„Im politischen Berlin nicht üblich“: Wie gehts weiter mit den Grünen? Es gibt Hoffnung an der Basis
Ricarda Lang und Omid Nouripour sind nicht mehr Grünen-Vorstand. Aus dem Landkreis gibt‘s dafür Respekt. Ein Bundestagsabgeordneter hofft auf einen Neustart.
Die jüngsten Wahlergebnisse waren niederschmetternd, aus zwei Landtagen flogen die Grünen in kurzer Zeit. Der Vorstand der Ökopartei trat am Mittwoch überraschend geschlossen zurück. Viele Parteimitglieder zollen dem Ex-Führungsduo Ricarda Lang und Omid Nouripour Respekt für diesen Schritt.
Zukunftssorgen nach dem Dreifach-Fiasko nach den Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen hat der Geretsrieder Grüne Marius Schlosser aber nicht. „Ich sehe Chancen auf einen Neuanfang“, sagt der 28-Jährige. Dass sich das Führungsduo nach dem neuerlichen Misserfolg für einen solchen entschieden hat, das ringt Schlosser Bewunderung ab. „Omid und Ricarda haben einen guten Job gemacht. Jetzt zurückzutreten nach diesen Ergebnissen: Das ist Verantwortung und verdient Respekt.“

Bundestagsabgeordneter sieht „krude Mischung aus Glückwünschen und Beleidigungen“
Auch der Bundestagsabgeordnete Karl Bär sieht das so. „Dass sich jemand von einer Machtposition freiwillig zurückzieht, ist im politischen Berlin nicht so üblich.“ Vor allem Lang stand „stark im Wind und hat viel persönlichen Ärger und Bedrohungslagen aushalten müssen“. Das sei traurige Realität. Beobachte man Instagram-Kommentare unter Fotos von Politikern, die sich über Erfolge freuen, „dann erkennt man eine krude Mischung aus Glückwünschen und Beleidigungen“.
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Bär sieht Chance für einen Neuanfang. Der Holzkirchner sieht unter den aktuell gehandelten Namen „Leute, die das könnten“. Seiner Meinung nach brauche es eine Führung, die es schaffe nach außen zu zeigen, dass die Grünen nicht mit der Ampelkoalition gleichzusetzen sind. „Es muss sichtbar sein, wofür wir stehen.“
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Kreisrätin: „Heizungsgesetz nicht schlecht - aber die Menschen wurden nicht mitgenommen“
Kreisrätin Barbara Schwendner aus Bad Tölz räumt ein, dass die Kommunikation der Grünen problematisch war: „Das Heizungsgesetz an sich ist nicht schlecht, aber die Menschen wurden zu wenig mitgenommen. Und auch zur Kindergrundsicherung wurde eine schlechte Lösung vorgelegt, die nicht verständlich war“, sagt die Tölzerin. Der Geretsrieder Schlosser findet: „Wir haben viele Erfolge auch in der Regierungsarbeit, die wir besser kommunizieren sollten.“ Dass das nicht gelungen ist, trage zum derzeit gebeutelten Image der Öko-Partei bei. Deshalb hofft der 28-Jährige auf eine Spitze, die nicht nur die Partei zusammenhält, sondern auch „unsere Erfolge und Ideen nach außen präsentieren kann“. Das könne auch gegen die vielen Angriffe anderer Parteien helfen. Schlosser: „Wir werden von Gruppierungen wie der AfD und dem BSW zum Hauptgegner erklärt und angegriffen. Das liegt auch daran: Die Gegensätze gerade zwischen Rechtsextremen und uns könnten nicht größer sein.“
Grüne werden zum Sündenbock: Schwendner sieht Söder in der Mitschuld
Dass den Grünen vielfach eine Sündenbock-Funktion zugeschrieben wird, komme nicht nur nicht nur vonseiten der AfD und des BSW, sondern auch von CSU-Ministerpräsident Markus Söder, findet die Tölzerin Schwendner. „Wenn er sagt, dass die Grünen nicht zu Bayern gehören, bedeutet das einen Ausschluss von vielen Menschen, die sich seit Jahrzehnten für eine positive Entwicklung der Gesellschaft einsetzen.“ Auch Aiwanger prügele ständig auf die Grünen ein. „So etwas bleibt nicht ohne Wirkung.“
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Klaus Hanus kandidierte 2023 für den Landtag. Der Lenggrieser sieht den Mehrfach-Rücktritt als „sichtbares Zeichen nach außen, dass man etwas verändern will. Vielleicht gibt es Köpfe, die besser gefallen.“
„Zurück zu den Wurzeln“ fordert Klaus Hanus
Inhaltlich wünscht er sich von seiner Partei weniger eine Kurskorrektur als ein „Zurück zu den Wurzeln“. Vor allem sieht er die Grünen in der Verantwortung, „dass das Thema Klimaschutz nicht in den Hintergrund gerät, denn das Wasser steht uns buchstäblich bis zum Hals“, sagt Hanus. „Die Gesellschaft sehnt sich nach einem ,Weiter so‘, aber wir müssen die Dringlichkeit dieser Thematik kommunizieren. Beim Thema Migration bestehe die Lösung „sicher nicht in Mauern und Abschottung“, so der Lenggrieser. „Ich hoffe nicht, dass wir über jedes Stöckchen springen, dass man uns hinhält“. Schwendner möchte, dass die Grünen auch mit einer neuen Führung. „in Ruhe sachorientiert weiterarbeiten“. Beim Thema Migration gelte es, „nicht auf die sogenannten Argumente der Populisten aufzuspringen, sondern Fakten auf den Tisch zu legen“.
Gegner für Grüne Ideen: „Da steckt unglaublich viel Geld drin“
Karl Bär glaubt, dass es gerade wegen ihrer wichtigen politischen Inhalte immer wieder Gegenwind für seine Partei gibt. „Wir als Grüne in der Regierung stellen eine ernsthafte Gefahr für Menschen dar, die vom status quo stark profitieren“, sagt der Abgeordnete. „Da steckt unglaublich viel Geld drin – und ein großes Interesse daran, dass wir nicht mehr in der Lage sind, etwas zu bewirken.“
Die Lage sei aktuell schwierig für die Ökopartei. Schlosser sieht Parallelen zur SPD: Die waren ein Jahr vor der jüngsten Bundestagswahl auch in Umfragen weit abgeschlagen. „Die SPD hat trotzdem ein sehr gutes Ergebnis geholt. Ich habe keine Zukunftsangst.“