Jüdischer Trump-Vasall und ein Antisemit verhandeln über Atomdeal oder Krieg

Eigentlich können diese beiden Unterhändler kein Verhältnis zueinander entwickeln und politisch kaum auf einen Nenner kommen: Auf der einen Seite Steve Witkoff, Jahrgang 1957, milliardenschwerer Immobilienentwickler jüdischen Glaubens aus der New Yorker Bronx, enger Vertrauter des US-Präsidenten mit Sympathien für Russland und auf der diplomatischen Bühne erst, seitdem ihn im November 2024 der gerade gewählte Donald Trump zum Sondergesandten für den Nahen Osten berief.

Auf der anderen Seite der iranische Außenminister Abbas Araghtschi, geboren 1960, ein erfahrener Strippenzieher mit umfassender Erfahrung in Atomverhandlungen, der bereits eine zentrale Rolle beim „Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan“ (JCPOA) von 2015 spielte.

Araghtschi ist ein Antisemit, er unterstützt die 2004 von Mullah-freundlichen Publizisten ausgerufene „Achse des Widerstands“, die nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 Partei für die Terrororganisation im Gaza-Streifen ergriff; auch die Hisbollah im Libanon und die Huthi-Miliz im Jemen, geeint in einer Kriegsallianz gegen Israel gehören zu dieser Achse.

Tiefe Feindschaft

Ausgerechnet diese beiden Männer, Jude und Kapitalist der eine, kämpferischer Antisemit aus einer Theokratie der andere, sollen trotz der tiefen Feindschaft zwischen Washington und Teheran einen Kompromiss in der Frage des iranischen Atomprogramms und der westlichen Sanktionen finden.

Dort fordert Witkoff für die USA strenge Beschränkungen für die Urananreicherung im Iran, um die Entwicklung von Atomwaffen zu verhindern. Araghtschi hingegen reklamiert für den Iran das Recht auf friedliche Nutzung von Kernenergie und verlangt die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen. Teheran möchte außerdem die Zusicherung, dass ein neues Abkommen nicht einseitig von zukünftigen US-Regierungen aufgekündigt wird.

Das kommt nicht von ungefähr: Mühsam hatten die Verhandlungspartner, nämlich USA, Frankreich, Großbritannien, China, Russland und Deutschland (und am Ende formal die EU) 2015 einen internationalen Deal erreicht, den „gemeinsamen Umsetzungsplan“ (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA).

Kernpunkte des Vertrags waren die Limitierung der Zahl der Zentrifugen über zehn Jahre und des Grades und der Qualität der Urananreicherung über 15 Jahre. Doch Trump, der schon in seinem ersten Wahlkampf 2016 aus allen rhetorischen Rohren gegen den „schlechtesten Vertrag aller Zeiten“ geschlossen hatte, verkündete am 8. Mai 2018 den Rückzug der USA aus JCPOA, der damit hinfällig war. Sein Nachfolger Joe Biden ließ den Atom-Vertrag nicht neu aufleben.

Neue Atomgespräche

Und jetzt wird alles anders? Im März 2025 schickte der ins Amt zurückgekehrte Trump einen Brief an den Obersten Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, in dem er neue Verhandlungen vorschlug.

Der Ayatollah bezeichnete das amerikanische Vorgehen zunächst als „Mobbing“, weil der Brief Forderungen wie die vollständige Einstellung der Urananreicherung und die Beendigung der Unterstützung für regionale Milizen enthielt. Schließlich stimmte Teheran dennoch Gesprächen zu.

Sie werden vom arabischen Staat Oman vermittelt und fanden in der ersten Runde in dessen Hauptstadt Muscat statt. Sie wurden indirekt geführt, omanische Vermittler trugen die Botschaft von der einen Delegation zur anderen.

Der Kontrast zwischen Witkoffs unkonventioneller Business-Attitude und Araghtschi konventioneller diplomatischer Technik stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Dem Vernehmen nach begegneten sich die beiden Chef-Unterhändler aber auch persönlich.

Am vergangenen Samstag (19. April) begann in Rom eine zweite Runde der indirekten Atomverhandlungen. Die Gespräche finden erneut auf neutralem Boden statt, in einem Gebäude der Botschaft von Oman.

Über den Autor: Ansgar Graw

Ansgar Graw ist seit März 2020 Herausgeber des Debattenportals "The European". Zuvor war der studierte Historiker und Politikwissenschaftler 22 Jahre in wichtigen Positionen für die Tageszeitung DIE WELT tätig, darunter acht Jahre als politischer Chefkorrespondent in Washington D.C. Graw ist Autor erfolgreicher Bücher, darunter „Die Grünen an der Macht. Eine kritische Bilanz“. Soeben erschien sein Buch „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt“.

Auf dem Gefrierpunkt

Seit 1979 sind die Beziehungen zwischen den USA und Iran auf dem Gefrierpunkt. Dabei war der Iran bis zum Januar jenes Jahres einer der wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten.

Dann kam es zu Massendemonstrationen gegen den Shah, der an Krebs erkrankte Mohammad Reza Pahlevi floh in die Vereinigten Staaten. Es kam zur Islamischen Revolution und einer theokratischen Führung unter Großajatollah Ruhollah Khomeini.

Am 4. November stürmten Studenten die US-Botschaft in Teheran und forderten die Auslieferung des Schahs; ihre 444-tägige Geiselnahme führte zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Ob es nun doch zu einem Deal kommt, ist völlig offen. Ein Militärschlag Israels mit Unterstützung der USA gegen den Iran ist ebenso denkbar. Russland hat angeboten, bei den Verhandlungen zu vermitteln. Erkennbar versucht Präsident Wladimir Putin auch über diesen Weg, von Trump wieder als internationaler Partner aufgewertet zu werden.

Obwohl beide Seiten ihre Bereitschaft zum Dialog betonen, gibt es erhebliche Hindernisse. Die Forderung des Irans nach Garantien gegen einen künftigen Rückzug Washingtons aus einem Abkommen stellt angesichts der Struktur des politischen Systems der USA eine echte Herausforderung dar.

Trump machte 2018 von einem Recht Gebrauch, das ihm die Verfassung bot. Wie soll verhindert werden, dass es zu einer ähnlich veränderten politischen Haltung nach den nächsten Wahlen in den USA erneut kommen wird?

Trump agiert mit Drohung und ausgestreckter Hand

Trump agiert gegenüber dem Iran einerseits mit ausgestreckter Hand in Form des Briefes an den Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei. Andererseits setzt der Präsident massiven Druck ein.

Im März drohte Trump mit „Bombardierungen wie nie zuvor", sollte der Iran nicht zu einem neuen Atomabkommen bereit sein. Gleich an mehreren Fronten intensivierte seine Regierung die "Maximum Pressure"-Kampagne. So werden zusätzliche Sanktionen gegen Teheran ins Spiel gebracht.

Außerdem verfügte das Pentagon die Stationierung von B-2-Bombern auf Diego Garcia, einem abgelegenen Atoll im Indischen Ozean, das als Teil des Chagos-Archipels zum britischen Territorium im Indischen Ozean gehört und einen gemeinsamen Militärstützpunkt der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königsreichs trägt.

Ziel sei es, die Möglichkeit einer Wiederbelebung von Elementen des JCPOA von 2015 zu erkunden, heißt es zu den Gesprächen. Doch an einer schlichten Wiederaufnahme des JCPOA dürfte Trump nicht interessiert sein: dazu hätte er den Vertrag ja nicht kündigen müssen. Er wird diesmal umfassendere Zugeständnisse von Teheran einfordern.

Lässt sich der Iran darauf ein? Oder blickt er schlicht auf die geopolitische Landkarte, in der die USA aufgrund der globalen Konfrontationspolitik von Trump heute weniger Unterstützung finden dürften als vor zehn Jahren? Dass Russland und China erneut mit den USA und dem Westen an einem Strang ziehen, um den Iran zum Einlenken zu bewegen, ist bis auf weiteres unvorstellbar.

Israel wollte Militärschlag im Mai

Kürzlich berichtete die „New York Times“, Trump habe Israels Premierminister Benjamin Netanjahu bei dessen Besuch im Weißen Haus persönlich darüber informiert, dass die USA sich derzeit nicht an einem von Israel angeblich bereits für Mai geplanten Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm beteiligen würden.

Nach monatelangen Debatten im innersten Zirkel habe Trump beschlossen, zunächst diplomatischen Lösungen eine Chance zu geben, ließ er den israelischen Premier wissen – und damit auch Teheran. Die Worte „derzeit“ und „nach internen Debatten“ signalisieren, dass es bei dieser Position nicht bleiben muss.

Witkoff und Araghtschi, die ungleichen Verhandlungspartner, müssen einen weiten Weg zurücklegen, wollen sie die Basis für ein Übereinkommen zwischen ihren tief verfeindeten Ländern legen.

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