Drei mühevolle Sommer für den Bau: Tölzer Hütte am Schafreuter wird 100 Jahre alt – große Feier geplant
In ihrer langen Geschichte hat die Tölzer Sektion des Alpenvereins einige Hürden überwunden. Die Geschichte der Tölzer Hütte ist besonders bemerkenswert.
Bad Tölz – Mit aktuell 9260 Mitgliedern ist die Sektion Tölz des Alpenvereins mit weitem Abstand der größte Verein im Landkreis. Das ist umso erstaunlicher, als es mit Waakirchen, Lenggries und Tutzing (deren Arbeitsgebiete sind Loisachtal und Benediktenwand) noch drei weitere Nachbarsektionen gibt. Das zeigt, wie viele Menschen heute Ausgleich, sportliche Herausforderung und das Landschaftserlebnis in den Bergen suchen.
Tölzer Hütte am Schafreuter hätte erst am Gipfel der Benediktenwand stehen sollen
Dabei hat der Tölzer Alpenverein öfter schlechte Zeiten durchgestanden: Als vor 100 Jahren am 5. Oktober 1924 die vereinseigene „Tölzer Hütte“ eröffnet wurde, herrschten wirtschaftlich schwierige Zeiten und viel Armut. 1923 hatte die Hyperinflation ihren Höhepunkt erreicht und lähmte das Land. 1929 sandte der Börsencrash am „Schwarzen Freitag“ seine Schockwellen rund um den Globus. 1933 schnitt Hitlers Tausend-Mark-Sperre den Zugang zur Hütte ab, da sie wenige hundert Meter jenseits der Tiroler Landesgrenze liegt. Im Krieg verbluteten viele Bergfreunde auf den Schlachtfeldern. 1945 beschlagnahmten die Alliierten die Hütte und schlossen die Grenze erneut. Auch später hatte die Vereinsvorstandschaft immer wieder große Widerstände zu überwinden, etwa beim Bau der Materialseilbahn.

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Gegründet wurde die Tölzer Sektion bereits 1881. Bald diskutierte man Pläne, eine eigene Hütte zu bauen. Erst sollte sie am Gipfel der Benediktenwand stehen. Doch der Hauptverein (der hatte schon damals mitzureden) winkte mit Hinweis auf eine gerade kursierende Pressenotiz ab: „Auf dem Berg, wo jetzt sogar schon die Weiber zum Wildern gehen?“ Dann war der Zwiesel im Gespräch. Doch als die Stadt Bad Tölz 1907 ganz in der Nähe das „Blomberghaus“ errichtete, erschien dieser Plan nicht mehr sinnvoll.
Gegen den Bauplan gab es Bedenken
Mit dem Tölzer Zahnarzt Walter Polscher hatte die Sektion in den 1920er Jahren einen sehr tatkräftigen Vorsitzenden: 1920 gründete er die Bergwacht und ging 1922 das Wagnis ein, eine Schutzhütte im Karwendel zu bauen. Sie sollte unterhalb des 2100 Meter hohen Schafreuter-Gipfels am aussichtsreichen Delpssattel stehen – inmitten weitläufiger Almen und in guter Nachbarschaft mit Isarwinkler Bergbauern, die dort seit Jahrhunderten ihre Sommerweiden hatten. „Schafreuter“ bedeutet ja nichts anderes als eine für die Schafhaltung gerodete Fläche.
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Gegen den Plan gab es im Verein, der seinerzeit 662 Mitglieder hatte, auch einige Bedenken. Im Jahr nach der Fertigstellung sind etliche wieder ausgetreten, weil sie sich die notwendige Beitragserhöhung von drei auf zehn Mark nicht mehr leisten konnten.
Die Grundsteinlegung erfolgte am 5. Juni 1922. Welche Mühen und Strapazen dieser Bau mit sich brachte, das lässt sich heute kaum ermessen: Drei Sommer lang schleppten freiwillige Helfer mit Muskelkraft, teils mit Tragtieren das Baumaterial aus dem Rißbachtal über einen schmalen Steig die 900 Höhenmeter hinauf zum Bauplatz. Unter Aufbietung aller Kräfte und mit nie erlahmendem Eifer konnte die Hütte schließlich trotz größter Geldnöte, Grenzschikanen und Sturmschäden auf der Baustelle im Herbst 1924 feierlich eröffnet werden.

Davor hatte Walter Polscher im September 1923 auch die Hauptversammlung aller deutschen und österreichischen AV-Sektionen nach Bad Tölz geholt, die hier mit 600 Delegierten im Hotel Kolbergarten und im Kurhaus tagte und die bekannten „Tölzer Richtlinien“ verabschiedete.
Nachhaltigkeit ist bis heute das Gebot
Die waren ein wichtiger und bis heute aktueller Beschluss in der langen Geschichte der Alpenvereine: Als Naturschutzorganisation wollte man die Hütten durch Komfortverzicht vor Massenansturm bewahren. Ins schutzwürdige Gebirge sollten nur die echten Bergfreunde und kein hippes Partyvolk kommen. Dieser Beschluss bestimmte natürlich auch die Richtung für die Ausstattung der Tölzer Hütte.

Der Tölzer Sektion sind die Erinnerung an den Hüttenbau 1922 bis 1924 und die Bewahrung und Weiterentwicklung dieses Erbes ein Herzensanliegen, betont Vorstand Benedikt Hirschmann. Die bei der Tölzer Hauptversammlung der Alpenvereine 1923 beschlossenen „Tölzer Richtlinien“ hätten auch heute noch Gültigkeit. Manches sei nach der Generalsanierung 2020/21 komfortabler geworden. Doch einfache Nachtlager statt Hotelzimmer, Waschbecken statt Duschen und ein nachhaltiges Wirtschaften in jeder Hinsicht ergeben auch heute Sinn angesichts von Klimawandel und Wasserknappheit im Gebirge. Fehlender Luxus auf den Schutzhütten werde von den Gästen voll und ganz akzeptiert, egal, ob jung oder alt, ist sich Hirschmann sicher. Die Hütte sei in den letzten Jahren sogar immer beliebter geworden: „Die 72 Schlafplätze sind häufig komplett ausgebucht. 2023 wurden 4586 Übernachtungen gezählt – weit mehr als jemals zuvor.“ Eine rechtzeitige Anmeldung bezeichnet er deshalb als absolut sinnvoll.
Die 100-Jahr-Feier
Die öffentliche 100-Jahr-Feier findet am kommenden Samstag, 27. Juli, ab 11.30 Uhr bei der Tölzer Hütte statt: also spät genug, damit alle Gäste den zwei- bis dreistündigen Aufstieg aus dem Rißbachtal noch rechtzeitig bewältigen können. Nach den Ansprachen, einer Bergmesse mit Franziskanerpater Thomas Abrell und einem Mittagessen spielt ab 14 Uhr die Tölzer Stadtkapelle. Gefeiert wird bis in den Abend. Wer keinen Schlafplatz in der Hütte hat (die sind restlos ausgebucht), muss vor der Dunkelheit wieder absteigen.
Auch heute noch unverzichtbar für den Hüttenbetrieb ist die Hilfsbereitschaft von Freiwilligen. Seit vielen Generationen opfern engagierte Mitglieder dem Alpenverein dafür ihre Freizeit. Bei ihren Arbeitseinsätzen befreien sie das Gebäude von den Schneemassen, reparieren kleinere Schäden nach Unwettern, machen am Ende der Saison die Hütte winterfest und halten auch die Wanderwege instand. (Rainer Bannier)