Ich sprach mit meiner Tochter über Merz' Stadtbild-Satz - ihr Argument überzeugt

Meine Tochter ist 19 und studiert Jura. Wir sprechen oft über Politik, einer Meinung sind wir dabei eher selten. Ich erzählte ihr kürzlich, dass ich in Kreuzberg Migranten getroffen habe, die Friedrich Merz beipflichten. Es geht dabei um den Satz des Kanzlers, wonach wir im Stadtbild ein Problem haben – unter Bezug auf Migranten.

Ich sagte meiner Tochter, dass ich die Kritik an ihm maßlos finde und als typisches linkes Canceln unliebsamer Meinungen. Das sieht Lene komplett anders. Sie findet, dass ein Bundeskanzler so nicht reden darf, weil er damit Menschen diskriminiere. 

"Merz glaubt, dass man mit Töchtern mehr mitfühlt als mit ihm“

Gestern haben wir beide verfolgt, dass der Bundeskanzler plötzlich Töchter ins Spiel brachte, als er kritisch nach dem "Stadtbild“-Satz gefragt wurde. Merz baute seine eigenen Töchter allerdings nur indirekt ein, als er auf eine Journalistenfrage zu dem Stadtbild-Satz zurückfragte, ob der Journalist Töchter habe. Merz: "Dann fragen sie mal ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort.“ 

Lene findet das generell in Ordnung, wenn ein Politiker auch mal persönlicher wird. Aber: "Damit will Merz doch nur seine Aussage wieder glattzubügeln, weil er denkt, dass man mit Töchtern eher mitfühlt als mit ihm selbst“, sagt meine Tochter.

Genau das findet sie fatal: "Als Bundeskanzler verbreitet er, dass Töchter und Frauen generell Angst haben müssen. Dabei ist es doch ein Männerproblem, kein Migrationsproblem. Dass die meisten Frauen in Deutschland schon mal sexuell belästigt wurden, ist das Problem.“

Es half nun auch nicht, dass ich Cem Özdemir erwähnte, der vor einem Jahr beim selben Thema ähnlich vorging: Der grüne Spitzenmann hatte erklärt, er mache sich Sorgen um seine Tochter, wenn die nachts in Berlin unterwegs sei und sexuellen Belästigungen migrantischer Männer ausgesetzt sei.

"Mich betrifft das Thema illegale Migration 0,00 Prozent persönlich!“

Lene erwidert, dass sie ähnliche Erfahrung glücklicherweise noch nicht gemacht habe. Aber generell sagt sie: „In meinem persönlichen Leben betrifft mich das Thema illegale Migration 0,000 Prozent negativ!“ Trotzdem müsse man auch das Gefühl von Frauen ernst nehmen, die sich einfach nicht sicher fühlen und die „andere Erfahrungen gemacht haben als ich“. 

Meine Tochter fragt mich nun allerdings, was das alles überhaupt noch mit dem Satz von Merz zu tun habe. Ich erwidere, dass es dem Kanzler doch nur um illegale Migranten gegangen sei und nicht um andere.

"Wie will man illegale Migranten allein durch Augenschein erkennen?“

Sie erwidert, das könne ja so sein, selbst Cem Özdemir habe Merz ja jetzt auch Recht gegeben. Und aus ihrer Sicht muss  man über die Problematik von illegaler Migration sprechen und sie auch politisch bekämpfen. 

"Aber als Kanzler muss man doch wissen, dass man falsche Maßstäbe einführt, wenn man nach dem Augenschein geht. Woher will das Auge erkennen, ob jemand, der Mist baut, illegal hier ist oder vielleicht ein Deutscher mit Migrationshintergrund? Genau hier entsteht doch Rassismus“. 

"Wie soll sich eine Iranerin hier fühlen, wenn Politik nach Augenschein gemacht wird?“

Das Argument überzeugt mich. Trotzdem finde ich, dass die Reaktionen der politischen Linken nicht von Sorge um drohenden Rassismus getragen sind. Für mich fühlt sich das eher  nach der notorischen Weigerung an, Risiken und Nebenwirkungen der unregulierten Migration öffentlich zu benennen. Einer Migration, die die Linke seit nunmehr einem Jahrzehnt propagiert.

Das mit den Risiken und Nebenwirkungen sollte allerdings auch Merz beherzigen, meint meine Tochter: "Stell dir eine Deutsche vor, die vor Jahrzehnten aus dem Iran kam und etwas dunklere Hautfarbe hat. Und dein eigener Kanzler könnte dich meinen, dass du aus dem Stadtbild verschwinden sollst. Wie soll sich das anfühlen?“

Dass es heutzutage schon genügen soll, sich persönlich diskriminiert oder beleidigt zu fühlen, nur weil man von einem Politikersatz "gemeint“ sein könnte, will mir trotzdem nicht in den Kopf. Da ist mir – bei aller Kritik - ein Kanzler mit Klartext lieber. Aber vielleicht ist die Gen Z da anders.