„Sind bunt und bleiben es“: Nach Nazi-Schmiereien demonstrieren Männer und Frauen für Vielfalt

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150 Menschen für Vielfalt: Zur spontanen Mahnwache kamen viele Menschen © Kathrin Kugler

Die Hakenkreuze an den Läden eines schwulen Paars in Wolfratshausen haben für Fassungslosigkeit gesorgt. In den vergangenen Tagen solidarisiert sich die Stadt.

Die Hakenkreuze wurden überstrichen, die Beleidigungen auch. Nach den Nazi-Schmierereien an der Schokoladen-Manufaktur und am Cafè des Ehepaars Georg und Chris Bernhofer in der Wolfratshauser Altstadt bleibt der Vorfall, der sich in der Nacht auf Donnerstag ereignet hat, in den Köpfen vieler Menschen präsent. Zahlreiche Männer, Frauen und Kinder setzten am Samstag gemeinsam ein Zeichen und bekunden Solidarität und Zusammenhalt.

Mitorganisator Schmidt ist „berührt“ von der Resonanz

150 Demonstranten kamen laut Veranstalter am Samstagvormittag zur eilig angesetzten Mahnwache vor der Brasserie Bernhofer im Wirth-Haus am Obermarkt. Der enge Bürgersteig in der historischen Altstadt bot fast nicht genügend Platz für die vielen Menschen, die Solidarität zeigen wollten und für Vielfalt in der Region einstehen. Ich war sehr bewegt“, sagt Organisator Dr. Hans Schmidt. In weniger als zwölf Stunden stellten die Organisatoren von der Initiative „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ die Demo auf die Beine. Um kurz vor 23 Uhr am Freitagabend schickte Schmidt die Einladung für Samstagvormittag per Mail an die Mitstreiter. „Dass in so kurzer Zeit so viele Menschen zusammengekommen sind, berührt mich“, sagt Schmidt. Er selbst las einen Liedtext vor. „Sie sind wieder da“, heißt das Stück – es thematisiert das neuerliche Aufkeimen von rechtsnationalem Gedankengut. Viele traten am Samstag ans offene Mikrofon, erzählten von ihrem Schock angesichts der Hakenkreuze und Beschimpfungen an den Häuserfassaden und beschworen den Zusammenhalt der Demokraten.

Hakenkreuze am Obermarkt: Schmiererei am Cafe und Laden
Hakenkreuze und Beschimpfungen hinterließen Unbekannte an den Fassaden und Schaufenstern der Schokoladen-Manufaktur und des Cafès des Ehepaars Georg und Chris Bernhofer. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Bürgermeister ist „fassungslos“: Hakenkreuze an Gebäude geschmiert - mit klarer Botschaft

Auf die Berichterstattung unserer Zeitung hin meldeten sich viele Wolfratshauser auf sozialen Plattformen und direkt in unserer Redaktion. Bürgermeister Klaus Heilinglechner veröffentlichte einen Text auf Facebook. „Es macht mich nicht nur traurig, sondern fassungslos, solche verabscheuungswürdigen Schmierereien an Fassaden von völlig unbescholtenen Geschäften und sozialen Organisationen“ zu sehen. Auch am Pumpenhäuschen, von wo aus der Verein Bürger für Bürger seine Angebote organisiert, fanden sich nämlich Symbole. Die Zahl 88 prangte am Freitagvormittag an dem Bauwerk – ein Code für „Heil Hitler“. Der Rathauschef dankt in seinem Text „allen, die sich solidarisch zeigen gegenüber den Betroffenen“. Heilinglechner konstatiert: „Wolfratshausen ist bunt und soll es auch bleiben.“

Nazis „bandenmäßig“ im Landkreis? Grüne ziehen Vergleich zu NS-Schergen

Dr. Hans Schmidt und seine Frau Lucia haben auch geschrieben – in einem Brief an unsere Redaktion verurteilt das Ehepaar „Nazis“, die versuchen „bandenmäßig die Menschen bei uns im Landkreis zu tyrannisieren. Sie bedrohen Menschen, beschädigen Plakate, reißen ganze Plakatwände ein, steigen auf Leitern oder auf Mülltonen am Haus hoch, besprühen Hauswände mit Nazis-Smbolen und Nazi-Parolen, schmieren ihre Zeichen auf den Gehweg, auf die Bank an der Bushaltestelle, auf Wände.“ Diese Ungeister seien „gesetzlose Gesellen“. Das Ehepaar Schmidt erkennt Parallelen zu den NS-Schergen vor der Machtergreifung Hitlers in den 1930er-Jahren.

Die Bürgervereinigung Wolfratshausen (BVW) hat „mit wachsendem Entsetzen“ beobachtet, dass in den vergangenen Wochen rechtsmotivierte Taten zugenommen haben. Die BVW drückt in einer Stellungnahme, die sie unserer Zeitung geschickt hat, „uneingeschränkte Solidarität“ mit den Betroffenen aus. Diese Taten „widersprechen allen Werten, für die wir als Gesellschaft stehen, so etwas darf in unserer Stadt, in unserem Landkreis keinen Platz haben“, so das Führungsduo der Bürgervereinigung um den Vorsitzenden Thomas Eichberger und Vize Kathrin Kugler. „Unser Ziel ist eine offene, tolerante und respektvolle Gemeinschaft. Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich geschlossen gegen Hass, Intoleranz und Gewalt zu stellen. Es ist jetzt wichtiger denn je, gemeinsam für eine Gesellschaft einzutreten, die von Respekt, Gleichwertigkeit und Menschlichkeit geprägt ist.“

Waldramer fordert „eindeutiges“ Zeichen der Politik: Nach Nazi-Symbolen seien Politiker gefragt

Der Waldramer Wolfgang Saal meldete sich mit einer E-Mail an alle Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen zu Wort. Er engagiert sich im Badehaus-Verein, der an die NS-Gräuel, jüdisches Leben und den Aufbau Waldrams und Wolfratshausen nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Saal fordert ein deutliches Zeichen der Kommunalpolitiker: „Ich bin der tiefen Überzeugung, dass es unbedingt nötig ist, dass sich auch der Wolfratshauser Stadtrat geschlossen gegen diese verbrecherischen Machenschaften ausspricht und eindeutig positioniert.“ Konkret wird der Waldramer nicht, bringt aber eine „eindeutige Resolution“ ins Spiel. „Ich will Ihrer Fantasie, wie das geschehen könnte, keine Grenzen setzen – nur es muss einstimmig, deutlich und schnell geschehen“, so Saal. Gegen die „unerträglichen“ Nazi-Schmierereien hält er die Mahnwache am Samstag für ein „eindrucksvolles Zeichen“, das die Bürger gesetzt hätten.

Hans Schmidt sieht das genauso. Er möchte es nicht bei einem einmaligen Signal belassen. „Wenn wir jetzt nicht Flagge zeigen und dem feigen Gesindel nicht entschlossen entgegentreten, geht ihre Saat auf: Angst verbreiten und einschüchtern, wie schon einmal in der deutschen Geschichte.“ Im Namen der Initiative „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ ruft Schmidt erneut zu einer im wahrsten Wortsinn bunten Aktion auf: Bei der Initiative kann man Regenbogen-Fahnen bestellen als Zeichen der Solidarität. „Werben wir bei unseren Nachbarn, Freunden und Bekannten dafür, dass in vielen Fenstern die Regenbogenflagge hängt, in Wolfratshausen und anderswo“, werben Lucia und Hans Schmidt in ihrer Stellungnahme.

Opfer sind überwältigt von der Anteilnahme: „Unsere Heimat wird enger zusammenrücken“

Das Ehepaar, gegen das sich die Angriffe richteten, hat sich auf Instagram zu den Schmierereien geäußert. Georg und Chris Bernhofer posteten einen Text in ihrer Instagram-Story: „Wir sagen allen Danke, die uns in diesen Stunden nicht alleine lassen.“ Sie seien „überwältigt von der hohen Anteilnahme und der Resonanz, den hunderten Nachrichten“. Georg und Chris Bernhofer sind überzeugt: „Unsere Stadt, unsere Heimat wird enger zusammenrücken.“

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