Wenn die UNESCO mitspricht: Weltkulturerbe und Windkraft
Irgendwo muss der Strom herkommen. Doch unter anderem bei Windkraftanlagen ist der Widerstand schnell groß. Natur- und Denkmalschutz dienen dann als Gegenargumente. Wie weit ein besonderes Baudenkmal in die Region ausstrahlt, das wurde nun in einem Kommunalen Denkmalkonzept ausgearbeitet. Es geht um die Wieskirche bei Steingaden, Wallfahrtsort und Rokokojuwel mit Welterbestatus.
Wies/Peiting – Die Pläne für zwei Anlagen auf den Köpfinger Wiesen südwestlich von Peiting, wo die Bürgerwind Pfaffenwinkel mit 60 Grundstückseigentümern als Investor auftritt, sind eigentlich weit fortgeschritten. Doch bislang ist der Denkmalschutz für das elf Kilometer entfernt liegende Weltkulturerbe Wieskirche der Knackpunkt.
Der Titel als Unesco-Weltkulturerbe erfordert einen sensiblen Umgang mit Veränderungen in der Umgebung. Eine Beeinträchtigung des Welterbes gilt es auszuschließen
Ein Jahr lang wurde am Kommunalen Denkmalkonzept gearbeitet; nach dem Auftakt in der Wies im Juli 2023 folgte nun in Peiting die Abschlussveranstaltung. Nach diesem Abend lässt sich sagen: Es sieht gut aus, dass sich der Schutz der Kulturlandschaft in der Wies mit den geplanten Windkraftanlagen auf den Köpfinger Wiesen vereinbaren lässt.
Vor einem Jahr hatte man sich für die Ausarbeitung des Gutachtens, mit dem das Büro Reicher-Haase (Aachen und Dortmund) beauftragt wurde, auf den Weg gemacht. Damals gab es einen Spaziergang in heftigem Regenschauer rund um die Welterbestätte Wies und eine Auftaktinformation im Gasthof Moser.
In Auftrag gegeben wurde das Gutachten, das 100.000 Euro kostet, vom Markt Peiting als direkt betroffene Gemeinde, vom Landkreis Weilheim-Schongau, und vom Landesamt für Denkmalpflege (LfD). 80 Prozent der Kosten trägt das LfD.
Noch ist das HIA nicht vollständig abgeschlossen. Die drei Buchstaben stehen für das Heritage Impact Assessment zu den Köpfinger Wiesen. Das HIA ist für die Experten der Fachbegriff dafür, eine Einschätzung zu den Auswirkungen auf die Welterbestätte zu recherchieren und auszuarbeiten – in diesem Fall auf die Wieskirche und ihr Umfeld.
Wieskirche und Windkraft: „Geringfügige Beeinträchtigungen“ für Standort Köpfinger Wiesen
Projektleiter Stefan Spörl vom Büro Reicher-Haase brachte bei der Abschlussveranstaltung in Peiting – dort steht auf dem Höhenrücken Bühlach übrigens seit 20 Jahren das bislang einzige Windrad im Landkreis Weilheim-Schongau – eine kurze Zusammenfassung zum Kommunalen Denkmalkonzept. Nach derzeitigem Stand werde von „wenigen, geringfügigen Beeinträchtigungen ausgegangen“. Diese seien „voraussichtlich kein Hinderungsgrund“ für die Entwicklung der geplanten Windkraftanlagen auf den Köpfinger Wiesen, ergänzte Spörl.
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Peitings Bürgermeister Peter Ostenrieder sprach im Resümee von einem „guten Abend“ für die geplanten Windkraftanlagen. Das Kommunale Denkmalkonzept mit dem einjährigen Dialogkonzept und einer Fülle an Dokumentationen werde nicht nur für Peiting, sondern auch für den Regionalen Entwicklungsplan zu Potenzialflächen für Windkraft maßgeblich sein.

Franziska Haas vom Landesamt für Denkmalpflege betonte, das Kommunale Denkmalkonzept werde abschließend an die UNESCO eingereicht. Diese Organisation lässt über ICOMOS – das ist der internationale Rat für Denkmäler und historische Stätten – noch genau prüfen, ob die Untersuchungen wissenschaftlich fundiert sind.
Im Jahr 2014 wurden bereits geplante Windkraftanlagen auf den Köpfinger Wiesen abgelehnt. Die UNESCO war damals nicht einverstanden; sie sah in diesem Projekt eine massive Beeinträchtigung der Landschaft um die Wieskirche. Für die 60 privaten Investoren der Bürgerwind Pfaffenwinkel, die aus den Gemeinden Rottenbuch, Wildsteig, Steingaden und Peiting kommen, war das ein herber Rückschlag.
Nach früherem Rückschlag: Erneuter Vorstoß
Unter neuen politischen Vorzeichen mit der Energiekrise 2022 im Ukrainekrieg und der Maßgabe, dass bis 2032 genau 1,8 Prozent der Landesfläche potenziell für Windkraft ausgewiesen werden müssen, wurde 2022/2023 ein neuer Vorstoß unternommen. Federführend war dabei der Markt Peiting. Nach Gesprächen mit Vertretern des Landesamtes für Denkmalpflege, des Kultusministeriums und des Wirtschaftsministeriums war man sich einig: „Wir müssen die Wieskirche neu untersuchen lassen“ (Zitat Bürgermeister Ostenrieder).
Landrätin Andrea Jochner-Weiß (CSU) freute sich, dass endlich die Vorstellung des Kommunalen Denkmalkonzepts erfolgte. Dies Wieskirche mit dem Titel des UNESCO-Weltkulturerbes zu schützen und trotzdem im Landkreis Windräder bauen zu können, sei ein bedeutender Schritt, erklärte die Landrätin („I gfrei mi so richtig.“).
Wieskirche und Windkraft: Das sind die Kriterien
Ein entscheidendes Kriterium für zwei oder drei Windkraftanlagen auf den Köpfinger Wiesen ist, dass sie in der Luftlinie mehr als zehn Kilometer Abstand zur Wieskirche haben. Es sind knapp elf Kilometer. Gründlich untersucht wurde, wie Christoph Klanten und Stefan Spörl vom Büro Reicher Haase eingangs darstellten, ein Gebiet mit 16 Kilometer Radius um die Wies, worunter auch Bereiche der Landkreise Ostallgäu und Garmisch-Partenkirchen fallen.
Wesentliche Stichwörter im gesamten Prozess für das Kommunale Denkmalkonzept sind, dass die Gegend in der Wies eine typische Kulturlandschaft und nicht als unberührte Natur bewertete wird. Ein anderer Fachbegriff ist das „Höhenentwicklungspotenzial“ für Windkraftanlagen. Bewertet wurde also, wie hoch diese errichtet werden dürfen, bis sie von der Wies aus sichtbar werden.
Zu den Vorschlägen gehört, dass die Türme und Rotoren der Anlagen mit „mattierten Lacken“ und mit lichtabsorbierenden Oberflächen versehen werden sollten, um Reflektionen zu vermeiden. Vorteilhaft sei eine neutrale Einfarbigkeit. Am Sockel sei jedoch eine leichte Graduierung in der Farbe besser.
Bei dem Projekt sei „noch nicht der Stempel drauf“, meinte Projektleiter Spörl. Doch die Aussichten seien gut. Zu den Wortmeldungen nach der Präsentation gehörte auch der Kommentar des Grünen-Gemeinderats Thomas Elste. Ihm sei nie in den Kopf gegangen, dass der Fernsehturm auf dem Hohen Peißenberg zwecks Auswirkung auf die Welterbestätte kaum eine Rolle spiele, Windkraftanlagen auf den Köpfiger Wiesen hingegen schon.
Gerhard Heiß, Ortsheimatpfleger von Peiting und früher langjähriger Gemeinderat, lenkte die Aufmerksamkeit schließlich auf einen anderen Aspekt. Die größte Gefährdung für die Wieskirche sei doch nicht eine Einschränkung in der Blickbeziehung, sondern vielmehr „der Massentourismus“.
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