Plötzlich spricht Lindner über privaten Brief von Möbelhändler, der Kernproblem der FDP darlegt

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Auf ihrem Parteitag besinnt sich die FDP zurück auf ihre Grundfesten als Partei der Ökonomie. Ein privater Brief an Christian Lindner setzt die Marschroute in die Zukunft.

Berlin – Eine kleine Revolte wurde vorab erwartet, der große Knall blieb allerdings aus. Zwar entschied die FDP auf ihrem Parteitag die kleine Rebellion gegen die SPD-Rentenpolitik und stimmte für eine Abschaffung der „Rente mit 63“. Der große Knall – sprich: der mögliche Bruch mit der Regierungskoalition – blieb allerdings aus. Stattdessen standen in Berlin eher die liberalen Grundpfeiler der Partei im Vordergrund. Und ein privater Brief an Christian Lindner, der Aufmerksamkeit erregt.

Der große Ampel-Knall bleibt aus Erkenntnisse vom FDP-Parteitag

Auch wenn der große Ampel-Knall ausblieb: Auch die Annäherungsversuche an die von einer augenscheinlich gewissen Hassliebe geprägten Koalitionspartner SPD und Grüne gab es kaum bis gar nicht. Stattdessen wurde durchaus deutlich, dass man FDP-intern nicht sonderlich zufrieden mit der Koalitionsarbeit ist. „Wir haben ein anderes Staatsverständnis als unsere Koalitionspartner“, sagte etwa Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Parteivize Wolfgang Kubicki warnte in der Wirtschaftspolitik davor, „den Grünen in der öffentlichen Debatte zu trauen“.

Dass man sich in der Sozialpolitik auch nicht ganz grün ist, hat spätestens die eingangs erwähnte Abstimmung zur „Rente mit 63“ gezeigt. Selbiges gilt für das Dauerstreitthema Kindergrundsicherung. Parteichef Lindner kritisierte diesmal nicht nur öffentlich das Vorhaben, sondern gleich die zuständige Familienministerin Lisa Paus offensiv mit, deren Idee einer „Bringschuld des Staates“ er „schon weltanschaulich nicht“ teilen könne. Auch Außenministerin Annalena Baerbock, die kürzlich einen Rückschlag in einer Umfrage erlebte, bekam von Lindner zu hören, dass man mit der „Kraft des moralisch erhobenen Zeigefingers“ international niemanden beeindrucken könne.

Keine Koalitions-Kuschelei, keine Oppositions-Annäherung: FDP nimmt auch die CDU ins Visier

Der Parteitag war also definitiv kein Koalitions-Kuschelkurs – aber gleichzeitig auch keine Annäherung an die Opposition. Im Gegenteil: Auch auf die CDU schossen sich einige Liberale ein - so auf deren Europa-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen. Es habe einen Grund, warum die CDU sie „auf den Plakaten verbirgt“, sagte Lindner. „Denn der Bürokratiestress in unserem Land hat einen Vornamen. Und der ist Ursula.“

Satte 70 Minuten sprach Parteichef Christian Lindner auf dem FDP-Parteitag.
Satte 70 Minuten sprach Parteichef Christian Lindner auf dem FDP-Parteitag. © Hannes P Albert / dpa

Kubicki nahm CDU-Chef Friedrich Merz und dessen Überlegungen zu einer künftigen Bundesregierung ins Visier. „Ein Mann, der die FDP auffordert, wegen der Grünen die Koalition zu verlassen und danach sagt, er wolle Schwarz-Grün, hat irgendwas im Gehirn nicht verstanden“, sagte Kubicki.

FDP besinnt sich bei Parteitag auf die Grundfeste der Partei

Kein Fremd-Flirt, kein Wogen glätten zur aktuellen Konstellation. Der Parteitag zeigt damit auch: Eine wirkliche Alternative zur Ampel hat die FDP aktuell schlicht kaum. Dass man bei den Liberalen ohnehin schwer „Wünsch-dir-was“ spielen kann, zeigen auch die Umfrage-Werte eindrücklich. Mit dem Kampf um die Fünf-Prozent-Marke lässt sich schwerwiegend die eigene Attraktivität für Regierungskonstellationen hervorheben.

Dementsprechend ging die Partei viel mehr auf die grundfesten Werte zurück, will sich wieder zur Partei für die ökonomischen Belange in der Bundesrepublik machen. Oder wie Generalsekretär Djir-Sarai es nannte: „Wenn wir als FDP uns der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit des Landes nicht annehmen, dann wird es niemand tun“. Strahlende Figur für diesen Weg bleibt weiterhin Christian Lindner.

FDP-Parteitag macht klar: An Christian Lindners Platz ist kaum zu rütteln

Ganze 70 Minuten sprach der Parteichef am Samstag vor den knapp 600 Anwesenden. Regelmäßig erhielt er großen Applaus aus dem Plenum. Wirkliche Zweifel am Finanzminister ließ der Parteitag nicht aufkommen. Dafür war es Lindner selber, der nach bereits über-einstündiger Ausformulierung plötzlich einen privaten Brief mit einbezog – und damit das Kernproblem der Partei nicht nur verdeutlichte, sondern auch den Anspruch klarmachte, in welche Richtung es für die Partei zukünftig wieder mehr gehen muss.

Lindner treffe auch Menschen, die fragen, wie die Perspektive der Partei denn sei. „Vor Weihnachten habe ich einen Brief bekommen“, erwähnt er zum Ende seiner Rede hin. Seine Frau und er hätten sich einen neuen Tisch gekauft bei einem Möbelhändler. Der Inhaber habe Wind davon bekommen, an wen der Tisch geliefert wird und der Lieferung einen zweiseitigen Brief beigelegt. Laut Lindner habe der Mann auf der ersten Seite ausgeführt, dass er ein „überzeugter Wähler der Freien Demokraten“ sei. „Auf der anderen Seite stand dann: Er habe eine Frage an mich. Wann eigentlich die FDP sich wieder für Freiheit und den Respekt vor Leistung und Eigentum einsetzen wollte“, berichtet der Parteichef.

Plötzlich berichtet Lindner von privatem Brief von Möbelhändler – er macht ein zentrales FDP-Problem klar

„Mich hat dieser Brief durchaus betroffen gemacht“, gesteht Lindner ein. Ein Beispiel, das darlegt, wie die FDP sich in der Wählersicht vom gewohnten Kurs abgekehrt hat. Lindner verrät auch seine Antwort auf den Brief: „Jeden Tag setzen wir uns ein für Freiheit, für den Respekt vor Leistung und Eigentum“. Die Situation sei aktuell geprägt von Krisen und Wahlentscheidungen, die „nicht immer klare Mehrheiten hervorbringen“. Die FDP aber wisse „in Zeiten der Krise und auch in unübersichtlichen politischen Zeiten, wofür wir stehen“. Sein Appell daher an die Anwesenden: Es käme umso mehr darauf an, „deutlich zu machen, dass wir nichts aufgegeben haben von unseren Überzeugungen“. Die Marschroute für die finale Koalitionsphase ist gesetzt. (han/mit Material von AFP)

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