Was kommt nach dem Tod? Psychologischer Berater aus Weilheim hat dazu eine klare Meinung

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Weilheim
  4. Weilheim

KommentareDrucken

Über den Wolken geht die Sonne auf. Dieses Bild machte Fotograf Emanuel Gronau im Oktober 2023 auf dem Hohen Peißenberg. © Emanuel Gronau

In der Serie „Hinter dem Horizont“ kommen Menschen zu Wort, die in ihren Berufen mit dem Tod konfrontiert werden. Heute Dr. Paulo Nicoly Menezes der Beratungsstelle der Diözese Augsburg in Weilheim.

Weilheim – Er ist so etwas wie ein Fachmann in Sachen Tod. Er hat sich schon auf verschiedensten Wegen damit beschäftigt, viele Sichtweisen dazu kennengelernt und unheimlich viel darüber erzählt bekommen: Paulo Nicoly Menezes ist Philosoph, Theologe und Psychologischer Berater und hat in Brasilien eine Zeit lang als Klinikseelsorger gearbeitet. In dieser Zeit hat er viele Menschen sterben sehen, viele Hinterbliebene getröstet und begleitet. Auch jetzt suchen viele, deren Angehörige gestorben sind, Rat und Hilfe in der Beratungsstelle der Diözese Augsburg in Weilheim, die Nicoly Menezes leitet.

All die Erlebnisse, Beobachtungen und Erzählungen von Trauernden haben ihn zu dem Schluss kommen lassen, dass mit dem Sterben nicht alles zu Ende ist: „Ich bin fest davon überzeugt, dass es nach dem Tod noch etwas gibt“, sagt er: „Ich weiß nicht, was es ist und wie es sich gestaltet, aber ich weiß, dass es irgendwie weitergeht.“ Lediglich der physische Körper sei sterblich, meint Nicoly Menezes: „Unser Leben ist mehr als das Leben des menschlichen Körpers. Wir sind intelligente Prinzipien, die den physischen Tod überleben.“ Darauf, dass das Bewusstsein über den Hirntod hinausgehen kann, deuteten auch Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern hin.

Berater Paulo Nicoly Menezes: „Sterbende haben oft einen friedlichen Blick“

Wie sich dieses Leben nach dem Tod gestalte, das lasse sich nicht sagen: „Ich sage oft, dass wir intellektuelle Demut haben müssen. Wissenschaftler müssen bescheiden sein.“ Es sei bislang nicht möglich, von allem zu wissen, was im Universum existiert.

Nicoly Menezes stammt aus Brasilien, wo afrobrasilianische, indianische und europäische Einflüsse die Kultur prägen und die Spiritualität eine große Rolle im Umgang mit dem Tod und den Verstorbenen spielt. „Die Indianer haben ständig Kontakt mit dem Tod und ihren Toten.“ Die Verbindung zu den Verstorbenen werde durch Rituale und Traditionen gepflegt und aufrecht erhalten.

Die Art, wie in seiner Heimat dem Tod begegnet wird, habe ihn beeinflusst und geprägt. „In der Kultur, aus der ich komme, hat der Tod nicht diesen Schrecken.“ Zudem haben die Erfahrungen, die er an den verschiedenen Arbeitsstellen gemacht hat, dazu beigetragen, dass Nicoly Menezes das Ende des Lebens nicht fürchtet. „Sterbende haben oft einen friedlichen Blick. So, als ob sie schon etwas oder jemanden aus der anderen Dimension gesehen hätten. Man spürt den Frieden“, sagt er.

Hinterbliebene sollten in ihrem Gegenüber jemanden finden, der sie versteht

Heutzutage hat er bei seiner Arbeit mit denen zu tun, die zurückbleiben und Not und Verzweiflung spüren, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Die Bibel warnt an mehreren Stellen davor, Kontakt mit den Toten aufzunehmen. Nach Erfahrung des Therapeuten ist tatsächlich Vorsicht angebracht, sofern es um die Dienste von Menschen geht, die als Geistheiler oder Medium zwischen der hiesigen und der Totenwelt tätig sind. Das könne zu einer Horrorerfahrung werden. „Wer die Tür zu dieser Sphäre öffnet, muss sehr vorsichtig sein.“

Nicoly Menezes hält es für wichtig, dass die, die in einem Trauerfall Hilfe suchen, auf Verständnis stoßen. Die meisten befänden sich in einer Phase der Unsicherheit im Hinblick auf die Fragen nach dem Sterben und dem, was danach kommt. Es sei hilfreich, wenn Suchende in ihrem Gegenüber jemanden fänden, der sie verstehe. „Das versuche ich immer wieder, neu zu sein, und erlebe dabei für mich große menschliche Bereicherung und das Empfinden, etwas Sinnvolles tun zu können.“

Viele Trauernde spüren Anwesenheit der Verstorbenen

Als Berater habe er immer wieder von Trauernden erzählt bekommen, dass sie Kontakt zu ihren Toten hätten – „nicht nur in Gedanken, sondern lebendig in erfahrener Nähe und im Austausch.“ Diese Erfahrung sei für die meisten äußerst hilfreich für den Trauerprozess. „Das hat diesen Menschen echten Trost und vor allem neue Lebenskraft gegeben“, sagt Nicoly Menezes.

Viele fragten sich, ob sie den Verstand verlieren oder krank würden, wenn sie die Anwesenheit der Verstorbenen spüren. Er bestärkt die Menschen, die zu ihm kommen darin, dass sie gesund sind und ermutigt sie dazu, im Gebet, in Gottesdiensten, in Briefen, im Gespräch oder auf anderem Weg die Nähe zu ihren Toten zu suchen. „Wir können und dürfen auf Beistand und Hilfe bei unseren lieben Verstorbenen bauen“, sagt der Berater.

Rituale und Traditionen um Sterben und Tod sind fast verschwunden

Seiner Beobachtung nach ist diese Möglichkeit, den Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits nahe zu bleiben, durch den Rationalismus der heutigen Zeit nahezu in Vergessenheit geraten. Rituale und Traditionen um Sterben und Tod sind fast verschwunden. Früher war es zum Beispiel üblich, die Toten noch ein paar Tage zu Hause zu lassen, sie selber zu waschen und anzukleiden. Freunde und Nachbarn kamen, um sich zu verabschieden, es wurden regelmäßige Gedenkgottesdienste gefeiert.

Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s auch in unserem regelmäßigen Schongau-Newsletter. Und in unserem Weilheim-Penzberg-Newsletter.

Vieles davon wird heute in der Regel anders gehandhabt. Dabei ist Nicoly Menezes davon überzeugt, dass es wichtig ist, zu trauern und die Gefühle, Zweifel und Fragen nicht einfach wegzuschieben, die nach dem Tod eines lieben Angehörigen auftreten. Er rät dazu, sich immer wieder Zeit dafür zu nehmen, sonst hole einen die Trauer irgendwann ein. „Ich erlebe immer wieder, dass Menschen in eine schwere Depression fallen, wenn sie das nicht tun.“

Alle News und Geschichten aus Schongau sind auf unserer Facebook-Seite zu finden.

Auch interessant

Kommentare