Wetter in den vergangenen Wochen zumindest teilweise ausgeglichen werden: „Die Waldböden im Vereinsgebiet haben eine gute Wassersättigung wie schon lange nicht mehr.“ Aber: Vielerorts würden noch vom Schnee gebrochene und vom Sturm geworfene Fichten liegen. „Dies ist optimaler Brutraum für den Borkenkäfer. Wenn wir diese Bäume nicht bis spätestens Ende Mai aus den Wäldern holen, werden wir dieses Jahr deutlich größere Borkenkäferschäden bekommen“, prognostizierte Killer.

Ein weiteres Problem sei die forstpolitische Entwicklung insbesondere in Europa, aber auch in Deutschland. Bei der Waldpolitik würde ein „absoluter Schwerpunkt“ auf Biodiversität und das Speichern von CO2 gelegt. Als „Allheilmittel“ würde die Stilllegung von Waldflächen propagiert. Der aktive Waldumbau, die Waldpflege und eine CO2-Speicherung im Holz würden dagegen „fast ignoriert“. Killer: „Darüber hinaus soll anscheinend durch unsinnige Bürokratie wie beim Lieferkettengesetz die Waldbewirtschaftung bewusst erschwert werden.“ Weniger gewünscht sei offenbar eine „nachhaltige und vorbildliche Familienforstwirtschaft, wie sie in unserem Raum betrieben wird“.

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Bei den turnusgemäßen Wahlen kandidierte Killer nach knapp 20 Jahren Vorstandsarbeit nicht mehr für das Amt des Vorsitzenden. Zum Nachfolger wählten die Mitglieder den ehemaligen Königsdorfer Bürgermeister, Anton Demmel. Hubert Köglsperger, Peter Bonleitner, Nikolaus Kohlauf und Martin Strobl wurden jeweils in ihren Vorstandsämtern bestätigt.

Verbunden mit großem Dank für sein jahrzehntelanges Engagement ernannte die WBV Johann Killer zum Ehrenvorsitzenden.  cce

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