„Wie sieht Plan B aus?“: Entscheidung zu Fernwärmenetz stößt bei Wirtschaft und Klimaschützern auf Kritik
Wie jetzt bekannt wurde, hat der Verwaltungsrat der Stadtwerke Wolfratshausen die Planung für ein Fernwärmenetz auf Eis gelegt. Diese Entscheidung stößt auf Kritik.
Wolfratshausen – „Die Fernwärme kommt“, verkündete die Stadt Geretsried im März vergangenen Jahres. Die Kommune feierte die Unterzeichnung des Wärmeliefervertrags zwischen der Isar-Loisach Naturwärme GmbH, eine Tochter der Stadtwerke Geretsried, und der Eavor Erdwärme Geretsried GmbH. Zuvor hatten der Stadtrat und der Verwaltungsrat der Stadtwerke Geretsried den Vertragsinhalt genehmigt. Dass die Stadt Wolfratshausen, konkret ihr Tochterunternehmen, die Stadtwerke, in die Planung eines Fernwärmenetzes einsteigt, hat die Mehrheit des Verwaltungsrats der Stadtwerke wie berichtet abgelehnt. Das stößt auf Kritik.
Vorstand der Baugenossenschaft ist „enttäuscht“
Das Gros der Wolfratshauser Stadträte hatte sich stets für den Aufbau eines Fernwärmenetzes ausgesprochen, um auf diese Weise vom Geothermie-Projekt in Geretsried zu profitieren. Doch die Mandatsträger, die der Stadtrat in den Verwaltungsrat der Stadtwerke entsenden, sagten in einer internen Sitzung im Sommer 2024, wie jetzt bekannt wurde, mehrheitlich Nein zu dem Vorhaben. Der wesentliche Grund sind die voraussichtlichen Kosten. Das Investitionsvolumen – unter anderem müssen etwa 32 Rohr-Kilometer verlegt werden – betrage insgesamt fast 81 Millionen Euro, so Stadtwerkeleiter Thomas Fritz. Für den Aufbau des Netzes würde eine „Anschubfinanzierung“ von der Kommune für die ersten zehn Jahre benötigt. Diese beziffert Fritz mit 16 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund habe der Verwaltungsrat das Projekt „auf Eis gelegt“, sagte der Stadtwerkechef in der Sondersitzung des Stadtrats am vergangenen Dienstag (wir berichteten).
Vor unserer Haustür entsteht ein zukunftsweisendes Projekt – und Wolfratshausen greift nicht zu.
Britta Wurm, Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft (BG) Wolfratshausen, ist „enttäuscht“. Sie kann das Votum des Verwaltungsrats „nicht nachvollziehen“. Vor der Haustür der Flößerstadt entstehe „ein zukunftsweisendes Projekt – und Wolfratshausen greift nicht zu“, wundert sich Wurm. Die BG habe auf Anfrage der Stadtwerke im vergangenen Jahr „ihr grundsätzliches Interesse bekundet“, ans Fernwärmenetz angeschlossen zu werden. Denn laut Gesetz müsse der gesamte Immobilienbestand der Genossenschaft spätestens 2045 klimaneutral sein. „Mit Fernwärme könnten wir das quasi auf einen Schlag erreichen.“ Nicht zuletzt die gut 1000 Mieter der BG würden von Fernwärme profitieren, „denn für die würde die CO₂ -Bepreisung wegfallen“. Bleibe es beim Nein des Verwaltungsrats – der entscheidet am kommenden Dienstag (21. Januar) hinter verschlossenen Türen final über das Thema – werde die Baugenossenschaft viel Geld in die Hand nehmen müssen, um ihre Bestandsimmobilien energetisch zu sanieren. Das heiße: „Geld für Neubauprojekte steht uns nicht mehr zur Verfügung.“
„Wer etwas will, sucht nach Lösungen“
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Apropos Geld: Daran dürfe ein solch wichtiges Infrastrukturprojekt nicht scheitern. Die gelernte Bankkauffrau betrachtet es nicht als ein Hexenwerk, ein Fernwärmenetz („das ist ja ausgelegt auf 50, 60 Jahre“) langfristig und ohne großes Risiko zu finanzieren. „Wer etwas will“, so Wurm, „sucht nach Lösungen“ und trage nicht zuerst Bedenken wie eine Monstranz vor sich her. An die Mitglieder des Verwaltungsrats appelliert Wurm: „Sie sollten sich der Mehrheitsmeinung des Stadtrats verpflichtet fühlen“ – wenngleich sie weiß, dass die Verwaltungsräte de jure nicht an die Entscheidung des Stadtrats gebunden sind. Dennoch hatte der Sprecher der FDP/SPD-Fraktion, Fritz Meixner, in der Sondersitzung am Dienstag betont: „Wir haben eine Mehrheitsentscheidung im Stadtrat getroffen, und die ist auch von den Kollegen im Gremium der Tochterfirma zu respektieren.“
UWW-Chef von Stülpnagel plädiert für Planungen
Christian von Stülpnagel ist Vorsitzender der rund 120 Mitglieder zählenden Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW). Er schickt im Gespräch mit unserer Zeitung voraus, dass ein Fernwärmenetz nicht aufgebaut werden dürfe, „weil‘s so schön klingt“. Doch er plädiert dafür, „auf jeden Fall“ zumindest in die Planung einzusteigen, statt das Vorhaben „kategorisch auszuschließen“. Er erinnert daran, dass Städte in der Größenordnung Wolfratshausens bis Ende Juni 2028 eine kommunale Wärmeplanung nachweisen müssen – im Herbst vergangenen Jahres vergab der Bauausschuss des Stadtrats diesen Auftrag an die Energiewende Oberland.
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Wie sieht denn der Plan B aus?
Auf jeden Fall müssten vor einer endgültigen Entscheidung „belastbare Zahlen“ auf den Tisch, so der Inhaber und Geschäftsführer der eg-electronics GmbH in Wolfratshausen. Dazu zählt für ihn die Zahl der potenziellen Abnehmer von Fernwärme. Da es keine Gewerbeflächen mehr gebe, rechnet der UWW-Vorsitzende in diesem Kontext nicht mit Unternehmen, die sich kurzfristig neu in der Loisachstadt ansiedeln. „Primär richtet sich das Angebot an existierende potenzielle Großabnehmer, die in Sachen Wärmeversorgung umsteigen müssten.“ Eine „Blockadehaltung“ hält von Stülpnagel allerdings für grundverkehrt: „Man hat ja auch irgendwann mal ein Gasnetz gebaut.“
Votum des Verwaltungsrats „ist sehr fragwürdig“
Auch Dr. Jan Reiners, Sprecher des Klimabündnisses „Wor for Future“, ist der Meinung, dass die Stadtwerke in die Planung einsteigen sollten: „Man muss alles versuchen, um das Projekt zu stemmen.“ Das Thema auf Eis zu legen, „ist sehr fragwürdig“. Laut Reiners nimmt die Fernwärme an Bedeutung immer weiter zu, er rät dringend dazu, „in die Zukunft von Wolfratshausen zu investieren“ – und stellt die Frage in den Raum: „Wie sieht denn der Plan B aus?“
Die Finanzkraft der Kommune beziehungsweise deren Tochter Stadtwerke kenne er nicht im Detail, doch man dürfe das Ziel – Klimaschutz/Klimaneutralität – nicht aus dem Auge verlieren. Es müssten Prioritäten gesetzt werden, so der „Wor-for-Future“-Sprecher. Ein vorschnelles Nein zu einer Fernwärmeplanung könnte sich nicht zuletzt als Nachteil für den Wirtschaftsstandort Wolfratshausen entpuppen. cce
Sondersitzung des Verwaltungsrats
In einer nicht öffentlichen Sondersitzung wird der Verwaltungsrat der Stadtwerke Wolfratshausen am kommenden Dienstag (21. Januar) erneut über den Einstieg in die Planungen für ein Fernwärmenetz diskutieren und voraussichtlich eine finale Entscheidung treffen. Dem Gremium gehören außer Rathauschef Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung) an: Vize-Bürgermeister Günther Eibl und Claudia Drexl-Weile (beide CSU), die Grünen-Stadträte Dr. Hans Schmidt und Hans-Georg Anders, Ingrid Schnaller und Manfred Menke (beide SPD), Helmuth Holzheu und Michael Baindl von der Bürgervereinigung sowie Richard Kugler (Wolfratshauser Liste).